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Verschlimmerung einer endokrinen Orbitopathie infolge Radiojodtherapie bei M. Basedow kann durch Prednisolon verhindert werden

Eine endokrine Orbitopathie (Exophthalmus, Doppelbilder usw.) tritt nur im Zusammenhang mit einer autoimmunen Schilddrüsenerkrankung (z.B. Basedow-Hyperthyreose) auf, nicht aber in Verbindung mit einer Hyperthyreose infolge Schilddrüsen-Autonomie. Man vermutet, daß im Retroorbitalgewebe, besonders in den äußeren Augenmuskeln, ähnliche Antigene wie in der Schilddrüse exprimiert werden, gegen die sich das Immunsystem richtet. Mehrfach ist beschrieben worden, daß nach einer Radiojodtherapie, in deren Folge Schilddrüsengewebe zerfällt und in großen Mengen Schilddrüsen-Antigene mit dem Immunsystem in Kontakt kommen, eine endokrine Orbitopathie auftritt oder sich verschlimmert. Auch ein sogenanntes „prätibiales Myxödem“, das durch ähnliche histologisch/immunologische Veränderungen charakterisiert ist wie die endokrine Orbitopathie, kann nach einer Radiojodtherapie auftreten. L. Bartalena et al. aus Pisa berichten im N. Engl. J. Med. (1998, 338, 73) über eine umfangreiche Studie zur Verhinderung der durch Radiojodtherapie ausgelösten oder verschlimmerten endokrinen Orbitopathie mittels Prednisolon-Behandlung. Insgesamt 443 Patienten mit Basedow-Hyperthyreose und prätherapeutisch fehlender oder nur leichter endokriner Orbitopathie wurden in die Studie eingeschlossen. Jeweils etwa ein Drittel der Patienten erhielt entweder eine A. Radiojodtherapie, B. Radiojodtherapie plus Prednisolon-Behandlung oder C. thyreostatische Therapie mit Methimazol (Thiamazol) ein Jahr lang. Die Prednisolontherapie wurde wenige Tage nach der Radiojodgabe (120 bis 150 µCi/g Schilddrüsengewebe) mit 0,4 bis 0,5 mg Prednisolon/kg KG begonnen. Die Prednisolon-Dosis wurde nach einem Monat allmählich reduziert und nach 3 Monaten beendet.

Die Zahl der nach einem Jahr in Euthyreose, Hypothyreose oder noch in Hyperthyreose befindlichen Patienten war in den Gruppen A und B gleich. In der Gruppe C waren fast alle Patienten euthyreot, da die Methimazol-Therapie besser dosiert werden kann als die Radiojodbehandlung. Selbstverständlich wurden in den Gruppen A und B hypothyreote Patienten mit Thyroxin und weiter hyperthyreote Patienten (sehr kleine Zahl) mit Methimazol zusätzlich behandelt.

Bei den 150 Patienten der Gruppe A entwickelte sich oder verschlechterte sich eine endokrine Orbitopathie bei 23 Patienten (15%). Die Verschlechterung trat 2 bis 6 Monate nach Radiojodgabe auf und war bei 15 dieser Patienten vorübergehend. Bei den 145 Patienten der Gruppe B (Radiojod plus Prednisolon) trat in keinem Fall eine Progression der Orbitopathie auf, während sich bei 50 von 75 Patienten, die initial eine leichte Orbitopathie hatten, der Befund besserte. In der Methimazol-Gruppe C trat in 3% eine Verschlechterung, in 2% eine Besserung der Orbitopathie ein, während bei 95% der Patienten der Befund unverändert blieb (s.a. Editorial zum gleichen Thema von W. M. Wiersinga: N. Engl. J. Med. 1998, 338, 121).

Fazit: Diese Studie beweist, daß eine Radiojodtherapie eine endokrine Orbitopathie auslösen oder verschlechtern kann und daß diese unerwünschte Wirkung durch eine relativ niedrig dosierte dreimonatige Prednisolon-Behandlung verhindert werden kann. Es erscheint deshalb angebracht, bei Patienten mit ausgeprägter endokriner Orbitopathie und hohem Risiko einer Progression eine Radiojodtherapie entweder zu vermeiden oder an diese Therapie eine prophylaktische Prednisolon-Therapie anzuschließen.