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Stellenwert der Hochdosis-Chemotherapie in der adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms

In den letzten Jahren wurde eine zunehmende Zahl von Patientinnen mit Mammakarzinom und einem hohen Rückfallrisiko innerhalb, aber auch außerhalb kontrollierter Studien mit einer Hochdosis-Chemotherapie und anschließender Reinfusion von autologen Stammzellen behandelt. Ausgehend von In-vitro-Daten, die für Alkylanzien eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung in Mammakarzinom-Zelllinien zeigten, und angesichts positiver Ergebnisse einiger kleiner unkontrollierter Phase-l/II-Studien hoffte man, durch die Hochdosis-Chemotherapie die Prognose dieser Patientinnen zu verbessern. Die Auswertungen der laufenden randomisierten Therapiestudien werden mit Spannung erwartet, da die Überlegenheit dieser sehr kostenintensiven und mit früh, möglicherweise aber auch verzögert auftretenden Nebenwirkungen (z.B. Verschlechterung kognitiver Funktionen, Zweitneoplasien; vgl. AMB 1998, 32, 61a) belasteten Behandlungsstrategien gegenüber der konventionellen Chemotherapie bisher nicht bewiesen ist (vgl. AMB 1998, 32, 21a). Die ersten Ergebnisse einer randomisierten Studie zur adjuvanten Hochdosis-Chemotherapie bei Patientinnen mit einem Hochrisiko-Mammakarzinom wurden kürzlich publiziert (1). Eingeschlossen wurden in diese unizentrische niederländische Studie 97 Patientinnen unter 60 Jahren, bei denen mittels infraklavikulärer Biopsie der Befall von mindestens einem apikalen axillären Lymphknoten (Level-III-Lymphknoten) als Ausdruck eines ausgedehnten axillären Lymphknotenbefalls nachgewiesen wurde. Ziel der Studie war die Klärung der Frage, ob das rezidivfreie und das Gesamt-Überleben durch eine ergänzend zur konventionellen multimodalen Primärtherapie durchgeführte Hochdosis-Chemotherapie mit Reinfusion von Stammzellen verbessert werden kann. Alle Patientinnen erhielten nach Diagnosestellung zunächst drei Zyklen einer Chemotherapie mit FEC (5-Fluorouracil, Epidoxorubicin, Cyclophosphamid). Im Anschluß an die chirurgische Therapie (brusterhaltende Operation oder radikale Mastektomie einschließlich axillärer Lymphknotendissektion) wurde nach Randomisation entweder eine konventionelle oder eine Hochdosis-Chemotherapie durchgeführt. Im konventionellen Studienarm erhielten die Patientinnen einen weiteren postoperativen Zyklus FEC, eine Strahlentherapie des lokoregionären Bereichs und anschließend Tamoxifen zwei Jahre lang. Im Hochdosis-Studienarm wurde identisch behandelt, wobei jedoch nach dem Zyklus FEC zusätzlich eine Hochdosis-Chemotherapie mit Cyclophosphamid, Thiotepa und Carboplatin erfolgte. Von insgesamt 97 Patientinnen konnten 81 nach der Operation randomisiert werden, von denen 40 die konventionelle und 41 die Hochdosis-Chemotherapie erhielten. Nach vier Jahren (mediane Nachbeobachtungszeit 49 Monate) lebten insgesamt 75% der Patientinnen und insgesamt 54% rezidivfrei. Es fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen der konventionellen Behandlungsstrategie und der Hochdosis-Chemotherapie. Diese Ergebnisse stimmen weitgehend mit den Auswertungen einer bisher nur als Abstrakt vorliegenden Studie des MD Anderson Cancer Center in Houston überein (2), auf die auch in einem begleitenden Editorial eingegangen wird (3). Auch in dieser randomisierten Studie mit 78 Patientinnen mit hohem Rückfallrisiko ließ sich durch zwei zusätzliche Zyklen einer Hochdosis-Chemotherapie (Cyclophosphamid, Etoposid, Cisplatin) nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 53 Monaten keine Verbesserung des krankheitsfreien und des Gesamt-Überlebens im Vergleich zur konventionellen Therapie (8 Zyklen adjuvante Chemotherapie plus Bestrahlung und 5 Jahre Tamoxifen) erreichen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß ein geringer Unterschied zwischen konventioneller und Hochdosis-Chemotherapie aufgrund der begrenzten Patientenzahl in den beiden Studien unerkannt geblieben ist, müssen zur definitiven Beurteilung des Stellenwerts der adjuvanten Hochdosis-Chemotherapie beim Mammakarzinom die Ergebnisse laufender Studien mit größeren Patientenzahlen abgewartet werden. Möglicherweise lassen sich dann Untergruppen definieren, die von einer Hochdosis-Chemotherapie tatsächlich profitieren.

Die Ergebnisse dieser beiden randomisierten Studien zeigen erneut, daß vielversprechende Ergebnisse unkontrollierter Phase-l/II-Studien mit Vorsicht interpretiert und in prospektiven randomisierten Therapiestudien bestätigt werden müssen. Dies gilt insbesondere für kostenintensive Therapiestrategien, wie z.B. die Hochdosis-Chemotherapie, mit möglicherweise schwerwiegenden, spät auftretenden Nebenwirkungen.

Fazit: Außerhalb von sorgfältig geplanten, randomisierten Studien, deren Design eine ausreichende Patientenzahl in absehbarer Zeit erwarten läßt, ist eine adjuvante Hochdosis-Chemotherapie in der Primärbehandlung von Patientinnen mit Mammakarzinom und hohem Rückfallrisiko zur Zeit nicht gerechtfertigt.

Literatur

1. Rodenhuis, S., et al.: Lancet 1998, 352, 515.
2. Hortobagyi, G.N., et al.: Proc. ASCO 1998, 17, Abstr 471.
3. Pusztai, L., und Hortobagyi, G.N.: Lancet 1998, 352, 501.