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Fehlerhaftes Design und nicht korrekte Durchführung klinischer Studien zum Stellenwert von Antimykotika bei Tumorpatienten mit Neutropenie

Unter der Überschrift „Studienresultate fehlgedeutet, unterdrückt, verheimlicht”hat kürzlich der Herausgeber der pharma-kritik, Etzel Gysling, einen sehr kritischen Artikel zur häufig unzureichenden Transparenz klinischer Arzneimittel-Studien verfaßt. Seine einleitenden Sätze lauten: „Im Zeitalter der Evidence-Based Medicine neigen wir gerne dazu anzunehmen, daß die Methodologie klinischer Studien so zuverlässig und fehlerfrei sei, daß uns die entsprechenden Publikationen die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit vermitteln. Diese Annahme ist zu optimistisch oder zu naiv und es ist nützlich, sich von Zeit zu Zeit vor Augen zu halten, was alles schief gehen kann”(1).

Die Ende des vergangenen Jahres in JAMA publizierte Analyse klinischer Studien zum Vergleich der Wirksamkeit verschiedener Antimykotika bei Patienten mit Tumorerkrankungen und Neutropenie verdeutlicht eindrucksvoll die Richtigkeit dieser Aussage (2). H.K. Johansen und P.C. Gotzsche vom nordischen Cochrane Zentrum in Kopenhagen sind im Rahmen einer Metaanalyse, in der die Wirksamkeit des Imidazol-Antimykotikums Fluconazol (Diflucan), mit Amphotericin B hinsichtlich Verminderung der Letalität bei neutropenischen Tumorpatienten verglichen werden sollte, auf zahlreiche Fehler bei Planung, Durchführung, aber auch Publikation der verschiedenen Studien gestoßen. Eine über MEDLINE hinausgehende sorgfältige Literaturrecherche zu allen publizierten randomisierten Studien, die Flucanozal mit Amphotericin B verglichen, ergab 15, zunächst methodisch einwandfrei erscheinende und die Einschlußkriterien der Metaanalyse erfüllende Studien, die jedoch weiter analysiert wurden. Pfizer (Hersteller von Diflucan) unterstützte 9 der 15 Studien finanziell. Interessanterweise wurden 44% der in diesen Studien ausgewerteten Patienten im Rahmen von nur 3 größeren Studien behandelt, die alle ein dreiarmiges Design hatten und Fluconazol mit Amphotericin B und Nystatin verglichen. Die meisten der in diesen Studien behandelten Patienten (79%) erhielten Amphotericin B per os. Primärer Endpunkt der Metaanalyse, deren Ergebnisse an anderer Stelle ausführlich dargestellt werden (3), war die Gesamtletalität, sekundäre Zielkriterien u.a. die Häufigkeit invasiver Pilzinfektionen, die Notwendigkeit zusätzlicher antimykotischer Therapie und Nebenwirkungen, die zum Abbruch der Therapie führten. Es ist offensichtlich, daß bei einem derartigen Vergleich zwischen einem systemisch wirksamen Imidazol-Antimykotikum (Fluconazol), dem bei oraler Verabreichung nur topisch wirksamen Amphotericin B und einem weiteren Antimykotikum aus der Gruppe der Polyenantimykotika, das wegen ungenügender Resorption nur topisch anwendbar ist (Nystatin), eine überlegende Wirksamkeit von Flucanozal vorgetäuscht wird. Dementsprechend ergaben auch nicht-korrigierte Analysen, in denen Fluconazol mit oral verabreichten Polyenantibiotika (Amphotericin B plus Nystatin) verglichen wurden, einen Vorteil von Fluconazol hinsichtlich der Verminderung der Letalität und des Auftretens invasiver Mykosen. In einer korrigierten Metaanalyse zum Vergleich der Wirksamkeit von Fluconazol und Amphotericin B, in der die Daten früherer Metaanalysen zur Reduktion des relativen Risikos für invasive Infektionen durch Amphotericin B versus Plazebo berücksichtigt wurden, fand sich kein signifikanter Vorteil für Fluconazol. Versuche des Cochrane Zentrums, weitere Details zu diesen Studien bei den verantwortlichen Wissenschaftlern oder über Pfizer zu erhalten, blieben weitgehend erfolglos. Gründe für den sinnlosen Vergleich zwischen Fluconazol und nur topisch anwendbarer Antimykotika wurden in den 3 größeren Studien mit dreiarmigem Design nicht genannt. Darüber hinaus identifizierten Johansen und Gotzsche zumindest 2 Studien, deren Ergebnisse mehrfach publiziert wurden und dadurch die Aussage einer Metaanalyse verfälschen würden.

In einem begleitenden, lesenswerten Editorial zu dieser Metaanalyse werden weitere Beispiele für offensichtliche Verstöße gegen eine korrekte Durchführung und Publikation klinischer Studien zur Wirksamkeit von Arzneimitteln genannt (4).

Fazit: Wichtige Voraussetzungen für Metaanalysen sind u.a.: ein aussagekräftiges Design, eine korrekte Durchführung und Publikation randomisierter klinischer Studien, die (kürzlich begonnene) Registrierung aller laufenden kontrollierten klinischen Studien (5), insbesondere aber die Bereitschaft der für diese Studien verantwortlichen Wissenschaftler und der pharmazeutischen Industrie, alle wesentlichen Informationen auf Nachfrage zur Verfügung zu stellen. Geschönte klinische Studien zur Wirksamkeit von Arzneimitteln, wie beispielsweise der genannte Vergleich von Fluconazol mit Amphotericin B, verunsichern Ärzte und Patienten und verstoßen gegen prinzipielle medizinethische Grundsätze.

Literatur

1. Gysling, E.: pharma-kritik 1998, 11, 43.
2. Johansen, H.K., und Gotzsche, P.C.: JAMA 1999, 282, 1752.
3. Johansen, H.K., und Gotzsche, P.C.: Oxford, England: Cochrane Library, Update Software; 1998, issue 3.
4. Rennie, D.: JAMA 1999, 282, 1766.
5. http://www.controlled-trials.com/home_page.cfm