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E. coli Nissle zur Behandlung, Remissionsinduktion und Rezidivprophylaxe bei Colitis ulcerosa

Der mögliche Zusammenhang zwischen der Darmflora und der Pathogenese bzw. dem Verlauf der Colitis ulcerosa ist in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand von Grundlagenstudien und klinischen Arbeiten geworden. Der AMB berichtete zuletzt über eine Studie von W. Kruis et al., bei der die Wirksamkeit der Rezidivprophylaxe mit einem standardisierten E.-coli-Präparat (E. coli Nissle 1917) untersucht wurde (AMB 1998, 32, 54). Bei dieser Untersuchung an 120 Patienten mit inaktiver Colitis ulcerosa war E. coli Nissle in der Remissionserhaltung ähnlich wirksam wie Mesalazin; allerdings war die Aussagekraft der Untersuchung durch die sehr kurze Nachbeobachtungsphase (3 Monate) deutlich eingeschränkt.

Im Lancet wurden nun die Ergebnisse einer weiteren Studie zu standardisiertem E. coli Nissle bei Colitis ulcerosa von B. Rembacken et al. aus Leeds vorgelegt (Lancet 1999, 354, 635). Eingeschlossen wurden 116 Patienten mit klinisch und koloskopisch aktiver Colitis ulcerosa. Nach Randomisierung in eine E.-coli- und eine Mesalazin-Gruppe erhielten alle Patienten eine einwöchige Antibiose mit 240 mg Gentamicin/d oral, um die native E.-coli-Flora zu supprimieren. Patienten der E.-coli-Gruppe erhielten zusätzlich 2 mal 2 magensaftresistente Kapseln mit 2,5 x 1010 lebenden E. coli Nissle 1917, Patienten der Mesalazin-Gruppe 3 mal 800 mg Mesalazin. Nach Remissionsinduktion erfolgte eine Erhaltungstherapie mit 2 mal 1 Kapsel E. coli Nissle bzw. bei Patienten der Mesalazin-Gruppe mit 3 mal 400 mg Mesalazin. Patienten beider Gruppen erhielten daneben bei milder Proktitis im akuten Schub Hydrocortison-Einläufe und bei schwereren Verläufen 30 bzw. 60 mg Prednisolon/d oral. Hydrocortison-Einläufe wurden maximal 2 Wochen lang appliziert, die Prednisolon-Medikation über maximal 4 Monate ausgeschlichen. Alle 2 Monate erfolgten Nachuntersuchungen und bei Rezidivverdacht eine Bestätigung durch Sigmoidoskopie.

Die Eingangsdaten beider Gruppen waren gleich. Von 59 Patienten in der Mesalazin-Gruppe erreichten 44 (75%) die Remission, in der E.-coli-Gruppe 39 von 57 (68%, n.s.). Hinsichtlich der Zeit bis zur Remission fand sich ebenfalls kein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Die Nebenwirkungsrate war insgesamt gering und in beiden Gruppen gleich. Während der einjährigen Nachbeobachtung erlitten 32 Patienten (73%) in der Mesalazin-Gruppe und 26 Patienten (67%) in der E.-coli-Gruppe ein Rezidiv (Unterschied ebenfalls nicht signifikant). Die Autoren kommen zum Schluß, daß die Therapie und die Rezidivprophylaxe mit E. coli Nissle nach einwöchiger Vorbehandlung mit Gentamicin gleich wirksam wie Mesalazin ist.

Weiter zu prüfen ist nun, ob sich additive Effekte bei einer Kombinationstherapie von Mesalazin mit E. coli Nissle zeigen. Kritisch anzumerken ist, daß E.-coli-Präparate, Probiotika und „functional food“ durch die vertreibenden Firmen für eine Vielzahl von nicht haltbaren Indikationen beworben werden. Die hier berichteten positiven Ergebnisse können nicht auf andere, nicht geprüfte Indikationen übertragen werden. Eine lesenswerte Übersicht von G.T. Macfarlane und J. Cummings zu den Grundlagen und therapeutischen Möglichkeiten von Probiotika findet sich im British Medical Journal (1999, 318, 999). Die Autoren betonen darin, daß es notwendig ist, solche Behandlungsansprüche mit substantiellen Daten zu unterlegen und entsprechende klinische Prüfungen durchzuführen.

Fazit: Die Änderung der Darmflora mit E. coli Nissle ist eine interessante und gut verträgliche neuartige Behandlung zur Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa. Unklar ist derzeit jedoch, ob durch eine Kombinationstherapie mit Mesalazin auch additive Effekte zu erzielen sind.