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Vermarktung von Medikamenten durch Versandhandel und Internet

Der ARZNEIMITTELBRIEF wurde kürzlich darauf aufmerksam gemacht, daß Dehydroepiandrosteron (DHEA, Prasteron) aus den USA über Internet bezogen werden kann. Die Anforderung einer entsprechenden DHEA-info page erbrachte das Angebot von drei Präparaten, deren neuestes angeblich zu 99,9% rein sein soll. Dreißig Tabletten à 25 mg kosten ca. 7 US$ plus Versand. Beigefügt war ein relativ flapsig abgefaßter Artikel aus Newsweek, der allerdings nicht ausdrücklich empfiehlt, DHEA zu nehmen.

Eine Anfrage beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ergab, daß man dem Phänomen der Vermarktung von Medikamenten über das Internet gegenüber zur Zeit ziemlich ratlos ist. Obwohl der Bezug von Arzneimitteln außer über Apotheken nicht zulässig ist, gibt es zur Zeit kaum wirksame Mittel, die Bestellung und die Entgegennahme von derart bestellten Medikamenten zu verhindern. Zoll und Polizei wären mit einer solchen Aufgabe überfordert. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft und der Apotheker und auch das BfArM warnen jedoch ganz entschieden vor dem Bezug von Medikamenten über Internet und ähnliche Quellen. In Deutschland zugelassene Medikamente können über jede Apotheke bezogen werden. In einem anderen europäischen Land, aber nicht in Deutschland zugelassene Medikamente können nach Verschreibung durch den Arzt leicht über internationale Apotheken bezogen werden.

Eine andere Art des Versandhandels mit Medikamenten wurde kürzlich im Deutschen Ärzteblatt (1997, 94, B-940) diskutiert und kritisiert. In Deutschland ist der Versandhandel mit Medikamenten unter Umgehung von Apotheken nicht erlaubt. In den USA und in Großbritannien ist er jedoch legal, und im Raum der EG existieren keine verbindlichen Regeln. Die britische Firma Express Medical Services (EMS) hat 1995 in Deutschland eine Filiale gegründet. Zunächst wurden nur orale Kontrazeptiva angeboten. Geworben wurde in erster Linie durch Anschreiben an Gynäkologen, die auf die erheblich verbilligte Bezugsmöglichkeit oraler Kontrazeptiva (50 bis 60% unter deutschem Apothekenpreis) hingewiesen wurden. Den Gynäkologen wurde pro Verschreibung eine Gutschrift von 5 DM angeboten. Eine solche Werbung ist in Deutschland sicher illegal, auch der Hinweis von seiten des Arztes auf eine bestimmte Apotheke, bei der Arznei- oder Heilmitttel eingekauft werden sollen. Von dem Versandhandel über Internet unterscheidet sich diese Form des Medikamentenbezugs allerdings dadurch, daß der Arzt ein Rezept ausstellt, das der Firma EMS zugestellt wird, worauf sie dem Patienten das Medikament zuschickt. Obwohl die Rezeptsammelstelle des Unternehmens EMS in Hamburg aufgrund der Klage eines deutschen Pharmaherstellers und -importeurs geschlossen werden mußte, scheint das Geschäft der Firma EMS immer noch zu florieren. Die Internationalisierung des Arzneimittelmarktes ist also in vollem Gange. Obwohl wir natürlich den Bezug von Arzneimitteln auf dem regulären Weg über Apotheken empfehlen, ist die kostensenkende Zustellung von rezeptierten Marken-Medikamenten vom Großhandel direkt an den Patienten ein Weg, der weniger bedenklich erscheint als der unkontrollierte Bezug von Medikamenten über das Internet. Je mehr die Verbraucher selbst für die Medikamente bezahlen müssen und je stärker die Arzneimittelbudgets der Krankenkassen sinken, um so häufiger wird dieser Weg begangen werden, vor allem, wenn die pflichtgemäße Zuzahlung höher ist als der Preis der Medikamente. Auf die Apotheken, wie auch auf die Ärzte, kommen harte Zeiten zu.