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Leserbrief: Malariaprophylaxe bei Tinnitus-Patienten

Frage von Dr. K.H. aus Hamburg: >> Wir betreuen einen Tinnitus-Patienten, dem Ärzte von der Einnahme von Chloroquin abgeraten haben. Wissen Sie, was man einem solchen Patienten empfehlen kann, wenn er in malariagefährdete Gebiete reisen möchte? << Antwort: >> Tinnitus kann bei verschiedenen Erkrankungen und Noxen auftreten (Erkrankungen des Innen- und Mittelohrs, Hörsturz, als Nebenwirkung ototoxischer Medikamente, pulssynchron bei Durchblutungsstörungen u.a.). Oft läßt sich jedoch die Genese nicht genau klären.

Es ist sinnvoll, bei Tinnitus-Patienten ototoxische Medikamente soweit wie möglich zu meiden (z.B. Chinidin, Streptomycin und andere Aminoglykoside, Azetylzystein, Azetylsalizylsäure, Gyrasehemmer). Von den Malariamedikamenten ist das Therapeutikum Chinin zu nennen. Bei Überdosierung kann es zum Nebenwirkungskomplex des Cinchonismus führen, der durch Tinnitus, Schwerhörigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen charakterisiert ist. Diese potentiellen Nebenwirkungen werden wegen der vitalen Dringlichkeit der Therapie bei einer Malaria tropica in Kauf genommen und sind in der Regel reversibel. Zur Malaria-Chemoprophylaxe wird Chinin nicht eingesetzt.

Für die Malaria-Chemoprophylaxe kommen als in Deutschland zugelassene Medikamente Chloroquin (Resochin u.a.), Mefloquin (Lariam) und Proguanil (Paludrine) in Frage. Mefloquin hat eine lange Halbwertszeit (21 Tage) und verursacht relativ häufig ZNS-Nebenwirkungen (Kopfschmerzen, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, aber auch schwere Reaktionen wie Krampfanfälle und psychische Veränderungen). Schwere neuropsychiatrische Nebenwirkungen werden nach prophylaktischer Gabe mit einer Häufigkeit von ca. 1:10000 angegeben. Tinnitus ist als direkte Nebenwirkung nicht beschrieben, könnte allenfalls indirekt über neuropsychiatrische Nebenwirkungen auftreten. Aufgrund der langen Halbwertszeit sollte man sich bei Tinnitus-Patienten mit Mefloquin zurückhalten.

Chloroquin kann – allerdings selten – zu neurotoxischen Reaktionen führen, wie Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit, und sehr selten zu Psychosen und Krampfanfällen. Tinnitus als Chloroquin-Nebenwirkung ist uns (auch nach einer DIMDI-Literatursuche) aus den letzten 10 Jahren nicht bekannt. Da sich Chloroquin mit einer Halbwertszeit von drei Tagen bei Nebenwirkungen potentiell besser steuern läßt, halten wir Chloroquin für eine Prophylaxe-Option auch unter den genannten Bedingungen.

Proguanil wird zur Prophylaxe in Kombination mit Chloroquin eingesetzt, um chloroquinresistente Plasmodienstämme besser zu erfassen. Proguanil gilt nicht als Substanz, die neurotoxische Reaktionen oder Tinnitus verursacht.

Bei Tinnitus-Patienten ist die Indikation für potentiell neuropsychiatrische Nebenwirkungen auslösende Medikamente zu bedenken. Dies erfordert auch eine Abschätzung des Risikos, bei der gewählten Reiseroute eine Malaria zu erwerben. Das bedeutet, man würde bei einer Urlaubsreise nach Südamerika oder nach Fernost mit relativ geringem Malariarisiko sich eher für eine (mitzuführende) Notfall-Selbstmedikation entscheiden. Bei Reisen ins tropische Afrika mit hohem Malariarisiko ist eine Chemoprophylaxe obligat. Aufgrund der besseren Steuerbarkeit ist die Kombination von Chloroquin mit Proguanil dem Mefloquin vorzuziehen, selbst wenn die Effektivität der Kombinationsprophylaxe etwas schlechter ist. << Literatur
(Nebenwirkungen von Malariamedikamenten)

1. Luzzi, G.A., und Peto, T.E.: Drug Safety 1993, 8, 295.
2. Ochsendorf, F.R., und Runne, U.: Hautarzt 1991, 42, 140.
3. Weinke, T, et al.: Am. J. Trop. Med. Hyg. 1991, 45, 86.