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Präventive Antibiotikatherapie ist beim akuten Schlaganfall nutzlos

Infektionen sind eine häufige Komplikation beim akuten Schlaganfall (1). In einer Metaanalyse von 87 Studien ergab sich eine Inzidenz von Infektionen von 30%, meist Pneumonien und Harnwegsinfektionen (2). Ungefähr die Hälfte aller Pneumonien beginnt schon innerhalb der ersten 48 Stunden (3). Sie erhöhen die Letalität und verschlechtern das funktionelle Ergebnis (4). Daher lag es nahe zu untersuchen, ob eine präventive Antibiotikatherapie den Patienten Vorteile bringt. Mehrere Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Metaanalyse von fünf Studien mit insgesamt 506 Patienten fand, dass sich Infektionen durch eine solche Antibiotikatherapie von 36% auf 22% verringern lassen (5). Eine große prospektive Studie hat nun den Nutzen einer präventiven Antibiotikatherapie auf die Rückbildung neurologischer Ausfälle nach akutem Schlaganfall geprüft (6).

In diese zweiarmige, 1:1 randomisierte Studie wurden 2.550 Patienten mit akutem Schlaganfall in 30 Zentren in den Niederlanden zwischen 2010 und 2014 eingeschlossen. Zwölf Patienten zogen ihr Einverständnis kurz nach der Randomisierung zurück (sieben in der Ceftriaxon-Gruppe und fünf in der Kontroll-Gruppe). 1268 Patienten erhielten innerhalb von 24 h nach dem Ereignis 2 g/d Ceftriaxon für vier Tage, 1270 Patienten kein Antibiotikum. Nach drei Monaten konnten in jedem Arm die Daten von 1257 Patienten ausgewertet werden. Die Behandlung des Schlaganfalls erfolgte nach den geltenden niederländischen Leitlinien. Der primäre Endpunkt der Studie war das funktionelle Ergebnis nach drei Monaten mittels der modifizierten Rankin-Skala (vgl. 7). Sekundäre Endpunkte waren Tod, Infektionsraten und Länge des Krankenhausaufenthalts.

Die präventive Behandlung mit Ceftriaxon hatte keinen Einfluss auf das funktionelle Ergebnis drei Monate nach dem Schlaganfall (angepasste Odds Ratio: 0,95; 95%-Konfidenzintervall: 0,82-1,09; p = 0,46). Insgesamt gab es keinen Unterschied in der Häufigkeit von Nebenwirkungen in den beiden Gruppen. Eine Infektion mit Clostridium difficile trat bei zwei Patienten im Ceftriaxon-Arm und bei keinem im Kontroll-Arm auf. Nach drei Monaten waren 131 Patienten (10%) im Ceftriaxon-Arm und 136 (11%) im Kontroll-Arm gestorben (p = 0,80). Auch bei der Inzidenz von Pneumonien sowie der Länge des Krankenhausaufenthalts gab es keinen signifikanten Unterschied. Harnwegsinfektionen waren in der Ceftriaxon-Gruppe seltener (46 vs. 127, p < 0,001).

Ein Grund für das insgesamt nicht bessere funktionelle Ergebnis durch die Intervention könnte sein, dass die Behandlung von Patienten mit Schlaganfall in beteiligten Zentren qualitativ ein hohes Niveau hatte. Die Studie belegt anderseits die Sicherheit des Antibiotikums Ceftriaxon bei Kurzzeitbehandlung, die sich darin zeigt, dass nur wenige Clostridien-Infektionen induziert wurden (< 1%). Dass die präventive antibiotische Therapie auch die Inzidenz von Pneumonien nicht verringert hat, könnte darin begründet sein, dass die Pneumonien bei Patienten mit Schlaganfall - als im Krankenhaus erworbene Infektionen - von Erregern mit komplexer Resistenz verursacht wurden. Eine gezielte Therapie mit Nachweis des Erregers ist, wie immer, besser als eine ungezielte Therapie. Dies ist aber gerade bei Pneumonien kaum zu verwirklichen.

Fazit: Patienten mit Schlaganfall haben ein hohes Risiko für Infektionen. Eine präventive antibiotische Therapie (in dieser Studie mit Ceftriaxon) brachte klinisch keinen relevanten Vorteil.

Literatur

  1. Chamorro, Á., et al.: Nat. Rev. Neurol. 2012, 8, 401. Link zur Quelle
  2. Westendorp, W.F., et al.:BMC Neurol 2011, 11, 110. Link zur Quelle
  3. Finlayson, O., et al. (SORCan = Stroke Outcome ResearchCanada): Neurology 2011, 77,1338. Link zur Quelle
  4. Vargas, M., et al.:Stroke 2006, 37, 461. Link zur Quelle
  5. Westendorp, W.F., et al.:Cochrane Database Syst. Rev. 2012, 1, CD008530. Link zur Quelle
  6. Westendorp, W.F., et al.(PASS = Preventive Antibiotics in StrokeStudy): Lancet 2015 in press. www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(14)62456-9/
  7. AMB 2013, 47, 50. Link zur Quelle