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Pathogenetische Bedeutung von Östradiol und Progesteron beim Prämenstruellen Syndrom

Viele Frauen leiden in unterschiedlichem Maße einige Tage vor der Menstruation unter Stimmungsschwankungen und unter somatischen Symptomen wie Brustschmerz, Blähbauch, extrem gesteigertem Appetit usw. Dieser Symptomenkomplex wird „Prämenstruelles Syndrom“ (PMS) genannt (s.a. AMB 1993, 27, 7 u. 72). Die Ursache ist unklar. Der im Blut gemessene zyklische Verlauf der Konzentrationen von Gonadotropinen, Östradiol und Progesteron ist bei Frauen mit PMS nicht anders als bei Frauen ohne diese Beschwerden. Zumindest die vermehrte Irritabilität und Depressionsneigung könnte dadurch bedingt sein, daß Progesteron als lipophiles Hormon sehr leicht in das Gehirn eindringt, dort metabolisiert wird und an GABA-Rezeptoren binden kann, wo es ähnlich wie Benzodiazepine zur Sedation und Beruhigung führt. Der plötzliche Progesteron-Abfall wenige Tage vor der Menstruation könnte Symptome ähnlich wie ein Benzodiazepin-Entzug auslösen, wobei dies jedoch offenbar von Frauen mit und ohne PMS sehr unterschiedlich empfunden wird. Seit einigen Jahren ist bekannt, daß sogenannte Gonadotropin-Releasing-Hormon(GnRH)-Agonisten, die durch Dauerstimulation der Hypophyse zu einem Abfall der Gonadotropine und zur Anovulation führen, die Symptome eines PMS wesentlich bessern. Aus diesem Befund kann aber noch nicht abgeleitet werden, daß es die Sexualhormone selbst sind, welche die Symptome des PMS verursachen, da GnRH auch auf andere Funktionen des Gehirns und der Körperperipherie einwirken könnte. P.J. Schmidt et al. vom National Institute of Health (USA) berichten im N. Engl. J. Med. (1998, 338, 209) über eine Studie, in der Frauen mit PMS (Ermittlung des Schweregrades über eine sogenannte Analog-Beschwerdeskala) und Frauen ohne PMS zunächst 3 Monate lang mit dem GnRH-Agonisten Leuprolid-Azetat oder mit Plazebo behandelt wurden. Das Befinden der gesunden Frauen änderte sich hierdurch nicht. Bei Frauen mit PMS nahm das Beschwerdebild deutlich und hochsignifikant ab. Im Anschluß daran erhielten beide Gruppen für die nächsten Zyklen weiterhin Leuprolid (zur Ovulationssuppression) und zusätzlich entweder Östradiol-Pflaster oder Progesteron-Zäpfchen für jeweils 4 bis 5 Wochen. Die Plasma-Östradiol- bzw. Progesteron-Spiegel, die hierdurch erzeugt wurden, entsprachen etwa denen von Frauen mit einem spontanen Zyklus.

Während sich bei den gesunden Frauen an ihrem Befinden nichts änderte, kam es sowohl nach Gabe von Östradiol (plus Leuprolid) als auch von Progesteron (plus Leuprolid) zu einer deutlichen Zunahme der PMS-Symptome mit einem Maximum in der zweiten bis dritten Therapiewoche. Diese Befunde sprechen dagegen, daß es allein die Effekte von Progesteron bzw. seiner Metabolite auf das Gehirn sind, die die psychischen Symptome auslösen. Östradiol scheint eine gleichwertige Rolle zu spielen. Der Befund erklärt auch, warum eine Anovulation, die durch einen GnRH-Agonisten erzielt wird (mit niedrigen Östradiol- und Progesteron-Konzentrationen), zur Beschwerdebesserung führt, während orale Kontrazeptiva (Ovulationsunterdrückung durch hohe exogene Östrogene und Gestagene) keine geeignete Therapie für das PMS ist (s.a. Editorial von J.F. Mortola: N. Engl. J. Med. 1998, 338, 256).

Fazit: Die Symptome des Prämenstruellen Syndroms sind eine abnorme Reaktion auf normale hormonelle Veränderungen im Menstruationszyklus. Es muß hinzugefügt werden, daß diese teure Therapie mit GnRH-Agonisten nur in sehr schweren Fällen indiziert ist und langfristig negative Wirkungen haben kann, da das prolongierte Östradiol-Defizit zur Osteoporose und anderen unerwünschten metabolischen Wirkungen führen kann.