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Die Publikation randomisierter onkologischer Studien als Abstracts nach der Präsentation als Vorträge

Die zeitnahe Veröffentlichung von Studiendaten in Form einer Originalarbeit erlaubt vielfach erst die differenzierte und kritische Würdigung wissenschaftlicher Untersuchungen. Die initiale Präsentation – gelegentlich bereits vor Beendigung der Studie – in Form eines Abstracts, Vortrags oder Posters auf medizinischen Fachtagungen ist heutzutage die Regel, insbesondere, wenn Studienergebnisse wichtiger randomisierter kontrollierter Studien (RCT) der Phase-III vorgestellt werden. Da solche Ergebnisse oft zur Grundlage klinischer Behandlungsempfehlungen oder gar von Leitlinien werden, ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Originalarbeit und ggf. der Einfluß des Untersuchungsergebnisses auf das Publikationsverhalten von Interesse.

Eine wichtige Untersuchung zu diesem Thema wurde von einer nordamerikanischen Arbeitsgruppe im Bereich der Onkologie (Krzyzanowska, M.K., et al.: JAMA 2003, 290, 495) jetzt veröffentlicht. Die Autoren haben Publikationen großer onkologischer RCT analysiert, die auf den Jahrestagungen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in den Jahren 1989 bis 1998 als Abstract vorgestellt worden waren. Insgesamt 510 Abstracts von RCT mit ≥ 200 rekrutierten Patienten/Studie wurden ausgewertet. Mehr als 50% der Studien betrafen gastrointestinale Tumoren sowie Mamma- und Bronchialkarzinome. Primäres Ziel der Analyse war festzustellen, wie viele Abstracts später als Originalarbeit publiziert wurden, welche Verzerrungen (Bias) bei der Publikation von Studien mit nicht-signifikanten Ergebnissen auftreten und welche Faktoren den Zeitpunkt der Veröffentlichung bestimmen. Für die Literatursuche wurden PubMed-, MEDLINE- und EMBASE-Datenbasen genutzt und die Autoren kontaktiert, falls keine Originalarbeit zu den Abstracts aufzufinden war.

Überraschenderweise waren selbst 5 Jahre nach Präsentation der RCT als Abstract auf den Jahrestagungen der ASCO 26% der Ergebnisse nicht in Form einer Originalarbeit publiziert worden. Dies bedeutet, daß etwa 47000 Tumorpatienten an Studien teilgenommen haben, deren Ergebnisse nicht als Originalarbeit publiziert wurden. Der Anteil publizierter Studien mit signifikanten Ergebnissen war erwartungsgemäß größer als der von Studien mit nicht-signifikantem Ausgang (81% vs. 68%, p < 0,001). Die Publikation von Studien, die während einer Plenarveranstaltung auf den ASCO-Jahrestagungen oder als regulärer Vortrag vorgestellt wurden, erfolgte signifikant rascher als die von Postern (p = 0,002). Auch Studien mit Unterstützung durch die pharmazeutische Industrie wurden signifikant rascher publiziert als Studienergebnisse kooperativer Gruppen oder Studien ohne Angabe der Sponsoren (p = 0.02). Durch Nachfrage bei den Autoren konnten noch 2% der Abstracts der Gruppe publizierter Originalarbeiten zugeordnet werden. Als Gründe für eine nicht erfolgte Publikation wurden von den Autoren am häufigsten fehlende Zeit oder fehlende finanzielle Unterstützung genannt.

Fazit: Nur 74% der auf führenden onkologischen Fachtagungen als Abstract präsentierten randomisierten kontrollierten Studien wurden als Originalarbeit publiziert. Kleinere Studien, z.B. der Phase II, werden noch seltener ausführlich veröffentlicht (um 45%). Studien mit Unterstützung durch die pharmazeutische Industrie wurden rascher publiziert als Studien kooperativer Gruppen oder solche ohne Angabe der Sponsoren. Daß 32% von Studien mit nicht-signifikanten Ergebnissen nicht publiziert werden, beeinflußt negativ Metaanalysen, Behandlungsempfehlungen sowie Leitlinien und verstößt auch generell gegen Vereinbarungen zwischen Untersuchern und Patienten bzw. Ethikkommissionen. Die Ergebnisse dieser Analyse unterstreichen die Notwendigkeit unabhängiger Studienregister.