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Leserbrief: Lyme-Borreliose

Zu unserem Hauptartikel „Prophylaxe und Therapie der Lyme-Borreliose” (1) gab es erfreulicherweise eine große Resonanz. Es wurde eine Reihe von Fragen gestellt, von denen wir hier einige von allgemeinem Interesse aufgreifen.

Die meisten Fragen hatten mit der Diagnostik der Lyme-Borreliose zu tun. Hierzu können wir nur kurz Stellung nehmen, da Probleme der Labordiagnostik der Lyme-Borreliose teilweise sehr verwirrend und nicht abschließend geklärt sind. Es ist aber klar, dass, wie auch bei anderen Erkrankungen, die klinischen Symptome im Mittelpunkt der Diagnostik stehen müssen.

Fragen zur Labordiagnostik der Lyme-Borreliose: Frühes Stadium (Erythema migrans): Ein erfahrener Kliniker kann ein Erythema migrans klinisch diagnostizieren und braucht hierfür keine Laboruntersuchungen. Gerade in diesem frühen Stadium können die normalerweise durchgeführten serologischen Untersuchungen noch negativ sein (2). Eine Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zum Nachweis des Erregergenoms oder ein Kultivierungsversuch des Erregers aus Biopsiematerial des Randwalls des Erythems ist für den klinischen Alltag nicht indiziert (Überdiagnostik!). So genannte „In-vitro-Lymphozytenstimulationstests” haben keinen Stellenwert in der Diagnostik und sind nur für wissenschaftliche Fragestellungen brauchbar.

Spätere Stadien: In späteren Stadien der Erkrankung wird der Verlauf ganz entscheidend von den Organmanifestationen bestimmt. Serologische Untersuchungen bei unklaren Krankheitsbildern machen hier wenig Sinn, da es eine ausgeprägte Kreuzreaktion mit anderen bakteriellen Antigenen gibt. Dies betrifft vor allem eines der hauptimmunogenen Proteine, das für die Bewegung der Bakterien essentielle Flagellin (3, 4). Dies führt häufig dazu, dass durch einen falsch positiven Antikörper-Titer Fehldiagnosen entstehen und die richtige Diagnose verzögert oder verpasst wird. In diesen Stadien ist die Untersuchung betroffener Organe oder Körperflüssigkeiten, wie z.B. Liquor oder Gelenkflüssigkeit, von entscheidender Bedeutung (autochthone Antikörper und PCR).

Serologische Verlaufskontrollen: Die Behandlung der Lyme-Borreliose sollte auf keinen Fall von serologischen Verlaufskontrollen abhängig gemacht werden. Serologische Kontrollen nach Start einer antibiotischen Therapie sind überflüssig. Bei bestimmten Patienten mit komplizierten klinischen Verläufen kann es sinnvoll sein, den entzündlich veränderten Liquor zu kontrollieren. Nimmt die erhöhte Zellzahl im Liquor trotz adäquater Behandlung nicht ab, muss die Diagnose Neuroborreliose in Frage gestellt werden.

Fragen zur Therapie: Einige Leser haben Kritik an der Arbeit von Wormser et al. (4) geäußert, auf der die zehntägige Behandlungsdauer im Stadium 1 der Lyme-Borreliose beruht. Im Wesentlichen ging es um zwei Punkte:

1. Ergebnisse zur Lyme-Borreliose aus Nordamerika können nicht immer auf europäische Verhältnisse übertragen werden, da die Erreger beider Kontinente nicht komplett identisch sind und auch die Häufigkeit bestimmter klinischer Symptome unterschiedlich ist.

2. Es gibt bisher nur diese eine Studie zum direkten Vergleich verschiedener Behandlungszeiträume.

Ad 1: Es gibt tatsächlich diese Unterschiede, aber ein Erythema migrans wird sich in den USA nicht anders präsentieren als in Europa. Andererseits könnte eine solche Studie ja auch in Europa durchgeführt werden; nur hat offenbar auf Grund der Kostengünstigkeit der Behandlung kein Pharmahersteller Interesse daran.

Ad 2: Wir können nur sagen: Gut, dass es wenigstens diese eine prospektive randomisierte verblindete Studie gibt. Zur Rechtfertigung einer länger dauernden antibiotischen Behandlung beim Erythema migrans gibt es gar keine Untersuchung. Man sollte auch den Kommentar von Allen Steere lesen, dem Erstbeschreiber der Lyme-Borreliose (5). In diesem unterstützt er auf Grund eigener langjähriger Erfahrungen ebenfalls die kurze Behandlungsdauer von zehn Tagen in diesem Stadium.

Literatur

  1. AMB 2005, 39, 33.
  2. Lange, R., et al.: J. Clin. Microbiol. 1992, 30, 229.
  3. Schneider, T., et al.: Infect. Immun. 1992, 60, 316.
  4. Schneider, T., et al.: J. Clin. Microbiol. 1993, 31, 2553.
  5. Wormser, G.P., et al.: Ann. Intern. Med. 2003, 138, 697.
  6. Steere, A.C.: Ann. Intern. Med. 2003, 138, 761.