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Olmesartan zur Primärprophylaxe der diabetischen Nephropathie?

Die günstige Beeinflussung der diabetischen Nephropathie durch ACE-Hemmer (ACEH) oder AT-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB) gilt als etabliert. Eine Metaanalyse zeigte eine Reduktion relevanter Endpunkte wie chronisches Nierenversagen unter entsprechender Medikation, allerdings keine Senkung der Letalität aller Ursachen (1). Ob der günstige Einfluss von ACEH oder AT-II-RB auf die Nierenfunktion auch für späte Stadien der Niereninsuffizienz gilt, muss nach neueren Beobachtungen in Frage gestellt und eingehender untersucht werden (2). Im N. Engl. J. Med. erschien nun eine große, vom Hersteller Daiichi Sankyo unterstützte Studie, in der die primärprophylaktische Wirksamkeit der Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems durch Olmesartan (Olmetec®, Votum®) auf die Mikroalbuminurie bei Diabetes mellitus Typ 2 untersucht wurde (2).

Eingeschlossen wurden Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 ohne Albuminurie. Weiterhin musste mindestens ein kardiovaskulärer Risikofaktor vorliegen, allerdings nicht notwendigerweise eine arterielle Hypertonie. Das mittlere Alter lag bei 58 Jahren (47% Männer), die Erkrankungsdauer bei etwa sechs Jahren. Weitere Charakteristika waren: BMI 31 kg/m², HbA1c 7,7%, arterieller Blutdruck 136/81 mm Hg, Serum-Kreatinin 77,5 µmol/l (0,88 mg/dl) und errechnete glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) 84,9 ml/min/1,73 m².

Mittels randomisierter Zuteilung erhielten die Patienten entweder täglich 40 mg Olmesartan (n = 2232) oder Plazebo (n = 2215). Eine zusätzliche antihypertensive Therapie (außer ACEH oder AT-II-RB) war in beiden Gruppen erlaubt. Der Zielblutdruck wurde mit < 130/80 mm Hg festgelegt.

Nach einer medianen Beobachtungsdauer von 3,2 Jahren fanden sich folgende Resultate (s.a. Tab. 1): Eine Mikroalbuminurie trat bei den mit Olmesartan behandelten Patienten seltener und später auf. Das mediane Zeitintervall bis zum Auftreten einer Mikroalbuminurie – dies war die primäre Zielgröße – lag in der Olmesartan-Gruppe bei 722 Tagen und war damit statistisch signifikant länger als in der Plazebo-Gruppe (576 Tage, Hazard ratio 0,77; 95%-Konfidenzintervall 0,63-0,94). Kardiovaskuläre Endpunkte (eine sekundäre Zielgröße) waren in beiden Gruppen gleich häufig, jedoch starben unter Olmesartan 15 Patienten an kardiovaskulären Ursachen, in der Plazebo-Gruppe jedoch nur drei (p = 0,01). Das heißt, die Sterblichkeit unter Olmesartan war fünffach höher als unter Plazebo. Spezielle statistische Analysen identifizierten Patienten mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit und relativ niedrigem systolischen Blutdruck bzw. mit stärkerer Blutdrucksenkung im Studienverlauf als besonders gefährdet. In diesem Zusammenhang und angesichts der Tatsache, dass bei Studienbeginn nicht alle Patienten hyperton waren, erscheint die Startdosis von 40 mg/d Olmesartan (es ist die zugelassene Maximaldosis/d) als sehr hoch. Hier war ein hohes Restrisiko einkalkuliert.

Die Studienautoren und auch die Autorin des Editorials (3) argumentieren, dass die alarmierende, statistisch signifikante Erhöhung der kardiovaskulären Letalität unter Olmesartan am ehesten zufällig und wohl durch die niedrige Ereignisrate bedingt sei. Bei anderen Sartanen sei dies nie beobachtet worden. Die Interpretation ist formal eindeutig: p = 0,01 bedeutet, nur in einer von 100 Studien mit identischen Patientencharakteristika ist ein Studienergebnis mit unterschiedlicher Letalität zu erwarten, wenn in Wirklichkeit die Letalität in beiden Gruppen gleich ist. Das ist unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass hier die Letalität wegen der hohen Dosis so hoch ist, nicht als Substanzeigenschaft. Eine Diskussion darüber, ob Mikroalbuminurie ein valider Surrogatparameter für eine weitergehende Nierenschädigung ist, wird nur am Rande geführt.

Fazit: Wenn der Nutzen von Olmesartan nur mit einem Surrogatparameter unklarer Validität (Auftreten einer Mikroalbuminurie) beschrieben werden kann und andererseits kardiovaskuläre Todesfälle häufiger sind, ist die Nutzen-Schaden-Abwägung scheinbar klar negativ. Aber die Tagesdosis von 40 mg ist bei einem normotonen Diabetiker zu hoch. Von Herstellern finanziell unterstützte Studien mit so bedenklichen Ergebnissen werden nicht oft veröffentlicht.

Literatur

  1. Sarafidis, P.A., et al.: Am. J.Hypertens. 2008, 21, 922. Link zur Quelle
  2. Ahmed,A.K., et al.: Nephrol. Dial. Transplant. 2010, 25, 3977 Link zur Quelle .S.a. AMB 2011, 45, 31. Link zur Quelle
  3. Haller, H., et al.(ROADMAP = Randomized Olmesartan and Diabetes MicroAlbuminuriaPrevention): N. Engl. J. Med. 2011, 364, 907. Link zur Quelle
  4. Ingelfinger, J.R., et al.: N. Engl.J. Med. 2011, 364, 970. Link zur Quelle

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