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Mycophenolat Mofetil oder Azathioprin zur Behandlung des chronisch-aktiven M. Crohn?

Das Immunsuppressivum Azathioprin bzw. sein Metabolit 6-Mercaptopurin haben einen festen Platz in der Therapie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. So sind z.B. beim M. Crohn bei Steroidabhängigkeit oder bei häufig rezidivierenden Schüben klare Indikationen für Azathioprin gegeben. Die Behandlung mit Azathioprin (in Kombination mit Steroiden) ist in der Akutsituation in 36 bis 76% erfolgreich und induziert häufig langanhaltende Remissionen. Eine Metaanalyse zeigt jedoch, daß bei 8,9% der mit Azathioprin behandelten Patienten Nebenwirkungen auftreten, die zum Therapieabbruch zwingen (1). Eine weitere Limitation dieser Substanz ist die relativ lange Zeit zwischen Beginn der Therapie und Einsetzen der positiven Wirkungen (im Mittel ca. 3-6 Monate).

Mycophenolat Mofetil (MMF) ist der Morpholinoethylester der Mycophenolsäure (MPA), welche die pharmakodynamisch eigentlich wirksame Substanz ist. MPA wirkt als nicht-kompetitiver, reversibler Hemmstoff der Inosinmonophosphat-Dehydrogenase. Die Hemmung dieses Enzyms in Lymphozyten führt zu einer intrazellulären Verminderung der Guanosine, die für die Proliferation der Zellen essentiell sind. Aufgrund der Datenlage aus den klinischen Studien bei Organtransplantierten kann eine stärkere immunsuppressive Wirkung von MMF im Vergleich zu Azathioprin angenommen werden (2, 3). Vor diesem Hintergrund wurde von Neurath et al. die remissionsinduzierende und -erhaltende Wirkung der Kombinationstherapien Azathioprin/Prednisolon versus MMF/Prednisolon bei Patienten mit chronisch aktivem M. Crohn verglichen (4). In diese Studie konnten 70 Patienten (je 35 Patienten in beiden Armen) randomisiert werden. Alle Patienten hatten über mindestens ein Jahr eine chronische Krankheitsaktivität sowie drei oder mehr akute Krankheitsschübe in den letzten drei Jahren. Bei allen Patienten wurde zum Studienbeginn ein Krankheitsaktivitätsindex (CDAI) größer als 150 Punkte dokumentiert. In Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität wurden die Patienten in zwei Subgruppen randomisiert: Patienten mit einem CDAI > 300 Punkte (n = 35) und Patienten mit einem CDAI zwischen 150 und 300 Punkten (n = 35). Die Behandlung erfolgte mit 2,5 mg/kg KG Azathioprin plus 50 mg Prednisolon/d bzw. 15 mg/kg KG MMF plus 50 Prednisolon/d. Die Glukokortikoid-Dosis wurde wöchentlich nach folgendem Schema reduziert: 40 mg, 30 mg, 25 mg, 20 mg, 15 mg, 10 mg/d und anschließend 5 mg/d als Erhaltungsdosis insgesamt sechs Monate lang. Bei Zunahme der Krankheitsaktivität wurde die Prednisolondosis wieder auf 40 mg erhöht und anschließend reduziert.

Es zeigte sich in beiden Gruppen – wohl als Folge des Prednisolons – ein rascher Abfall des Krankheitsaktivitätsindexes um 75 bis 100 Punkte während des ersten Monats (bei 74% der Patienten in der Azathioprin-Gruppe und bei 85% der Patienten in der MMF-Gruppe). In der Subgruppe der Patienten mit einem CDAI zwischen 150 und 300 Punkten fand sich während der gesamten Studiendauer (sechs Monate) kein Unterschied zwischen der Azathioprin- und der MMF-Gruppe.

Im Gegensatz dazu sprachen die Patienten mit hochaktivem M. Crohn (CDAI > 300 Punkte) auf MMF rascher an als auf Azathioprin (s. Tab. 1). Nach sechs Monaten bestand zwischen diesen beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied. Die Therapie wurde insgesamt gut vertragen. Relevante Nebenwirkungen traten bei sieben Patienten in der Azathioprin-Gruppe (Übelkeit: n = 4; transiente Cholestase: n = 2; Anämie: n = 1) sowie bei zwei Patienten in der MMF-Gruppe (Exanthem, Erbrechen) auf. Aus dieser Studie können folgende Schlüsse gezogen werden, die für die klinische Praxis wichtig sind:

1. Bei Patienten mit moderater Krankheitsaktivität ergibt sich aus der zusätzlichen Gabe von Immunsuppressiva kein therapeutischer Gewinn, wenn eine Akuttherapie mit Glukokortikoiden durchgeführt wird.

2. Azathioprin wirkt erst nach relativ langer Latenz; die Wirkung von MMF setzt deutlich früher ein.

3. Ob die positiven Wirkungen von MMF auch langfristig anhalten, kann durch diese Studie nicht beantwortet werden. Gerade der langfristige Remissionserhalt durch Azathioprin ist von großer klinischer Bedeutung.

4. Die Studie beantwortet nicht die Frage, ob Patienten, die auf Azathioprin nicht ansprechen, von MMF profitieren.

Fazit: Mycophenolat Mofetil ist zur Zeit ein Reservemedikament beim hochakuten, chronischen M. Crohn.

Literatur

  1. Present, D.H., et al.: Ann. Intern. Med. 1989, 111, 641.
  2. Sollinger, H.W.: Transplantation 1995, 60, 225.
  3. The Tricontinental Mycophenolat Mofetil Transplantation Study Group: Transplantation 1996, 61, 1029.
  4. Neurath, M.F., et al.: Gut 1999, 44, 625.

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