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Antibiotische Therapie oder Operation bei akuter unkomplizierter Appendizitis?

Bei akuter Appendizitis – meist ist sie unkompliziert – ist die Appendektomie überall gut etabliert; dennoch kommt es postoperativ bei 2-23% der Patienten zu Komplikationen (1, 2). Deshalb könnte eine konservative Therapie mit Antibiotika bei der Abwägung von Risiken durchaus Vorteile haben und auch möglicherweise weniger Kosten verursachen. Mehrere Studien hatten den Eindruck vermittelt, dass die akute Appendizitis sehr häufig mit Antibiotika geheilt werden könnte und dass diese Behandlung sogar zur 1. Wahl bei mittels CT nachgewiesener unkomplizierter akuter Appendizitis werden könnte (3-7). Die wichtigsten Ergebnisse von drei größeren randomisierten kontrollierten Studien, in denen die Appendektomie mit antibiotischer Behandlung verglichen wurde, sind in Tab. 1 wiedergegeben. Zur Klärung dieser Frage wurde jetzt eine große prospektive randomisierte Nichtunterlegenheitsstudie veröffentlicht (8; vgl. auch Tab. 1).

In diese Studie wurden 530 Patienten im Alter von 18-60 Jahren mit unkomplizierter Appendizitis (Nachweis durch CT-Untersuchung) in zwei Gruppen randomisiert. Schwangere wurden ausgeschlossen. Eine Gruppe wurde – zumeist offen – operiert mit einmaliger Injektion von 1,5 g Cefuroxim plus 500 mg Metronidazol 30 Minuten vor der Appendektomie (n = 273). Die andere Gruppe (n = 257) erhielt Antibiotika: Ertapenem i.v. (einmal 1 g/d für drei Tage), gefolgt von oral Levofloxacin (einmal 500 mg/d) plus Metronidazol (dreimal 500 mg/d) für weitere sieben Tage. Der primäre Endpunkt war im chirurgischen Arm die erfolgreiche Appendektomie und im antibiotischen Arm die Entlassung aus dem Krankenhaus ohne Appendektomie und ohne Rezidiv innerhalb eines Jahres.

Ziel der Studie war es, eine mögliche Nichtunterlegenheit der Antibiotika-Therapie zu prüfen. Für den Unterschied der Effektivität beider Behandlungsregime wurde 24% als Grenze der Nichtunterlegenheit festgelegt. Als weiterer Zielparameter wurde das Vorhandensein oder die Abwesenheit von Peritonitis am 30. Tag nach Behandlungsbeginn geprüft. Die Patienten wurden während des dreitägigen stationären Aufenthalts täglich evaluiert, danach per Telefon befragt, und zwar nach einer Woche, zwei Monaten und einem Jahr.

In der Operations-Gruppe wurden 272 von 273 Patienten erfolgreich appendektomiert. Bei einem Patienten bildeten sich die Symptome spontan zurück, so dass der Eingriff nicht nötig war. Der Erfolg war somit 99,6% (95%-KonfidenzintervalI = CI: 98%-100%). In der Antibiotika-Gruppe mussten innerhalb eines Jahres 70 Patienten doch operiert werden, d.h. von 256 Patienten dieser Gruppe, die nach einem Jahr erreichbar waren (also fast alle von 257), wurden 186 (72,7%; CI: 66,8%-78%) nicht operiert. Die Intention-to-treat-Analyse ergab eine Differenz in der Effizienz der Behandlung von -27,0% (CI: -31,6% bis -unendlich). Somit war die vorher festgesetzte Grenze für eine Nichtunterlegenheit der antibiotischen Therapie von 24% überschritten. Von den 70 Patienten aus dem Antibiotika-Arm, die operiert werden mussten, hatten 58 eine unkomplizierte Appendizitis, sieben eine akute komplizierte und fünf keine nachweisbare Appendizitis, wurden jedoch unter dem klinischen Verdacht auf ein Rezidiv der Appendizitis operiert. Bei den Patienten der Antibiotika-Gruppe, die verzögert operiert werden mussten, gab es keine schwerwiegenden Folgen, wie beispielsweise intraabdominelle Abszesse oder Sepsis

Fazit: Bei akuter unkomplizierter Appendizitis (mit CT nachgewiesen) ist nach dieser Studie die hier eingesetzte antibiotische Therapie der Appendektomie nicht gleichwertig. Man kann allerdings – nach Ansicht des Autors eines begleitenden Editorials – überlegen, ob ein zunächst konservatives Vorgehen mit antibiotischer Behandlung vertretbar ist.

Literatur

  1. Konstantinidis,K.M., et al.: J. Laparoendosc.Adv. Tech. A 2008, 18, 248. Link zur Quelle
  2. Ming,P.C., et al.: Surg. Laparosc. Endosc. Percutan. Tech. 2009, 19, 244. Link zur Quelle
  3. Eriksson, S., undGranström, L.: Br. J. Surg.1995, 82, 166. Link zur Quelle
  4. Styrud, J., et al.: WorldJ. Surg. 2006, 30, 1033. Link zur Quelle
  5. Hansson, J., et al.: Br.J. Surg. 2009, 96, 473 Link zur Quelle. Erratum: Br. J. Surg. 2009, 96,830.
  6. Horton, M.D., et al.: Am.J. Surg. 2000, 179, 379. Link zur Quelle
  7. Vons, C.,et al.: Lancet 2011, 377, 1573 Link zur Quelle . AMB 2011, 45, 47a. Link zur Quelle
  8. Salminen,P., et al. (APPAC = APPendicitis ACuta): JAMA 2015, 313,2340. Link zur Quelle

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