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Zur Behandlung des akuten Myokardinfarkts bei älteren Patienten und bei Diabetikern: Ergebnisse aus dem Berliner Herzinfarktregister

Register von Krankheitsverläufen erweitern die Erkenntnisse, die aus randomisierten Studien gewonnen werden können (1). In Studien werden nur ausgewählte, streng definierte Patienten mit eher geringem Krankheitsrisiko und geringer Komorbidität eingeschlossen. Daher sind ältere Patienten (> 75 Jahre) und Diabetiker, erstaunlicherweise auch Frauen, in Studien oft unterrepräsentiert. Für diese Patient(inn)en gibt es daher meist keine gut gesicherten Daten zur Therapie und ihren Ergebnissen, obwohl die Zahl der älteren Patienten und damit auch die der Frauen und Diabetiker zunimmt. Neue randomisierte Studien für Untergruppen sind teuer und möglicherweise auch ethisch nicht vertretbar. Umso wichtiger sind daher zur Beantwortung der offenen Fragen gute, d.h. komplette, alle Patienten erfassende Register, in denen Krankheitsverläufe mit Therapie und Ergebnissen gesammelt und mit geeigneter statistischer Methodik ausgewertet werden.

Das Berliner Herzinfarktregister ist ein eingetragener Verein, dem Kardiologen angehören, die die Behandlungsergebnisse von Infarktpatienten darstellen wollen. Es liegen Daten aus den letzten sechs Jahren vor (2). Im April 2006 wurde der Vergleich von diabetischen und nicht diabetischen Männern und Frauen veröffentlicht (3). Eine Übersicht ist in Tab. 1 zusammengestellt.

Sowohl diabetische als auch nicht-diabetische Frauen sind, wenn sie einen Myokardinfarkt erleiden, etwa fünf Jahre älter als Männer. Dies Phänomen ist seit langem bekannt. Frauen werden während des Krankenhausaufenthalts seltener invasiv behandelt als Männer; sie erhalten auch seltener Betablocker. Frauen werden also weniger leitliniengerecht behandelt als Männer. Der Befund wird auch in anderen Registern erhoben (z.B. 4). Die Gründe sind nicht klar.

Auch Diabetiker werden seltener interventionell behandelt als Nicht-Diabetiker. Dieser Befund ist Anlass zu selbstkritischer Überprüfung der Indikation, denn Diabetiker sind die stärker gefährdeten Patienten, die eigentlich intensiver behandelt werden müssten. Sie haben eine höhere Letalität als Nicht-Diabetiker. Die Letalität der Frauen ist höher als die der Männer. Dies resultiert in diesem und auch in anderen Registern (4) aus der erheblich höheren Letalität diabetischer Frauen im Vergleich zu allen anderen Gruppen (19% vs. ~7%). Frauen erleiden den Myokardinfarkt also später als Männer, aber er wird dann offenbar weniger intensiv behandelt und führt vor allem bei Diabetikerinnen zu einer deutlich höheren Letalität.

Auch Patienten über 75 Jahre sind nach dem Berliner Herzinfarktregister eine Untergruppe, die nicht ausreichend leitliniengerecht behandelt wird (5). Zum Vergleich der Häufigkeit angewandter Verfahren bei Patienten > 75 Jahre mit der bei Patienten < 75 Jahre einige Zahlen (5): Reperfusion 40% vs. 72%, Betablocker 63% vs. 78%; Statine 27% vs. 46%, Letalität 24% vs. 7%. Hier werden Defizite deutlich, die aufgearbeitet werden müssen. Die multivariate Analyse der Letalitätsunterschiede zeigt, dass dafür ganz wesentlich die vergleichsweise häufigeren Begleitkrankheiten (Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz), vorbestehende Infarkte und Herzinsuffizienz sowie die Größe des akuten Infarkts verantwortlich sind. Es ist aber auch nachweisbar, dass die Reperfusionstherapie in dieser Altersgruppe einen signifikant positiven Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit hat (Odds Ratio = OR: 0,63; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,41-0,97; p = 0,04). Das gilt auch für den Gebrauch von Betablockern (OR: 0,46; CI: 0,31-0,69; p = 0,001) und ACE-Hemmern (OR: 0,48; CI: 0,32-0,73; p = 0,001).

Das Berliner Herzinfarktregister kann auch zeigen, dass zumindest in den Krankenhäusern, die am Register teilnehmen, die Leitlinien von Jahr zu Jahr besser befolgt werden und dass parallel dazu sich die Behandlungsergebnisse in allen Gruppen verbessern (2). Auch dieser Befund wird von anderen Herzinfarktregistern bestätigt (6).

Fazit: Frauen, Diabetiker und Patienten über 75 Jahre werden oft nicht leitliniengerecht behandelt. Das hat Auswirkungen auf die Ergebnisse. Die Letalität in diesen Untergruppen ist erhöht. So können Register Defizite darstellen, zur Selbstkritik anregen und sich allein dadurch positiv auf das Verordnungsverhalten auswirken. Gibt es das auch in anderen Fachbereichen und Behandlungsumfeldern?

Literatur

  1. AMB 2002, 36, 57 Link zur Quelle und AMB 2000, 34, 57. Link zur Quelle
  2. www.herzinfarktregister.de Link zur Quelle
  3. Maier, B., et al.: J. Invest. Med. 2006, 54, 143 . Link zur Quelle
  4. Vaccarino, V., et al. (NRMI = National Registry of Myocardial Infarction): N. Engl. J. Med. 2005, 353, 671 . Link zur Quelle
  5. Schuler, J., et al.: Clin. Res. Cardiol. 2006, 95, 360 . Link zur Quelle
  6. Zeymer, U., et al.: Dtsch. Med. Wochenschr. 2005,130, 633 . Link zur Quelle

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