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Oral verabreichte Östradiol-Ester zur Hormon-Ersatz-Therapie scheinen das Risiko für Thromboembolien im Gegensatz zu konjugierten Stutenharn-Östrogenen nicht zu erhöhen.

Im JAMA erschien jetzt die erste Fall-Kontroll-Studie, in der das Risiko für Thromboembolien bei peri- bzw. postmenopausaler Einnahme von Östradiol-Estern (EE) mit dem bei Einnahme konjugierter equiner Östrogene (CEE) verglichen wurde (1). N.L. Smith et al. berichten über tiefe Beinvenenthrombosen mit oder ohne Lungenembolie zwischen 1995 und 2001 im Bereich einer großen medizinischen „Provider”-Organisation (Group Health Cooperative = GHC) im Staat Washington, USA. Die Modalitäten der Hormonersatz-Therapie (HRT) von 586 peri-/postmenopausalen Frauen im Alter von 30-89 Jahren mit tiefer Venenthrombose allein (426) oder mit Lungenembolie (160, davon 33 tödlich) wurden mit denen von 2268 Kontrollen verglichen, die nach Alter und Gewicht mit diesen Fällen gleich waren. Jedoch hatten die Fälle deutlich häufiger eine Karzinomanamnese oder waren vor Diagnose der Thrombose stationär behandelt worden. Im Jahr 1999 hatten die Apotheken der GHC aus nicht näher erklärten Gründen die Routine-Formulierung der HRT-Östrogene von EE auf CEE umgestellt. CEE enthalten 10 verschiedene östrogene Substanzen (hauptsächlich Östronsulfat und Equilinsulfat), während EE in erster Linie Östronsulfat und etwas Equilinsulfat enthalten soll. In Deutschland kommt, wenn Östradiol verordnet wird, meist Östradiol-Valerat oder mikronisiertes Östradiol zum Einsatz.

Für HRT bei den Fällen bzw. Kontrollen wurden folgende Relative Risiken für Thromboembolien errechnet: Frauen, die EE einnahmen, hatten kein erhöhtes Risiko: RR 0,92 (Konfidenzintervall = CI: 0,69-1,22). Nahmen sie CEE mit oder ohne Gestagen (Medroxyprogesteron-Acetat = MPA) ein, war das Risiko signifikant erhöht: RR: 1,65 (CI: 1,24-2,19). Nahmen sie CEE allein ein, war das RR, wie auch in der WHI-Studie (2), geringer (RR: 1,31) als bei zusätzlicher Einnahme von MPA (RR: 2,17). Bei Einnahme von EE plus MPA war das Risiko nur geringfügig und nicht signifikant höher als mit EE allein. Die Dosierungen von EE und CEE wurden in drei Stufen geordnet (für beide niedrig: 0,3 mg/d; mäßig: 0,625 mg/d; hoch: im Mittel 1,67 mg/d für EE und 1,16 mg/d für CEE). Bei CEE nahm das RR mit steigender Dosis von 1,21 bis 3,8 zu, bei EE war es dosisunabhängig. In Abweichung von den meisten anderen Studien, in denen die Beziehung zwischen HRT und Thrombosen untersucht wurden, waren Thrombosen hier im ersten Jahr der Einnahme nicht häufiger als in den Folgejahren.

Diese Ergebnisse sind bemerkenswert, weil hier zum ersten Mal bei einer größeren Zahl von Fällen und Kontrollen die Thromboserisiken von CEE mit einem anderen oralen Östrogenpräparat verglichen wurden. Im vorigen Jahr haben wir über eine Fall-Kontroll-Studie aus Frankreich berichtet, in der transdermales Östradiol, anders als orale Östrogene, nicht mit einem erhöhten Thromboembolie-Risiko assoziiert war (3). Beides sind keine prospektiven plazebokontrollierten Studien, so daß weiterhin Vorsicht angebracht ist.

Mit diesen Fakten im Gedächtnis kann aufgrund der jetzigen Datenlage vermutet werden, daß niedrig-dosiertes transdermales Östradiol (das nicht wie orale Östradiol-Präparate die Leber in hoher Konzentration passiert) sowie orale Östradiolester ein günstigeres RR-Profil im Hinblick auf Thrombosen haben als CEE, und daß die Kombination von CEE mit MPA das höchste RR zur Folge hat mit einem zusätzlichen Risiko bei hoher CEE-Dosis. Ob es Gestagene gibt, die in Kombination mit Östrogenen das RR weniger erhöhen als MPA, ist nicht bekannt und muß untersucht werden.

Fazit: Verestertes Östron (in dieser Form in Deutschland wohl nicht im Handel) in Präparaten zur Hormonersatz-Therapie scheint mit einem geringeren Thromboembolie-Risiko assoziiert zu sein als konjugierte Stutenharn-Östrogene, besonders, wenn diese zusammen mit Medroxyprogesteron-Acetat eingenommen werden.

Literatur

  1. Smith, N.L.: JAMA 2004, 292, 1581.
  2. Anderson, G.L., et al. for the Women’s Health Initiative Steering Committee (WHI): JAMA 2004, 291, 1701; s.a. AMB 2004, 38, 37.
  3. Scarabin, P.Y., et al.: Lancet 2003, 362, 428; s.a. AMB 2003, 37, 77a.