Fehlernährung und
Bewegungsmangel sind neben den klassischen vier Risikofaktoren und der
genetischen Vorbestimmung entscheidende Triebfedern für das Fortschreiten der
Koronaren Herzkrankheit. Die Nahrung unserer Vorfahren bestand zu nur 20% aus
Fett, wobei der Anteil an gesättigten Fettsäuren gerade 7-8% betrug.
Die "zivilisierte"
Kost besteht zu über 30% aus Fett mit einem hohen Anteil gesättigter
Fettsäuren. Die essentiellen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) sind
durch Aufklärungskampagnen in den vergangenen Jahren wieder mehr in unsere
Ernährung integriert worden, wobei die Omega-3-Gruppe relativ zu gering
vertreten ist. Der Omega-6/Omega-3-Fettsäure-Quotient liegt in unserer
Ernährung im Mittel bei 15; unsere Vorfahren kamen auf einen Wert von 4. Die
kanadische Bevölkerungsgruppe der lnuits ernähren sich bekanntlich sehr
fettreich (Fischtrane), haben jedoch eine der niedrigsten Herzinfarktraten der
Welt. Es wird vermutet, daß dies mit dem sehr hohen Anteil an
Omega-3-Fettsäuren in ihrer Nahrung zusammenhängt (4 g/d). Das Verhältnis der
aufgenommenen PUFA-Fraktionen spielt eine wesentliche Rolle im
Eicosanoid-Stoffwechsel (Prostaglandine, -zykline, Thromboxane usw.) und somit
auch bei der Regulation von Gefäßtonus, -wachstum und Gerinnungsprozessen. Über
mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen von Omega-6-Fettsäuren, Omega-3-Fettsäuren
bzw. Fischöl-Konzentraten haben wir bereits vor 10 Jahren berichtet (s.a. AMB
1988, 22, 47; 1989, 23, 28; 54; 77).
Es gibt
mittlerweile viele Untersuchungen, die belegen, daß der Verlauf einer Koronaren
Herzerkrankung mit Diäten günstig beeinflußt werden kann. Die wohl bekannteste
dieser Studien ist die Lyon-Studie, in der monozentrisch bei über 400 Patienten
nach Herzinfarkt eine ausgewogene α-liponsäurereiche (= mediterrane) Kost
gegen eine gängige westliche Ernährung getestet wurde.
Nun sind die
4-Jahres-Ergebnisse dieser Kohortenstudie veröffentlicht (de Lorgeril, M., et
al.: Circulation 1999, 99, 779). Dabei wird, wie schon bei
Veröffentlichung der früheren Daten (de Lorgeril, M., et al.: Lancet 1994, 343, 1454), ein erheblicher Vorteil für die mediterrane Gruppe (n = 219) deutlich.
Der primäre Endpunkt (Tod und Reinfarkt) wurde signifikant seltener erreicht
als in der Gruppe mit der westlichen Diät (8% vs. 20%); auch der sekundäre
kombinierte Endpunkt (Myokardinfarkt, Tod, instabile Angina pectoris,
Herzinsuffizienz, Schlaganfall u.a.) trat unter mediterraner Kost wesentlich
seltener auf (15% vs. 30%). Dies entspricht etwa einer Halbierung des Risikos
für kardiovaskuläre Ereignisse, ein Effekt, der bisher mit keiner
pharmakologischen Substanz erreicht wurde.
Die Zusammensetzung
der Ernährung in beiden Gruppen am Studienende ist in Tab. 1 wiedergegeben. Der
relativ deutlichste Unterschied bestand nicht im Fettanteil, der
Gesamtkalorienzahl oder dem Anteil an PUFA, sondern in der aufgenommenen
Cholesterinmenge, dem Omega-3-Fettsäure-Anteil und vor allem beim Quotienten
Omega-6/ Omega-3-Fettsäuren.
Bemerkenswert ist,
daß der Body-Mass-Index (26,3 vs. 26,9), der systolische und diastolische
Blutdruck, der Gesamtcholesterinspiegel (6,1 vs. 6,2 mmol/l) sowie das
Verhältnis von LDL/HDL-Cholesterin durch die mediterrane Diät unbeeinflußt
blieb. Diese Werte unterschieden sich in beiden Gruppen am Studienende nicht.
In der westlich
ernährten Gruppe wurde am Ende der Studie häufiger ein fettsenkendes Pharmakon
eingenommen (34% vs. 26,5%); ansonsten unterschied sich die Medikation nicht
wesentlich. Aktive Raucher und Patienten mit diabetischer Stoffwechsellage
waren am Ende gleich häufig in beiden Gruppen vertreten, so daß sich sowohl in
der univariaten wie auch in der multivariaten Risikoanalyse nur die mediterrane
Ernährung, das Ausgangs-HDL-Cholesterin und die Einnahme von Azetylsalizylsäure
als unabhängige Faktoren für das Nicht-Erreichen eines kombinierten Endpunktes
nach 4 Jahren errechnen ließ.
Diese Studie ist
aus mehreren Gründen bedeutsam. Zum einen wurde nur durch eine Umstellung der
Ernährung ein Effekt erzielt, der bisher durch kein Arzneimittel erreicht
werden konnte. Dies verdeutlicht die Rolle der Lebensführung und damit auch die
Eigenverantwortlichkeit für Herz- und Gefäßkrankheiten. Jeder
Herzinfarktpatient kann durch die Umstellung von Ernährung und Lebensstil seine
Prognose deutlich verbessern. Ein weiterer wesentlicher Aspekt dieser Studie
ist, daß das Paradigma vom hohen Cholesterin als Motor der Atherosklerose
relativiert wird. Die Pathophysiologie der Fette ist offenbar viel komplexer
als gemeinhin angenommen wird, denn die Risikoreduktion durch die mediterrane
Diät war nicht auf eine Senkung des Gesamtcholesterins oder des Körpergewichts
zurückzuführen. Des weiteren ist bemerkenswert, daß die empfohlene mediterrane
Kost über die gesamten 4 Jahre durchgehalten wurde, ein Beleg dafür, daß diese
Ernährung schmackhaft ist und das Wohlbefinden steigert.
Fazit: Eine mediterrane
Kost hat nach bereits 4 Jahren eine gute koronarprotektive Wirkung bei
Patienten nach Myokardinfarkt.
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