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Orale Kontrazeptiva und Letalität: Eine britische Kohortenstudie über 25 Jahre an 46000 Frauen

Der AMB hat mehrfach über Risiken oraler Kontrazeptiva und postmenopausaler Östrogen-Substitution berichtet (1996, 30, 1; 20; 45; 1997, 31, 10; 12; 85b 1998, 32, 30; 93). Die ersten diesbezüglichen Studien wurden 1974 vom Royal College of General Practitioners in Großbritannien publiziert. Aufgrund dieser Studien wurden in Großbritannien Langzeitbeobachtungen in Form einer Kohortenstudie an ca. 46000 Frauen geplant, von denen die Hälfte kombinierte orale Kontrazeptiva (OK) benutzte, während die andere Hälfte nie solche Medikamente genommen hatte. Die Ergebnisse wurden jetzt im British Medical Journal (1999, 318, 96) von V. Beral et al. publiziert. Endpunkte waren das Relative Risiko (RR) zu sterben unter Berücksichtigung von Alter, Zahl der Schwangerschaften, sozialer Klasse und Raucherstatus. In dem Zeitraum von 25 Jahren starben 1599 dieser relativ jungen Frauen. Die Letalitätsrate war 20% niedriger als für die allgemeine Bevölkerung erwartet, vermutlich weil Frauen mit besonderen Risiken nicht in die Studie eingeschlossen wurden.

Das RR, in dem genannten Zeitraum zu sterben, war bei Frauen, die OK einnahmen (über lange Zeit mit 50 µg Ethinylestradiol/d) 1,0, d.h. nicht höher und nicht geringer als im Kontrollkollektiv. Berücksichtigt man jedoch nur Frauen mit aktueller Einnahme von OK und solche, die sie innerhalb der letzten 10 Jahre genommen hatten, dann war das Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu sterben, mit 0,2 signifikant verringert, während das Risiko, an einem Uterus-Zervix-Karzinom zu sterben, mit 2,5 oder an einer zerebrovaskulären Erkrankung zu sterben mit 1,9 erhöht war (beides signifikant). Interessant ist, daß das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder an einer zerebrovaskulären Erkrankung speziell zu sterben, mit dem zeitlichen Abstand vom letzten Gebrauch OK kontinuierlich abnahm. 10 Jahre nach letztem Gebrauch eines OK waren die Risiken, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder am Ovarialkarzinom zu sterben, bei Frauen mit ehemaligem OK-Gebrauch und bei Kontrollen gleich. In einem begleitenden Editorial (Brit. Med. J. 1999, 318, 69) kommentiert D. Skegg aus Neuseeland diese bemerkenswerte Studie, die auf Beobachtungen in 1400 britischen Allgemeinpraxen mit Berichterstattung 2mal pro Jahr über 25 Jahre beruht. Obwohl die global nicht erhöhte Letalität bei und nach Einnahme OK beruhigend ist, wird darauf hingewiesen, daß spezifische Risiken (besonders Rauchen) auch eine besondere Wachsamkeit erfordern. Frauen, die nicht rauchen, deren Blutdruck ab und zu gemessen wird und die keinen hohen Blutdruck haben, haben selbst während der Einnahme von OK kein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, und ein nur minimal erhöhtes Risiko einer zerebrovaskulären Erkrankung. In die Ergebnisse dieser Studie ist die erheblich reduzierte Morbidität durch Verhütung unerwünschter Schwangerschaften (besonders in Entwicklungsländern) nicht mit eingegangen.

Fazit: In einer großen britischen Fall-Kontroll-Studie an 46000 Frauen war die Gesamtletalität über 25 Jahre mit und ohne Gebrauch kombinierter OK gleich. Einem mäßig erhöhten Risiko, bei aktuellem Gebrauch eines OK an einer kardiovaskulären Komplikation zu sterben, sollte durch vernünftiges individuelles Verhalten, wie Beendigung von Rauchen, regelmäßige Blutdruck-Kontrollen und Beendigung des Gebrauchs von OK bei Auftreten von Risiko-Situationen Rechnung getragen werden.