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Zusätzliche Gabe von Abciximab beim Akuten Koronarsyndrom mit koronarer Intervention nach Vorbehandlung mit Clopidogrel?

Die ISAR-Studiengruppe des Deutschen Herzzentrums München hat eine weitere wichtige Studie zur pharmakologischen Begleittherapie bei Koronarinterventionen vorgelegt. In der Vorläuferstudie ISAR-REACT (1) konnte gezeigt werden, dass bei elektiven Koronarinterventionen bei Patienten mit niedrigem Risiko die Gabe eines GPIIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten (z.B. Abciximab = ReoPro®) gegenüber der alleinigen Gabe von Clopidogrel in hoher Dosis (600 mg = 8 Tabl. Plavix®) keine Vorteile bringt.

In der ISAR-REACT-2-Studie (2) wurde nun untersucht, ob auch bei der frühen Intervention bei Patienten mit dem risikoreichen Akuten Koronarsyndrom (ACS: Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt und instabile Angina pectoris) die hoch dosierte Vorbehandlung mit Clopidogrel alleine ausreichend ist, oder ob doch ein teurer GPIIb/IIIa-Rezeptor-Blocker zusätzlich empfohlen werden muss. Diese Frage ist in der täglichen Routine von großer Bedeutung.

Hierzu wurden multizentrisch 2022 Patienten mit ACS eingeschlossen. Sie hatten neu aufgetretene Angina pectoris innerhalb der vorausgegangenen 48 Stunden und einen erhöhten Troponin-Wert (52% der Patienten) oder neue ST-Streckensenkungen oder einen neuen Linksschenkelblock im Ruhe-EKG. Patienten mit ST-Streckenhebungsinfarkt waren von der Studie ausgeschlossen, denn bei diesen besteht eine klare Indikation zur Begleittherapie mit einem GPIIb/IIIa-Rezeptor-Blocker.

Alle Patienten erhielten mindestens zwei Stunden vor der Intervention 600 mg Clopidogrel und 500 mg Azetylsalizylsäure. Nach der diagnostischen Angiografie, wenn die Entscheidung zur Koronarintervention gefallen war, wurden die Patienten randomisiert. 1012 Patienten erhielten Abciximab als gewichtsadaptierten Bolus, gefolgt von einer 12-stündigen Dauerinfusion sowie einen Heparin-Bolus (70 U/kg). 1010 Patienten erhielten Plazebo-Infusionen sowie einen Heparin-Bolus (140 U/kg). Die Medikamentengabe erfolgte doppeltblind. Clopidogrel wurde in Folge in beiden Gruppen bis zur Entlassung der Patienten in einer doppelt so hohen Dosis gegeben wie üblich (150 mg/d, danach 75 mg/d); ansonsten entsprach die medikamentöse Nachbehandlung den gültigen Empfehlungen.

Die klinischen, demografischen und interventionellen Daten der ISAR-REACT-2-Patienten kommen der täglichen Praxis sehr nah (81% komplexe Läsionen, 97% Stent-Implantation, 49% „Drug eluting stents”). Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht, so dass die Ergebnisse gut vergleichbar und übertragbar sind. Der primäre Studienendpunkt war kombiniert, bestehend aus Tod, Myokardinfarkt und Notfall-Revaskularisation am Zielgefäß nach jeweils 30 Tagen. Sekundäre Endpunkte waren Sicherheitsmerkmale.

Der primäre Endpunkt wurde in der Abciximab-Gruppe von 8,9% und in der Plazebo-Gruppe von 11,9% erreicht; dies entspricht relativ einer 25%igen Risikoreduktion durch die GPIIb/IIIa-Blockade mit Abciximab. Dieser Unterschied kam im Wesentlichen durch eine Reduktion von Myokardinfarkten (8,1% vs. 10,5%), aber auch von Todesfällen (1,2% vs. 1,6%) zu Stande. Außerdem zeigten Analysen der Subgruppen, dass es die Troponin-positiven Patienten sind, die von Abciximab profitieren (13,1% vs. 18,3% primäre Endpunkte); die Troponin-negativen Patienten hatten keinen Vorteil vom zusätzlichen Abciximab.

Blutungskomplikationen traten unter Abciximab plus Clopidogrel nicht häufiger auf als unter Clopidogrel allein: größere Blutungen jeweils 1,4%, kleinere 4,2% vs. 3,3%. Allerdings wurden unter Abciximab häufiger Thrombozytopenien (< 20000 Thrombozyten/µl) beobachtet: 8 vs. 0 Patienten.

Fazit: Bei der frühinvasiven Behandlung des Troponin-positiven akuten Koronarsyndroms (= NSTEMI) ist ebenso wie beim ST-Streckenhebungsinfarkt eine medikamentöse Begleittherapie mit Abciximab mit einer Minderung des Risikos verbunden, auch wenn Patienten zuvor mit einer hohen Dosis Clopidogrel aufgesättigt werden. Ob nun wirklich alle Patienten mit Troponin-positivem akutem Koronarsyndrom Abciximab bekommen sollten, beantwortet diese Studie nicht. Hierzu müssen noch weitere Risikoparameter definiert werden, um einen möglichst rationalen Einsatz dieser teuren Substanzen zu ermöglichen.

Literatur

  1. Kastrati, A., et al. (ISAR-REACT = Intracoronary Stenting and Antithrombotic Regimen – Rapid Early Action for Coronary Treatment study): N. Engl. J. Med. 2004, 350, 232; s.a. AMB 2004, 38, 28.
  2. Kastrati, A., et al. (ISAR-REACT 2 = Intracoronary Stenting and Antithrombotic Regimen – Rapid Early Action for Coronary Treatment study 2): JAMA 2006, 295, 1531.