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Optimale Therapie bei stabiler KHK – neue Metaanalysen

Zusammenfassung: Das Indikationsspektrum für die perkutane Koronarintervention bei rein stabiler koronarer Herzkrankheit engt sich nach den Ergebnissen zweier aktueller Metaanalysen zunehmend ein. Zum einen erzielt die aortokoronare Bypass-Operation bei koronarer Mehrgefäßerkrankung demnach sowohl bei Diabetikern als auch bei Nicht-Diabetikern (!) in allen Endpunkten signifikant bessere Resultate als die perkutane Intervention. Zum anderen ergab die rein medikamentöse Therapie, verglichen mit der perkutanen Intervention, auch bei koronarer Herzkrankheit mit gesichertem Ischämienachweis (!) in allen Endpunkten keine signifikanten Unterschiede. Wichtige Fragen bleiben aber weiterhin offen: Wie präzise können die Patienten identifiziert werden, die von einer Revaskularisation profitieren? Welche Revaskularisationsmaßnahme ist zu bevorzugen? Dabei ist klar, dass für jeden Patienten eine individuelle Therapieentscheidung getroffen werden muss. Dabei sind der angiographische Befund, das Ausmaß der Myokardischämie, Komorbiditäten, Blutungs- und Operationsrisiken und – nach eingehender Aufklärung über die Erfolgsaussichten – die Präferenz des Patienten zu berücksichtigen. Noch mehr Evidenz kann nur eine ausreichend große, randomisierte Studie mit drei Armen (alleinige medikamentöse Therapie vs. perkutane Intervention vs. Bypass-Operation) bringen.

Kürzlich haben wir über die FREEDOM-Studie berichtet (1). Darin wurden bei Diabetikern mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) perkutane Koronarinterventionen (PCI) und aortokoronare Bypassoperationen (ACBP) randomisiert verglichen. Bei KHK in mehr als zwei Gefäßen war die ACBP die überlegene Therapieoption. In der Zeitschrift JAMA Int. Med. (vormals Arch. Intern. Med.) wurden nun online gleichzeitig zwei Metaanalysen publiziert, die sich mit Vergleichen von PCI vs. ACBP bei stabiler KHK und Mehrgefäßerkrankung (2) sowie von PCI plus medikamentöser Therapie vs. medikamentöser Therapie (MT) allein bei stabiler KHK befassen (3).

PCI vs. ACBP (2): Mittels systematischer Literaturrecherche wurden randomisierte Studien gesucht, in denen PCI mit ACBP bei stabiler koronarer Mehrgefäßerkrankung verglichen wurde. Um zeitgemäße Standards zu vergleichen, wurde für die PCI-Gruppe die Implantation von Stents bei mindestens 70% der Patienten und für die ACBP-Gruppe die Verwendung arterieller Bypassgefäße bei mindestens 90% der Patienten vorausgesetzt. Sechs Studien mit 6055 Patienten (3023 ACBP, 3032 PCI) wurden so identifiziert: CARDia (4), FREEDOM (1), SYNTAX (5), ARTS II (6), MASS II (7) und SoS (8).

Ergebnisse: Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 4,1 Jahre (1-6 Jahre). Nach ACBP waren signifikant niedriger/seltener als nach PCI (vgl. Tab. 1):

  • Gesamtletalität,
  • Myokardinfarkte,
  • Re-Interventionen und
  • der standardisierte kombinierte Endpunkt „Major Adverse Cardiac and Cerebrovascular Events“ = MACCE.

Es bestand ein nicht-signifikanter Trend zu vermehrt Schlaganfällen nach ACBP. Dabei machte es hinsichtlich der Gesamtletalität keinen Unterschied, ob die analysierten Studien auf Diabetiker beschränkt waren, wie in den Studien FREEDOM (1) und CARDia (4) oder nicht (RR nur Diabetiker: 0,75; RR andere: 0,72), oder ob medikamentenbeschichtete Stents verwendet wurden wie in der SYNTAX- (5) bzw. FREEDOM-Studie (1) oder nicht. Die Häufigkeit von Revaskularisationen nach PCI war bei Verwendung medikamentenbeschichteter Stents hingegen geringer. Weitere Subgruppen konnten in der Metaanalyse wegen fehlender individueller Patientendaten nicht untersucht werden. Dieser Mangel schränkt die Aussagekraft der Studie wesentlich ein: Wie die Autoren in der Diskussion anführen, kann beispielsweise nicht zwischen unterschiedlichen Schweregraden bei Mehrgefäßerkrankung unterschieden werden (2- oder 3-Gefäß-Erkrankung, Beteiligung des Hauptstamms; Komplexitätsgrad der Stenosen). Dies trifft auch auf die Methoden zu, mit denen die Ischämie im Rahmen der präoperativen bzw. präinterventionellen Untersuchung nachgewiesen wurden. Darüber hinaus bedauert der Autor des Editorials das Design der eingeschlossenen Studien: Zu selten sei eine leitliniengerecht medikamentös behandelte Gruppe von Patienten mit normaler Ejektionsfraktion mitgeführt worden. Das hätte möglicherweise die notwendige Rückbesinnung auf adäquate konservative Therapie weiter akzentuiert (9).

PCI versus MT (3): Mittels systematischer Literaturrecherche wurden randomisierte Studien identifiziert, die PCI (Stents bei mindestens 50% der Patienten) plus MT (darunter ASS, Betablocker, ACE-Hemmer bzw. Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten und Statine bei mindestens 50% der Patienten) vs. MT alleine bei stabiler KHK mit dokumentierter Ischämie verglichen. Es wurden fünf Studien gefunden mit insgesamt 5286 Patienten, davon 4064 Patienten (2016 PCI plus MT; 2048 mit MT allein) mit Ischämienachweis in Belastungs-EKG, Szintigraphie, Belastungsechokardiographie oder intrakoronarer Messung der fraktionellen Flussreserve (Pressure wire): MASS II (7), Hambrecht, R., et al. (10), COURAGE (11), BARI 2D (13), FAME 2 (12). Das angiographische Ausmaß der KHK umfasste 1- bis 3-Gefäß-Erkrankungen. Mit Ausnahme einer Studie (MASS II) wurden in allen Studien über 90% der Patienten mit Stent behandelt.

Ergebnisse: Die mittlere Nachbeobachtungszeit lag bei fünf Jahren (231 Tage bis 5 Jahre). Es unterschieden sich nicht signifikant (vgl. Tab. 2):

  • Gesamtletalität,
  • Myokardinfarkte,
  • ungeplante Revaskularisationen und
  • Angina-pectoris-Symptome.

Die Aussagen dieser Metaanalyse sind u.a. dadurch eingeschränkt, dass nicht in allen Studien nach Ausmaß und Schweregrad der nachgewiesenen Myokardischämie differenziert wurde und dass nur in einer Studie, FAME 2 (12), überwiegend medikamentenbeschichtete Stents verwendet wurden. Zudem wurden naturgemäß nur Patienten eingeschlossen, deren Koronarbefund als geeignet für eine PCI angesehen wurde. Die Resultate gelten somit nicht für KHK-Patienten, bei denen die ACBP als Therapieoption bevorzugt wurde.

Literatur

  1. Farkouh,M.E., et al.: (FREEDOM = Future REvascularization Evaluation in patientswith Diabetes mellitus – Optimal Management of multivesseldisease): N.Engl. J. Med. 2012, 367, 2375 Link zur Quelle . AMB 2014, 48, 04. Link zur Quelle
  2. Sipahi, I., etal.: JAMA Intern. Med. 2014, 174, 223. Link zur Quelle
  3. Stergiopoulos,K., et al.: JAMA Intern. Med. 2014, 174, 232. Link zur Quelle
  4. Kapur, A., et al. (CARDia= Coronary Artery Revascularization in Diabetes): J.Am. Coll. Cardiol. 2010, 55, 432. Link zur Quelle
  5. Serruys, P.W., et al.(SYNTAX = SYNergy between percutaneouscoronary intervention with TAXus and cardiac surgery): N.Engl. J. Med. 2009, 360, 961 Link zur Quelle . Erratum: N. Engl. J. Med. 2013, 368,584. AMB 2009, 43, 27a. Link zur Quelle
  6. Serruys, P.W, et al.(ARTS II = Arterial Revascularization Therapies StudyII): J. Am. Coll. Cardiol. 2010, 55, 1093. Link zur Quelle
  7. Hueb, W., et al. (MASS II= Medicine, Angioplasty, or Surgery Study II): Circulation2007, 115, 1082. Link zur Quelle
  8. Booth, J., et al. (SoS = Stentor Surgery): Circulation 2008, 118, 381. Link zur Quelle
  9. Katz, M.H.: JAMA Intern. Med. 2014, 174,231. Link zur Quelle
  10. Hambrecht, R., et al.: Circulation2004, 109, 1371. Link zur Quelle
  11. Boden, W.E., et al. (COURAGE = ClinicalOutcomes Utilizing Revascularization and AggressiveDruG Evaluation): N. Engl. J. Med 2007, 356, 1503. Link zur Quelle AMB 2007, 41, 39. Link zur Quelle
  12. De Bruyne, B., et al. (FAME 2 = Fractional flow reserveversus Angiography for Multivessel Evaluation study 2): N. Engl. J. Med. 2012,367, 991 Link zur Quelle . AMB 2014, 48, 04. Link zur Quelle
  13. Frye, R.L., et al. (BARI 2D = Bypass Angioplasty RevascularizationInvestigation 2 Diabetes): N. Engl. J. Med. 2009, 360,2503.