Wir haben mehrfach
über die Kontroverse um ein gesteigertes Nebenwirkungsrisiko bei Einnahme von
niedrig dosierten hormonellen Kontrazeptiva mit Gestagenen der sog. 3.
Generation als progestagene Komponente berichtet (s. AMB 1996, 30, 1 u.
20). Zunächst war wegen der Ergebnisse mehrerer internationaler Studien von der
Britischen Zulassungsbehörde und vom BfArM die Zulassung dieser Präparate, die
Gestoden und Desogestrel als Gestagen enthielten, stark eingeschränkt worden
(s. AMB 1996, 30, 63). Die britischen und die deutschen Zulassungsbehörden
haben kürzlich diese Restriktionen jedoch wieder aufgehoben, nicht weil ein
erhöhtes Nebenwirkungsrisiko widerlegt sei, sondern weil das absolute
Nebenwirkungsrisiko insgesamt sehr gering sei, und die Gestagene der 3.
Generation bei manchen Patienten weniger androgene Wirkungen als z.B.
Levonorgestrel an der Haut entfalten. Es sei mithin die Aufgabe des
verschreibenden Arztes, im Gespräch mit der Frau Nutzen und Risiken
gegeneinander abzuwägen. Im Brit. Med. J. (1) erschien jetzt eine Arbeit von L.
Mellemkjaer et al. aus Kopenhagen, in der die jährlichen
Krankenhaus-Aufnahmezahlen wegen venöser Thromboembolien von 1977 bis 1995 bei
Männern und Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren untersucht wurden. Die Daten
wurden dem Danish National Registry of Patients entnommen. Ausgeschlossen
wurden Thromboembolien in Zusammenhang mit Krebserkrankungen, Schwangerschaften
und Operationen.
Bei den Männern war
die Zahl der Thromboembolien zwischen 1980 und 1991 leicht fallend mit einem
geringen Anstieg 1993. Bei den Frauen war von 1977 bis 1988 die Zahl der
Aufnahmen wegen Thromboembolien pro 1 Mio. Personenjahren etwas geringer als
bei Männern, stieg aber zwischen den Zeitperioden 1987/1988 und 1989/1993
deutlich von 120 auf 140 Aufnahmen pro 1 Mio. Personenjahre an. Die Letalität
durch Thromboembolien blieb bei beiden Geschlechtern während des
Beobachtungszeitraumes konstant. Der Anstieg der Krankenhausaufnahmen wegen
Thromboembolien bei Frauen fällt in den gleichen Zeitraum, in dem der Gebrauch
von hormonalen Kontrazeptiva der 3. Generation deutlich zunahm. In Dänemark
nehmen etwa ein Viertel aller jungen Frauen orale Kontrazeptiva (OK) ein. 1984
nahmen nur 0,2% der Frauen OK der 3. Generation. 1988 waren es bereits 17%,
1990 40% und 1993 66%. Nach Ansicht der Autoren stützen die Daten die
Hypothese, daß OK der 3. Generation das Risiko venöser Thromboembolien in
stärkerem Maße erhöhen als andere OK. Die Daten belegen jedoch keine
Ursachen/Wirkungs-Beziehung, sondern sind assoziativer Art.
In einem
begleitenden Editorial von P.A. O Brien aus London (2) werden noch einmal
wichtige Studien über die relative lnzidenz von Thromboembolien bei Einnahme
von OK der 3. und der 2. Generation zusammengefaßt. Nach Ansicht des Autors
spricht vieles dafür, daß auch die von uns zunächst für wahrscheinlich
gehaltene Verursachung dieses Befundes durch ”Prescriber bias" die erhöhte
Thromboembolierate bei Einnahme von OK der 3. Generation nicht erklären kann.
Inzwischen hat eine Forschergruppe aus Holland (3) auch gezeigt, daß bei
Einnahme von OK der 3. Generation im Gerinnungsstatus ein Zustand entsteht, der
funktionell der APC-Resistenz ähnelt, während dieser Effekt bei Einnahme von OK
der 2. Generation (mit Levonorgestrel) deutlich weniger ausgeprägt ist. Der
oben erwähnte Kommentar von P.A. O Brien endet mit dem Satz:
Fazit: ”lt is not that
third generation contraceptives are unsafe - it is just that we have something
safer".
Literatur
-
Mellemkjaer, L.,
et al.: Brit. Med. J. 1999, 319, 820.
-
O Brien, P.A.:
Brit. Med. J. 1999, 319, 795.
-
Bloemenkamp, K.,
et al.: Lancet 1995, 346, 1593.
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