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Meningokokken-Meningitis – Wer braucht einen Impfschutz?

Zusammenfassung: Meningokokken können lebensbedrohliche septische Krankheiten verursachen. Ein Impfschutz für gefährdete Altersgruppen (Säuglinge, Kleinkinder, Jugendliche) und für erwachsene Risikopersonen (Auslandsreisende, Laborpersonal, Immunschwache) ist deshalb dringend geboten. Bisher gibt es keinen Impfstoff gegen Meningokokken der Serogruppe B, die in Deutschland die meisten Infektionen hervorrufen. Seit dem Jahr 2000 stehen neben den traditionellen Polysaccharid-Impfstoffen auch Konjugat-Impfstoffe gegen Meningokokken der Serogruppe C zur Verfügung. Diese haben den Vorteil, daß sie auch bei Kindern unter zwei Jahren – also bei der am meisten gefährdeten Altersgruppe – einen lang dauernden Impfschutz bewirken. Dementsprechend wurden die Impfempfehlungen durch die Ständige Impfkommission aktualisiert.

Invasive Meningokokken-Erkrankungen sorgen immer wieder für Beunruhigung in der Öffentlichkeit. Zwar handelt sich meist um Einzelfälle, jedoch verlaufen sie oft schwer, bisweilen dramatisch oder gar tödlich. Jedermann hat es schon gelesen oder gehört, daß ein Kind nach fröhlichem Spiel im Kindergarten oder nach dem Schulunterricht plötzlich erkrankt und trotz sofortiger Intensivbehandlung innerhalb weniger Stunden gestorben ist. Ein solch erschütterndes Ereignis führt immer wieder zu den Fragen: ”Wie hätte man das Kind vor der Infektion schützen können?” oder ”Wie kann man Kontaktpersonen eines Patienten vor einer Ansteckung schützen?”

Epidemiologie und Impfprävention: Meningokokkeninfektionen sind weltweit verbreitet, besonders im sogenannten Meningokokkengürtel, der sich in Zentralafrika von Obervolta über Nigeria, Tschad bis nach Äthiopien erstreckt; auch in Brasilien sind Meningokokkenerkrankungen häufig. Man schätzt die jährlich weltweit auftretenden Meningokokken-Meningitiden auf ca. 300000 (1, 2). Am häufigsten sind die Meningokokken-Serogruppen A, B, C und Y beteiligt (3, 4).

In Deutschland herrscht die Serogruppe B vor (3, 5, 10). Während in Großbritannien (6, 7) und in den Niederlanden (8) ein Anstieg der durch Gruppe C verursachten Meningitiden auf ca. 40% beobachtet wurde, blieb ihr Anteil in Frankreich (9) und Deutschland mit etwa 20% bis 2001 recht konstant (1, 2).

Nach einer größeren Epidemie mit über 1500 Meningitis-C-Erkrankungen und 150 Todesfällen wurde 1999/2000 in Großbritannien eine Impfkampagne großen Stils begonnen (6). Es wurde erstmals ein Meningokokken-Konjugat-Impfstoff gegen Meningokokken der Serogruppe C eingesetzt, der auch bei Kindern unter zwei Jahren zu einer nachhaltigen Immunität führt. Mit diesem neuen Meningokokken-Konjugatimpfstoff wurden etwa 15 Mio. Kinder und Jugendliche, insbesondere die am meisten gefährdeten Altersgruppen unter 5 und zwischen 15 und 19 Jahren geimpft (7). Seit dieser Impfkampagne ist die Inzidenz der invasiven Meningokokken-Erkrankungen deutlich gesunken (1, 2). In den Niederlanden wurde im Januar 2002 eine allgemeine Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C für alle Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren mit einem Konjugat-Impfstoff eingeführt (8).

Die Häufigkeit der gemeldeten Meningokokken-Erkrankungen nimmt in Deutschland den bekannten saisonalen Verlauf. Im Winter steigt die Zahl der Erkrankungen. Im Jahr 2001 wurden in Deutschland 9 örtliche Häufungen mit insgesamt 30 Erkrankungen beobachtet, die durch mehrere Einzelfälle im direkten oder örtlichen Zusammenhang standen. Knapp 40% der Fälle betrafen Kinder unter 5 Jahren, und etwa 10% der Kinder erkrankten bereits im ersten Lebensjahr (5).

Das Nationale Referenzlabor in Würzburg (Leiter: Prof. Dr. Frosch) beobachtet in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut das epidemiologische Geschehen in Deutschland und hat die epidemiologischen Daten des Jahres 2002 freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Hierbei ist eine Zunahme der C-Meningokokken zu konstatieren; ihr Anteil stieg im Jahr 2002 immerhin auf 32% an, wie die Tab. 1 verdeutlicht. Diese Daten verpflichten dazu, die weitere Entwicklung aufmerksam zu verfolgen, um Schlußfolgerungen für präventive Maßnahmen zu ziehen.

Impfempfehlungen in Deutschland: Bei uns sind Kapselpolysaccharid-Impfstoffe gegen die Serogruppen A und C (Meningokokken-Impfstoff A+C) bzw. A, C, Y, und W 135 (Mencevax ACWY) sowie Konjugatimpfstoffe (Meningitec, Menjugate, NeisVac-C) gegen die Serogruppe C zugelassen. Konjugatimpfstoffe haben den Vorteil, auch bei Kindern unter 2 Jahren zu einer boosterfähigen Immunität zu führen (11, 12). Sie bieten deshalb dieser besonders gefährdeten Altersgruppe einen Impfschutz. Bis heute gibt es noch keinen Impfstoff gegen Meningokokken der Serogruppe B.

In Deutschland ist die Meningokokken-Impfung eine Indikationsimpfung (13, 14). Gesundheitlich gefährdete Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten, insbesondere Komplementdefekten, Hypogammaglobulinämie und Asplenie sollten einen Impfschutz erhalten. Für die Wahl des Impfstoffs ist das Alter des Impflings ausschlaggebend: Kinder unter 2 Jahren erhalten einen Konjugatimpfstoff. Nach vollendetem zweiten Lebensjahr wird Polysaccharidimpfstoff eingesetzt. Laborpersonal sollte sich ebenfalls impfen lassen, wenn es mit dem Risiko eines Neisseria-meningitidis-Aerosols arbeitet. Als Reiseimpfung wird die Meningokokken-Impfung bei einem Ziel im ”Meningokokken-Gürtel” empfohlen. Pilgerreisen (z.B. Hadschi) erfordern unter Beachtung der Einreisebestimmungen eine Impfung mit einem viervalenten Polysaccharid-Impfstoff (A, C, Y, W). Bei längerem Aufenthalt in Ländern mit einer hohen Meningitis-C-Inzidenz und Impfpflicht (GB, NL) sollten Schüler und Studenten über einen Impfschutz verfügen.

Schutz von Kontaktpersonen: Alle Kontaktpersonen, Haushaltsmitglieder einschließlich Säuglinge und Kleinkinder, erhalten schnellstmöglich eine Chemoprophylaxe. Diese besteht aus Rifampicin (20 mg/kg KG/d verteilt auf zwei Dosen; Jugendliche und Erwachsene zweimal 600 mg/d) zwei Tage lang (11).

In Ergänzung zur Chemoprophylaxe für Kontaktpersonen können die zuständigen Gesundheitsbehörden zusätzlich eine Impfprävention empfehlen, sofern das gehäufte Auftreten oder der Ausbruch durch einen impfpräventablen Stamm – also nicht bei Serogruppe B – hervorgerufen wurde. Als Ausbruch wird das Auftreten von zwei oder mehr Erkrankungen der gleichen Serogruppe binnen vier Wochen in einer Gruppe (Kindereinrichtung etc.) und als gehäuftes Auftreten drei oder mehr Erkrankungen der gleichen Serogruppe binnen drei Monaten in einer Region definiert (13).

Im Übrigen müssen Personen jeden Alters, die Kontakt mit einem an einer invasiven Meningokokkeninfektion erkrankten Patienten hatten, über die Frühsymptome der Erkrankung aufgeklärt werden und bedürfen einer sorgfältigen klinischen Überwachung. Bei Fieber ist nach Einleiten der mikrobiologischen Diagnostik sofort mit einer antibakteriellen Behandlung zu beginnen.

Literatur

  1. Dittmann, S.: INFOMED, Berlin 2001.
  2. Dittmann, S.: Kinderärztl. Praxis 2001, Nr. 3, 150.
  3. Frosch, M.: Kinderärztl. Praxis 2001, Nr. 3, 159.
  4. Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Hrsg.: Hahn, H., Falke, D., Kaufmann, S.H.E, Ullmann, U., Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 2001, 4. Aufl.
  5. Epid. Bull. Nr. 33, 2002.
  6. Ramsay, M.: Eurosurveillance Weekly, special issue (13.04.2000).
  7. Richmond, P., et al.: J. Infect. Dis. 1999, 179, 1569.
  8. Epid. Bull. Nr. 17, 2002.
  9. Prescrire International 2002, 11, 13.
  10. Vogel, U.: Nationales Referenzzentrum Meningokokken. Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Würzburg. Persönliche Mitteilung.
  11. Schmitt, H.-J., Hülße, C., Raue, W. (Hrsg.): Schutzimpfungen 2001. INFOMED, Berlin 2001.
  12. Schneeweiß, B.: Impfen – ganz praktisch. UNIMED, Bremen, London, Boston 2002.
  13. Epid. Bull. Nr. 28, 2002.
  14. Epid. Bull. Nr. 30, 2002.

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