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Prophylaktische antiarrhythmische Behandlung mit Amiodaron – die EMIAT- und die CAMIAT-Studie

Seit den negativen Ergebnissen der CAST-Studie mit Flecainid, Encainid und Moricizin wird für die medikamentöse Therapie von Hochrisikopatienten mit symptomatischen ventrikulären Arrhythmien vor allem das Klasse-Ill-Antiarrhythmikum Amiodaron eingesetzt. Nachfolgende Studien wie BASIS und GESICA (s. AMB 1994, 28, 82 und 1994, 28, 92) legen zudem den Schluß nahe, daß auch Patienten nach Myokardinfarkt mit erhöhtem Arrhythmierisiko und Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz von einer prophylaktischen Therapie mit Amiodaron profitieren. Generelle Empfehlungen ließen sich aus den vorliegenden, kleineren Untersuchungen jedoch nicht ableiten. Mit großem Interesse wurden daher die jetzt im Lancet veröffentlichten Ergebnisse zweier großer randomisierter Studien zu dieser Frage erwartet.

In EMIAT (European Myocardial Infarct Amiodaron Trial: Lancet 1997, 349, 667) wurden multizentrisch 1486 Patienten zwischen 5 und 21 Tage nach akutem Myokardinfarkt eingeschlossen. Alle Patienten hatten eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion mit szintigraphisch bestimmter Ejektionsfraktion = 40%. Nach Randomisation erhielten 743 Patienten Amiodaron und 743 Patienten Plazebo. Die Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich Alter, Geschlecht, Blutdruck, Ejektionsfraktion und Basistherapie. In der Amiodaron-Gruppe fanden sich jedoch häufiger Patienten mit früherem Myokardinfarkt. Die Amiodaron-Gabe erfolgte nach einer Aufsättigungsphase über vier Wochen mit einer Erhaltungsdosis von 200 mg/d. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 21 Monate. Studienendpunkte waren Gesamtletalität sowie kardiale und arrhythmogene Letalität. In der Analyse zeigte sich kein Gruppenunterschied hinsichtlich der Gesamtletalität; insgesamt starben 103 Patienten in der Amiodaron-Gruppe und 102 Patienten in der Plazebo-Gruppe. Die Häufigkeit von Todesfällen durch Arrhythmien war unter Amiodaron jedoch signifikant geringer (33 vs. 50 Todesfälle, p = 0,05). Durch eine höhere Anzahl kardialer, nicht durch Arrhythmien verursachte Todesfälle in der Amiodaron-Gruppe ergab sich aber auch bei der kardialen Letalität kein signifikanter Gruppenunterschied (Amiodaron: 85 Todesfälle, Plazebo: 89 Todesfälle). Hierbei könnte die Überrepräsentanz von Patienten mit früherem Myokardinfarkt eine Rolle gespielt haben. Bei weiteren Subgruppenanalysen, einschließlich Patientenstratifizierung nach Ejektionsfraktion, fanden sich keine signifikanten Unterschiede in der Gesamtletalität. Überraschenderweise zeigte sich aber ein deutlicher Trend zugunsten einer verminderten kardialen Letalität bei begleitender Therapie mit Betablockern.

Die Therapieabbruch rate war insgesamt hoch. 284 Patienten (38,5%) in der Amiodaron-Gruppe, aber auch 158 Patienten in der Plazebo-Gruppe (21,4%) unterbrachen vorzeitig die Einnahme der Studienmedikation. Spezielle Nebenwirkungen unter Amiodaron waren Leberfunktionsstörungen (2%), Hyperthyreose (1,6%), Hypothyreose (1,5%) und Bradykardie (1,4%). Drei Todesfälle in der Amiodaron-Gruppe wurden auf eine Lungenfibrose zurückgeführt. Davon hatten zwei Patienten eine vorbestehende Lungenerkrankung, so daß sie eigentlich nach dem Protokoll nicht in die Studie hätten eingeschlossen werden dürfen.

In CAMIAT (Canadian Amiodarone Myocardial Infarction Arrhythmia Trial: Lancet 1997, 349, 675) wurden aus 36 kanadischen Krankenhäusern 1202 Patienten mit einem 6 bis 45 Tage zurückliegenden Herzinfarkt rekrutiert. Zusätzliches Einschlußkriterium war das Vorliegen eines Langzeit-EKG mit mindestens 10 VES/Stunde oder mindestens einer ventrikulären Salve. Nach Randomisation erhielten 606 Patienten Amiodaron und 596 Plazebo.

Amiodaron wurde nach einer viermonatigen abgestuften Aufsättigungsphase in einer Erhaltungsdosis von 200 bis 300 mg/d gegeben. Eine weitere Dosisreduktion auf 200 mg/5 Tage in der Woche konnte bei dokumentierter Suppression der Arrhythmien im Langzeit-EKG erfolgen. Alle Patienten wurden mindestens 1 Jahr und im Mittel 1,8 Jahre lang nachbeobachtet. Als primärer Endpunkt wurde Tod durch Arrhythmie oder Reanimation nach Kammerflimmern definiert. Sekundäre Endpunkte waren kardiale und gesamte Letalität.

Der primäre Endpunkt trat bei 31 (6,0%) Patienten in der Plazebo-Gruppe und bei 15 (3,3%) in der Amiodaron-Gruppe auf (p = 0,016). In der Intention-to-treat-Analyse waren es entsprechend 24 (6,9%) primäre Endpunkte in der Plazebo-Gruppe und 15 (4,5%) in der Amiodaron-Gruppe (p = 0,029). Die absolute Risikoreduktion war besonders deutlich bei den Untergruppen mit Herzinsuffizienz und früherem Myokardinfarkt. Für die sekundären Endpunkte „kardiale Letalität und gesamte Letalität“ fand sich ein Trend zugunsten von Amiodaron, der jedoch nicht das Signifikanzniveau erreichte. Auch bei CAMIAT fand sich eine additive, signifikante Risikoreduktion für den primären Endpunkt bei Patienten mit begleitender Betablocker-Medikation. In den Langzeit-EKG-Kontrollen zeigte sich nach vier Monaten eine Suppression der Arrthythmien bei 84% der mit Amiodaron und bei 35% der mit Plazebo behandelten Patienten. Dies steht im Gegensatz zu den Ergebnissen bei CAST, denn dort führte eine Suppression häufiger VES durch die Klasse-l-Antiarrhythmika vermehrt zu letalen Arrhythmien.

Auch bei CAMIAT war die Therapieabbruchrate in beiden Gruppen hoch: 36,4% der Patienten in der Amiodaron-Gruppe und 25,5% in der Plazebo-Gruppe. Unter Amiodaron kam es bei 3,3% zu einer Hyperthyreose, bei 0,6% zu einer Hypothyreose, bei 1,8% zu passageren Erhöhungen der Leberwerte und bei 2% zu Hautveränderungen. Lungenfibrose wurde nicht beobachtet.

Die Diskussionen bei EMIAT- und CAMIAT-Publikationen schließen mit unterschiedlichen Bewertungen von Amiodaron. Die CAMIAT-Untersucher halten eine prophylaktische Medikation mit Amiodaron bei Postinfarkt-Patienten mit asymptomatischen ventrikulären Rhythmusstörungen für gerechtfertigt, besonders, wenn weitere Risikofaktoren, wie beispielsweise Herzinsuffizienz oder ein früherer Myokardinfarkt, vorliegen. Die EMIAT-Untersucher betonen den fehlenden Nutzen von Amiodaron im Hinblick auf die Gesamtletalität. Mit der Bemerkung „dead is dead“ weist S. Gottlieb in einem begleitenden Editorial in derselben Ausgabe des Lancet (1997, 349, 662) ebenfalls auf die nachrangige Bedeutung subjektiv und kontrovers definierter Endpunkte hin, wie beispielsweise den (bei CAMIAT hervorgehobenen) Arrhythmie-Tod. Warum es nur bei EMIAT zu vermehrten kardialen, nicht-arrhythmogenen Todesfällen kam, bleibt unklar. Es ist aber festzuhalten, daß beide Studien eine klare antiarrhythmische bzw. fehlende proarrhythmische Wirksamkeit von Amiodaron nachweisen. In beide Studien wurden nur Risikopatienten eingeschlossen. Die übliche Post-Infarkt-Prophylaxe mit Betablockern allein war in den entsprechenden Untergruppen nur wenig wirksam.

Fazit: Bei Patienten, die aufgrund einer Risikokonstellation nach Myokardinfarkt prophylaktisch antiarrhythmisch behandelt werden sollen, ist Amiodaron Mittel der Wahl. Um diejenigen Patienten-Untergruppen, die von einer prophylaktischen Amiodaron-Gabe profitieren, definieren zu können, sind weitere Metaanalysen geplant. Für die klinische Praxis ist der überraschend gefundene additive Nutzen bei begleitender Betablocker-Medikation ein wesentliches Nebenergebnis beider Studien.