Zu diesem Thema
fand sich eine sehr lesenswerte und provokante Betrachtung in der Zeitschrift
für Kardiologie (Kübler, W., und Kreuzer, J.: 1999, 88, 85). Die Autoren
analysieren die Untersuchungen zur Kosteneffizienz der primären und sekundären
Prophylaxe der Koronaren Herzkrankheit mit Beta-Blockern, Azetylsalizylsäure,
speziell aber Statinen. Alle diese Therapien sind wirksam. Sie reduzieren die
Wahrscheinlichkeit, daß in einem definierten Zeitintervall Angina pectoris,
Herzinfarkt oder koronarer Herztod eintreten, um etwa 20 bis 30%. Wenn dieses
Risiko ohne Prophylaxe 3% pro Jahr beträgt, treten diese Ereignisse mit der
Prophylaxe also nur bei ca. 2% der betreffenden Patienten ein oder anders
formuliert: 100 Patienten müssen ein Jahr lang behandelt werden, um ein
"ereignisfreies" Jahr zu erreichen. So können aus den Therapiekosten
für 100 Patienten pro Jahr die Kosten pro ereignisfreies Jahr errechnet werden.
Aus diesem Beispiel
geht hervor, daß die Zahl der ereignisfreien Jahre, die mit einem bestimmten
prophylaktischen Konzept gewonnen werden können, um so größer ist, je höher das
Risiko und je wirksamer die Therapie ist. Die Autoren zitieren z.B. eine Arbeit
von Pharoah, P.D.P., und Hollingworth, W. (Brit. Med. J. 1996, 312, 1443). Diese berechneten die Kosten der Therapie mit Statinen für fünf
Risikogruppen: Gruppe 1: Patienten mit Hypercholesterinämie mit Zustand
nach Herzinfarkt (hohes Risiko) und Gruppe 5: Männer unter 55 Jahren
ohne Hinweis auf koronare Herzkrankheit (niedriges Risiko). Die anderen Gruppen
hatten Risiken, die zwischen diesen beiden lagen. Die Kosten für ein
ereignisfreies Jahr durch Prophylaxe waren 26560 $ in der Hochrisikogruppe.
Wenn alle Patienten, auch die der niedrigen Risikogruppe 5, einbezogen wurden,
betrugen die Kosten der Prophylaxe pro gewonnenes ereignisfreies Jahr 381 800
$.
Aber die
ereignisfreien Jahre kosten noch zusätzliches Geld, nämlich Renten, Beihilfen
und Kosten von Zweiterkrankungen: "Da präventive Maßnahmen ihren eigenen
Preis haben und den Ausbruch einer koronaren Herzerkrankung nicht verhindern
dürften, dürfte eine derartige Therapie kaum eine Senkung, sondern eher eine
Steigerung der direkten medizinischen Kosten bedingen. Eine erfolgreiche
Prävention der Koronaren Herzerkrankung dürfte infolge der Lebensverlängerung
... zu einer Zunahme der Arbeitsunfähigen und der Behinderten führen, so daß
nicht nur die direkten Kosten, sondern vor allem auch die indirekten Kosten für
Renten, Sozialhilfe, Pflegeheime usw. ansteigen." So die Autoren Kübler
und Kreuzer.
Kommentar: Hier wird gezeigt,
daß Budgets, nach unterschiedlichen medizinischen Richtlinien eingesetzt,
unterschiedliche gesundheitliche Effekte erzielen können, von denen manche
bezahlbar sind, andere nicht. Diese sozioökonomischen Aspekte müßten für alle
neuen Therapieformen dargestellt werden, z.B. auch für interventionelle
Kardiologie, Elektrotherapie, Transplantationen usw. Insofern ist diese Arbeit
eine sehr wichtige Initiative. Sie greift aber zu kurz, weil sie keinen
schlüssigen Kostenvergleich mit anderen Therapieverfahren anbietet und daher
den medizinischen Sachverstand nicht herausfordert, die Budgets besonders
sachgerecht einzusetzen. Sie greift auch zu kurz, weil sie die praktische
Bedeutung der nicht-pharmakologischen Möglichkeiten zur Prophylaxe der
Koronaren Herzkrankheit unterschätzt und daher den Leser nicht motiviert, sich
in dieser Richtung zu bemühen. Es ist auch ungewöhnlich für ärztliche Autoren,
daß sie die Nachfolgekosten des medizinischen Erfolgs, nämlich die Kosten
zusätzlich gewonnener Lebensjahre (Renten, Beihilfen usw.) mit in die Rechnung
einbeziehen. Vielleicht sind - so gesehen - interventionelle Maßnahmen im
Endergebnis sogar "wirtschaftlicher", wenn sie nicht zu viele
ereignisfreie Jahre produzieren. Am wirtschaftlichsten aber ist es unter diesem
Aspekt, möglichst früh zu sterben. Aber das wollten die Autoren sicher nicht
sagen. Wenn aber gezeigt werden sollte, daß Budgets für unterschiedliche
medizinische Interventionen unterschiedlich großen gesundheitlichen Nutzen
bringen können, dann muß ein wesentlich breiteres Spektrum von
Verwendungsmöglichkeiten betrachtet werden. Dann würde sich z.B. herausstellen,
daß auch nicht-pharmakologische Prophylaxen, die das Ziel haben, einen
krankmachenden Lebensstil zu ändern, besonders wirksam sind.
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