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Stinkt generisches Metformin?

Anhand zweier Kasuistiken, informeller Umfragen und Recherchen im Internet wurde kürzlich in den Ann. Intern. Med. in der Rubrik „Clinical Observation” über eine ungewöhnliche UAW von Metformin berichtet (1). Bemerkenswert wurde diese kurze Notiz vor allem wegen des raschen und breiten Echos in den Medien, besonders in der US-amerikanischen Laienpresse, aber auch weltweit.

Fall 1 war ein Diabetiker, der jahrelang auf das Originalpräparat Glucophage® (Bristol-Myers Squibb) eingestellt war. Er sei auf ein generisches Präparat umgestellt worden und berichtet, dass das neue Präparat wie „toter Fisch” rieche und ihm Übelkeit verursache. Er habe es deshalb wieder abgesetzt. Die Neueinstellung auf ein retardiertes Originalpräparat sei dann problemlos vertragen worden. Fall 2 war ein Diabetiker, der primär auf ein Metformin-Generikum eingestellt war und dieses ebenfalls wegen seines Eigengeruchs habe absetzen müssen. Eine Umstellung auf ein Originalpräparat habe dieser Patient verweigert.

Gastrointestinale UAW sind von Metformin bekannt. Laut Fachinformation können Diarrhö, Nausea, Emesis, Flatulenz, Völlegefühl und abdominelle Schmerzen auftreten und zum Absetzen zwingen. Auch über Veränderungen des Geschmacksempfindens wird berichtet. Bei Verwendung des retardierten Originalpräparats (Glucophage® XR; nur in den USA erhältlich) seien diese UAW seltener. Über unangenehmen Eigengeruch von Metformin-Präparaten gab es bisher keine Berichte in der medizinischen Literatur. Die Autoren fanden jedoch „hunderte Postings” in entsprechenden Internet-Foren, in denen sich Betroffene über den Geruch ihres Arzneimittels beklagen. „Ist es normal, dass mein Metformin nach faulem Fisch riecht?” und „Wonach riecht denn dein Metformin?” wird dort gefragt. Eine informelle Umfrage der Autoren unter Apothekern (darunter auch zwei der Ko-Autoren) habe ergeben, dass es tatsächlich Unterschiede im Geruch der verschiedenen Metformin-Generika geben soll. Beim retardierten Originalpräparat sei der unangenehme Geruch nicht vorhanden. Die Autoren klassifizieren den unangenehmen Geruch als nicht-pharmakologische, nicht dosisabhängige, „bizarre” UAW.

Der (zufällig?) am Faschingsdienstag erschienene und in leicht selbstironischem Unterton gehaltene anekdotische Bericht wurde in zahlreichen Medien der Laienpresse – z.T. zeitgleich mit der Originalpublikation – zitiert (2) und auch ausführlich diskutiert. Sogar die FDA sah sich auf Anfrage der Presse zu einer Stellungnahme gezwungen. Hierin wurde betont, dass keinerlei Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit von Metformin bestehen.

Man hat somit den Eindruck, dass an dem Bericht selbst etwas faul sein könnte, nämlich die Tatsache, dass er (beabsichtigt?) geeignet ist, Generika in der Öffentlichkeit schlecht erscheinen zu lassen.

In einem verblindeten Selbstversuch der Redaktion des ARZNEIMITTELBRIEFS wurde der Geruch mehrerer, im Mörser pulverisierter Metformin-Generika mit dem Originalpräparat verglichen. Bei einem der getesteten generischen Präparate wurde tatsächlich ein an Fisch erinnernder Eigengeruch festgestellt. Zwischen den anderen Generika und dem Original fanden sich keine Unterschiede. Spezifische Gerüche sind von anderen Arzneimitteln gut bekannt, wie z.B. von Acetylcystein („Schwefel”), Diltiazem („Plastik”), Spironolacton („Menthol”), Penicillinen, Cefalosporinen, Ciclosporin. Sie bereiten in Studien manchmal Schwierigkeiten bei der Verblindung.

Fazit: Eine kurze Mitteilung über einen besonders unangenehmen Geruch von generischem Metformin mutet auf den ersten Blick skurril an, hat aber bei genauerem Hinsehen durchaus ernst zu nehmende Aspekte, so z.B. die Frage nach Herkunft und galenischer Zubereitung der Präparate. Da der Effekt angeblich auf Generika beschränkt ist, kommen die kasuistischen Berichte natürlich den Interessen des Original-Herstellers entgegen. Auffällig ist das unverhältnismäßig große und sehr prompte Medienecho in der Laienpresse, das vermuten lässt, dass Firmeninteressen bei der Verbreitung dieser Nachricht eine Rolle gespielt haben.

Literatur

  1. Pelletier, A.L., et al.: Ann. Intern. Med. 2010, 152, 267. Link zur Quelle
  2. Z.B.: New York Times vom 16. Februar 2010.