Viele
Studien belegen, daß die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit (KHK) -
vermutlich vermittelt über Blutfette - diätetisch beeinflußt werden kann. Ein
hohes HDL-Cholesterin gilt als protektiv, ein hohes LDL-Cholesterin als
Risikofaktor. Sehr fettarme Diäten senken HDL- und LDL-Cholesterin; aber auch
eine sehr kohlenhydratreiche Diät kann das HDL-Cholesterin erniedrigen. Eine im
Lancet von G. Frost et al. aus London publizierte Studie (1) scheint zu
belegen, daß Kohlenhydrate (KH) mit hohem glykämischen Index (GI) das
HDL-Cholesterin senken, während solche mit niedrigem GI das HDL steigern
können. Der GI eines Nahrungsmittels mit z.B. 50 g KH ergibt sich aus der
Fläche unter der Blutzuckerkurve nach dessen oraler Aufnahme, verglichen mit
der Fläche unter der Kurve nach Gabe von 50 g reiner Glukose. 50 g KH in Reis
oder gekochten Kartoffeln erhöhen den Blutzucker fast ebenso stark wie Glukose,
während die gleiche Menge KH in Bohnen, Milch oder Äpfeln den Blutzucker viel
weniger ansteigen lassen. Der GI hängt unter anderem, aber nicht nur, von der
Verarbeitung der Nahrungsmittel, der Korngröße, in der sich die KH befinden, und
von dem Fasergehalt der Nahrung ab; Faserreichtum ist jedoch nicht mit
niedrigem GI gleichzusetzen. So ist z.B. der GI von Vollkornmehl fast ebenso
hoch wie der von weißem Mehl. Über die genauere Bedeutung des GI informiert
übrigens ein den Artikel von G. Frost et al. begleitendes Editorial von M.B.
Katan aus Holland (2). Frost et al. analysierten Daten einer an 1420 englischen
Probanden durchgeführten Studie über den Zusammenhang zwischen Ernährung,
Blutfetten und Arteriosklerose. Die Nahrungszusammensetzung wurde sehr genau
durch Mengenangaben sämtlicher Nahrungsmittel und Getränke während einer ganzen
Woche analysiert. Aufgrund dieser Angaben konnte u.a. der mittlere GI aller
KH-haltigen Nahrungsmittel aus Tabellen ermittelt werden. Es fand sich eine signifikante
negative Korrelation zwischen dem GI der Nahrung und dem HDL-Cholesterin sowohl
bei Männern als auch bei Frauen, wobei die Assoziation bei Frauen deutlicher
war. Keine Korrelation bestand zwischen GI und Gesamtcholesterin oder
LDL-Cholesterin. In der im AMB schon oft zitierten amerikanischen Nurses
Health Study ist eine negative Korrelation zwischen dem mittleren GI der
Nahrung und der kardiovaskulären Morbidität errechnet worden (3). Aus Daten der
Framingham-Studie wurde errechnet, daß einem Anstieg des HDL-Cholesterins um
0,026 mmol/l eine Verminderung der kardiovaskulären Morbidität um 3% bei Frauen
und um 2% bei Männern entsprechen könnte. Setzt man die von Frost et al.
beobachteten Anstiege des HDL-Cholesterins bei Patientinnen und Patienten mit
dem niedrigsten GI der Nahrung in die Framingham-Tabelle ein, dann könnte dies
einer Abnahme der kardiovaskulären Morbidität bei Frauen um 29% und bei Männern
um 7% entsprechen.
Die
Beziehung zwischen HDL-Cholesterin und kardiovaskulärer Morbidität und
Letalität ist jedoch nur assoziativ. Eine Ursachen-Wirkungs-Beziehung ist noch
nicht bewiesen. Viele epidemiologische Daten sprechen jedoch dafür, daß eine
solche besteht. In dem Editorial von M.B. Katan (2) wird trotzdem zu einer
vorsichtigen Interpretation dieser interessanten Daten geraten, deren
Überprüfung in einer prospektiven Ernährungsstudie jedoch für sehr lohnend
gehalten wird.
Fazit: Aus der
besprochenen Studie ergeben sich Hinweise darauf, daß es ”gute" und
”schlechte" Kohlenhydrate gibt. Ein niedriger glykämischer Index (Ausmaß
der Blutzuckererhöhung nach Zufuhr einer definierten Menge Kohlenhydrate im
Vergleich mit Glukose) scheint zu einem Anstieg des ”guten"
HDL-Cholesterins zu führen. Ein hohes HDL-Cholesterin scheint das Risiko einer
KHK zu senken. Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index sind beispielsweise
Glukose, Weißbrot und Kartoffeln, solche mit niedrigem sind Bohnen, Apfel und
Gemüse.
Literatur
- Frost, G., et al.: Lancet 1999, 353, 1045.
- Katan, M.B.: Lancet 1999, 353, 1029.
- Liu, S., et al.: FASEB J. 1998, 12,
A260, Abstract.
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