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Richtlinien der American Society of Clinical Oncology (ASCO) zur diagnostischen Abklärung und Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem, nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC)

Etwa 80% der Patienten mit Bronchialkarzinom haben histologisch ein NSCLC. Von diesen befinden sich zum Zeitpunkt der Diagnose bereits mehr als zwei Drittel in einem fortgeschrittenem Stadium (III oder IV). Eine Resektion mit kurativer Intention ist bei weniger als 20% dieser Patienten möglich. Dementsprechend ist die Prognose für Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC äußerst ungünstig (medianes Überleben zwischen 6 und 10 Monaten), und die meisten Patienten sterben innerhalb der ersten 2 Jahre an den Folgen ihrer Tumorerkrankung. Angesichts der Häufigkeit des NSCLC sind praktische Richtlinien zur Diagnostik und Therapie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC äußerst wichtig, da sie das diagnostische Vorgehen vereinheitlichen und die Therapieentscheidung erleichtern. Derartige Richtlinien wurden kürzlich von einem interdisziplinären Expertenkomitee der ASCO publiziert (J. Clin. Oncol. 1997, 15, 2996) und beschäftigen sich mit der Diagnostik, Therapie (Chemotherapie, Radiatio, chirurgisches Vorgehen), Änderungen des „Lifestyle“ und Chemoprävention. Wir möchten im folgenden kurz auf die Empfehlungen zur Chemotherapie beim NSCLC eingehen, die sich u.a. auf die Ergebnisse der Chemotherapie, die Auswahl der Patienten bzw. Medikamente, die Dauer der Therapie und den Zeitpunkt des Therapiebeginns beziehen. Unter den Experten herrschte Übereinstimmung, daß eine Chemotherapie in Kombination mit Bestrahlung das Überleben von Patienten mit inoperablem NSCLC im Stadium III und eine Chemotherapie allein das Überleben bei Patienten mit NSCLC im Stadium IV häufig, allerdings nur geringfügig, verbessert (vgl. AMB 1990, 24, 87). Diese Aussage basiert auf der Auswertung klinischer Studien, in denen meistens Patienten in gutem Allgemeinzustand behandelt wurden. Auch die „Lebensqualität“ von Patienten in Stadium III oder IV wird durch die Chemotherapie möglicherweise verbessert, wobei hierzu allerdings nur wenige gesicherte Daten vorliegen (vgl. AMB 1993, 27, 68). Von einer Chemotherapie plus Radiotherapie im Stadium III bzw. einer alleinigen Chemotherapie im Stadium IV profitieren in erster Linie Patienten in gutem Allgemeinzustand (Karnofsky-Status 70-100 bzw. ECOG/Zubrod-Skala 0 oder 1). Basierend auf der Auswertung verschiedener Metaanalysen bzw. klinischer Studien zur Wirksamkeit neuer Substanzen beim NSCLC empfahl das Expertenkomitee als primäre Therapie eine Cisplatin-haltige Kombination mit Paclitaxel (Taxol) oder Vinorelbin (Navelbine) oder Vinblastin (z.B. Velbe). Andere, in Phase-Il-Studien in Kombination mit Cisplatin wirksame Substanzen (z.B. Docetaxel, CPT-11, Gemcitabin) bzw. der Ersatz von Cis- durch Carboplatin sollten in randomisierten Studien mit den zuvor genannten Schemata verglichen werden. Patienten im Stadium III, die für eine kombinierte Chemo- und Radiotherapie in Frage kommen, sollten wenigstens 2 und maximal 8 Zyklen der Chemotherapie erhalten. Auch Patienten im Stadium IV sollten maximal 8 Zyklen erhalten, wobei nach 2 bis 4 Zyklen ein Ansprechen der Tumorerkrankung überprüft und bei stabiler oder progredienter Erkrankung die Chemotherapie beendet oder eine ,“second-line“-Chemotherapie erwogen werden sollte. Da verschiedene Metaanalysen ergeben haben, daß insbesondere Patienten in gutem Allgemeinzustand von platinhaltigen Chemotherapieschemata profitieren, wird empfohlen, die Chemotherapie bei Patienten im Stadium III kurz nach der Diagnose und bei Patienten im Stadium IV frühzeitig, solange sich die Patienten noch in einem guten Allgemeinzustand befinden, zu beginnen. Randomisierte Studien, die eindeutig eine Verbesserung der Prognose oder palliative Wirksamkeit von „second-line“-Chemotherapien belegen, wurden bisher nicht publiziert. Deshalb sollten möglichst alle Patienten mit Rezidiv oder Progredienz nach primärer Chemotherapie im Rahmen kontrollierter klinischer Studien behandelt werden.