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AMB 2012, 46, 78b

Kardiovaskuläre Ereignisse nach Prophylaxe mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren – neue Metaanalyse

Zu diesem Thema haben wir zuletzt in 2006 ausführlich referiert, einschließlich Chemie und Stoffwechselwirkungen der langkettigen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren (MUFA; 1). Damals ergab sich, im Gegensatz zu älteren Studien, kein sicherer Hinweis auf die Reduzierung kardiovaskulärer Ereignisse oder der Gesamtletalität nach Einnahme von Omega-3-Supplementen (Eicosapentaën- oder Docosahexaën-Säure) oder nach Ernährungsumstellung mit gesteigertem Verzehr von Seefischen.

Die Mechanismen der angenommenen kardiovaskulären Protektion durch 3-Omega-MUFA sind nicht klar. Berichtet wurden Senkung der Serum-Triglyzeride, verminderte Blutplättchen-Aggregation, leichte Blutdrucksenkung und antiarrhythmische Wirkungen. Die meisten nationalen kardiovaskulären Therapierichtlinien empfehlen MUFA zur Behandlung der erheblichen Hypertriglyzeridämie (USA) oder zur Reduzierung des kardiovaskulären Risikos (Europa).

Eine neue Metaanalyse aus Griechenland wertet 20 kontrollierte, meist plazebokontrollierte Studien von 1-6 Jahren Interventionsdauer aus, die meisten zur Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Ereignisse (2). In 18 Studien wurden 3-Omega-MUFA verabreicht, in zwei Studien wurde die Ernährung umgestellt. Den Plazebo-Teilnehmern wurde meist die Verwendung bestimmter Pflanzenöle zur Nahrungszubereitung empfohlen. An der Finanzierung der Studien waren überwiegend interessierte Firmen beteiligt.

Erstaunlich ist das immer noch große Interesse an solchen Studien. So kamen von den insgesamt 68.680 teilnehmenden Personen fast 46.000 aus solchen Studien, die von 2006-2012 publiziert wurden, also nach dem systematischen Review von Hooper et al. von 2006, in dem keine sicheren Hinweise zur Verminderung der Letalität bzw. Senkung kardiovaskulärer Ereignisse durch MUFA gefunden wurden (1, 3).

Die Ergebnisse sind ernüchternd: Zwar liegen für alle Endpunkte (Gesamtletalität, Tod durch Herzkrankheit, Plötzlicher Herztod und neuer Herzinfarkt) die Relativen Risiken (RR) etwas unter 1,0 (0,87-0,96) zugunsten der Verum-Gruppen, jedoch überschreiten die 95%-Konfidenzintervalle (CI) mit einer Ausnahme den Wert 1,0 im Sinne von „nicht signifikant”. Nur für „Tod durch Herzkrankheit” ist das CI mit 0,85-0,98 bei einem RR von 0,91 formal signifikant, wird aber aufgrund einer sehr geringen Risikoreduktion von den Autoren als „nicht signifikant” bezeichnet. Für den Endpunkt „Schlaganfall” jedweder Genese ist das RR mit 1,05 (CI: 0,93-1,18) nicht signifikant erhöht. Auch Patienten mit einem ICD (ca. 1.150 Patienten aus drei Studien) profitierten hinsichtlich Plötzlichem Herztod und anderen Endpunkten nicht signifikant von den Interventionen. In einer Studie von Burr et al. aus dem Jahr 2003 ergab sich sogar ein Hinweis auf Zunahme von Plötzlichem Herztod nach diätetisch erhöhter Einnahme von MUFA (3).

Eine Abbildung in der Metaanalyse listet die Reduktion des Relativen Risikos für die Gesamtletalität in den verschiedenen Studien chronologisch auf. Bis ca. 2006 scheinen die MUFA noch einen protektiven Effekt gehabt zu haben. In allen folgenden, meist umfangreicheren Studien ist das nicht mehr der Fall (RR-Werte zwischen 0,92 und 0,96). Falls MUFA wirklich einen gewissen kardiovaskulär-protektiven Effekt haben sollten, könnten die nach 2006 schlechter werdenden Ergebnisse daran liegen, dass in den neueren Studien alle Teilnehmer, auch die der Kontroll-Gruppen, leitliniengerecht mit Statinen und anderen empfohlenen Arzneimitteln behandelt wurden.

Fazit: Eine neue Metaanalyse zum hypothetischen kardiovaskulär-protektiven Effekt von 3-Omega-MUFA unter Einschluss mehrerer neuer umfangreicher Studien (meist zur Sekundärprophylaxe) seit 2006 ergab keine signifikante Risikoreduktion der Endpunkte „Kardiale und allgemeine Letalität, Plötzlicher Tod, neuer Herzinfarkt und Schlaganfall”. 3-Omega-MUFA scheinen bei leitliniengerecht mit Lipidsenkern behandelten koronarkranken Patienten keinen zusätzlichen protektiven Effekt zu haben.

Literatur

  1. AMB 2006, 40,54. Link zur Quelle
  2. Rizos, E.C., et al.:JAMA 2012, 308, 1024. Link zur Quelle
  3. Hooper, L., et al.:BMJ 2006, 332, 752. Link zur Quelle
  4. Burr, M.L., et al.:Eur. J. Clin. Nutr. 2003, 57, 193. Link zur Quelle

 

Schlagworte zum Artikel:

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