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Chronische Hepatitis B und C. Aktueller Stand der Therapie

Für Therapie-Entscheidungen bei chronischer Hepatitis B und C ist es wichtig zu wissen, ob bei einem Patienten noch eine Vermehrung des Virus (Replikation) stattfindet und wie stark diese ist. Der Nachweis ist durch Bestimmung der DNS des Hepatitis-B-Virus bzw. der RNS des Hepatitis-C-Virus im Serum möglich. Zur Einschätzung der Aktivität des Krankheitsprozesses (Ausmaß der Entzündung) sowie eines eventuell bereits vorhandenen fibrotischen oder zirrhotischen Umbaus der Leber ist die histologische Untersuchung nach wie vor am aussagekräftigsten.

Hepatitis B: Bei chronischer Hepatitis B mit aktiver Virusreplikation (HBe-Ag positiv oder HBV-DNS im Serum positiv) stehen alternativ zwei Pharmaka zur Verfügung: lnterferon alfa und das Nukleosid-Analogon Lamivudin. Unter der Behandlung mit Interferon alfa-2a (Roferon-A) oder lnterferon alfa-2b (Intron A) in einer Dosis von 3 mal 6 Mio. I.E./Woche s.c. 4-6 Monate lang ist ein Therapieerfolg im Sinne einer Beendigung der Virusreplikation bei etwa 40% der Patienten zu erwarten (1). Kontraindikationen sind jedoch unbedingt zu beachten. Hierzu gehören u.a.: Leberzirrhose im Child-Stadium C, Thrombozytopenie < 50/nl, Leukopenie < 1,5/nl, aktuell bestehende Depression, Autoimmunerkrankungen, aktuelle Drogen- oder Alkoholabhängigkeit, Schwangerschaft, Zustand nach Organtransplantation und Psychosen. Alternativ kann Lamivudin (Zeffix; 100 mg/d oral) eingesetzt werden; allerdings muß länger als mit Interferon alfa behandelt werden bis sich ein Erfolg (Beendigung der Virusreplikation) in vergleichbarer Häufigkeit einstellt. Bei einer Therapiedauer von 4 Jahren findet sich bei etwa 47% der Patienten keine Virusreplikation mehr (2). Wesentliche unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) der insgesamt gut verträglichen Behandlung ist das Auftreten von Virusmutanten (insbesondere YMDD-Mutante) unter der Therapie. Ihr Einfluß auf den langfristigen Therapieerfolg kann allerdings noch nicht zuverlässig beurteilt werden. Patienten mit HBe-Antigen-negativer chronischer Hepatitis B (in Deutschland haben inzwischen gut die Hälfte der Patienten eine derartige Prä-Core-Mutante) sollten primär mit Lamivudin behandelt werden, da sie in der Regel sehr schlecht auf die lnterferon-Therapie ansprechen. Dies gilt auch für Patienten mit sehr hoher Viruslast (> 1000 pg HBV-DNS oder > 20 Mio. Kopien/ml). Im Stadium der Zirrhose (insbesondere wenn kein Child-Pugh-Stadium A mehr vorliegt) ist ebenfalls Lamivudin als primäre Therapie zu bevorzugen (s.a. 11). Für Lamivudin spricht im übrigen die Möglichkeit der oralen Applikation und der niedrigere Preis, für die Interferon-Behandlung die kürzere Therapiedauer. Bei Patienten, die auf eine der beiden genannten Substanzen ansprechen, ist auch mit einer histologischen Besserung zu rechnen (3, 4). Ob eine primäre Kombinationstherapie mit Interferon alfa plus Lamivudin Vorteile hat, ist derzeit noch nicht abschließend zu beurteilen (5).

Hepatitis C: Für die lndikation zur Behandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis C sind zunächst einige Charakteristika dieser Erkrankung zu bedenken. Hierzu zählen die häufig nur intermittierend erhöhten Transaminasen sowie die fehlende Korrelation zwischen Höhe der Transaminasen und dem Grad der entzündlichen Aktivität in der Leber. Dadurch kann der Schweregrad der Hepatitis erheblich unterschätzt werden; die Leberbiopsie hat hier eine besondere diagnostische Bedeutung. Außerdem besteht bei der chronischen Hepatitis C im Vergleich zur chronischen Hepatitis B eine noch stärkere Tendenz zur Entstehung hepatozellulärer Karzinome. Patienten mit Hepatitis C sollten daher möglichst frühzeitig erkannt und therapiert werden.

Der bisherige Therapiestandard bei chronischer Hepatitis C mit entzündlicher Aktivität und/oder Fibrose der Leber sowie bei kompensierter Leberzirrhose im Child-Stadium A war eine Kombinationstherapie mit lnterferon alfa (dreimal 3 Mio. I.E./Woche s.c.) und dem Nukleosid-Analogon Ribavirin (Rebetol; 1000 mg/d oral bei < 75 kg Körpergewicht; 1200 mg/d bei > 75 kg Körpergewicht; 6, 7). Bei dem in Deutschland häufigsten HCV-Genotyp 1 b sowie bei hoher Viruslast sollte diese Therapie 12 Monate lang, anderenfalls 6 Monate lang fortgeführt werden. Bei fast der Hälfte der Patienten kann mit dieser Therapie ein anhaltendes virologisches Ansprechen erreicht werden. Allerdings muß bei etwa 20% der Patienten die Behandlung wegen UAW (besonders Anämie) vorzeitig abgebrochen werden, so daß langfristig gut 40% der für diese Therapie in Frage kommenden Patienten auch davon profitieren. Als Kontraindikationen der Ribavirin-Therapie sind unbedingt zu beachten: Anämie, Hämoglobinopathien, Koronare Herzkrankheit, andere relevante Herz- und Lungenkrankheiten, Schwangerschaft, Stillperiode sowie Zweifel an einer verläßlichen Kontrazeption während der Therapie.

Eine Verbesserung der Therapieergebnisse läßt sich durch pegyliertes Interferon alfa erzielen. Wie auch bei anderen Arzneimitteln kann durch kovalente Bindung von linearem oder verzweigtem Polyäthylenglykol mit dem Interferon-Molekül die Pharmakokinetik des Interferons verändert, speziell die Halbwertszeit verlängert werden. Dadurch werden konstantere und über eine längere Zeit höhere Wirkkonzentrationen im Vergleich mit dem bisher verfügbaren konventionellen Interferon erreicht. In Deutschland ist zur Zeit pegyliertes Interferon alfa-2b (PegIntron) zugelassen. In einer Studie mit 1530 Patienten wurde pegyliertes Interferon in einer Dosis von 1,5 µg/kg Körpergewicht einmal pro Woche s.c. in Kombination mit Ribavirin oral gegeben. Darunter sprachen 61% der Patienten dauerhaft (d.h. Therapieerfolg auch noch 24 Wochen nach Therapieende nachweisbar) virologisch an, wenn die Ribavirin-Dosis mindestens 10,6 mg/kg Körpergewicht täglich betrug. Beim HCV-Genotyp 1 profitierten von dieser Therapie immerhin 43% der Patienten, beim Nicht-Typ 1 sogar etwa 80%. Die Ergebnisse dieser Studie sind allerdings bisher nur als Abstract publiziert (8). Durchaus vielversprechende Ergebnisse liegen auch mit einem in Deutschland bisher noch nicht zugelassenen pegylierten Interferon alfa-2a (Pegasys) vor, das eine noch längere Halbwertzeit als das vorgenannte hat. Unter einer Monotherapie (180 µg einmal/Woche s.c., Therapiedauer 48 Wochen) wurde bei 39% der 267 Patienten (88% hatten noch keine Zirrhose) ein dauerhaftes virologisches Ansprechen erreicht. In der Vergleichsgruppe mit Standard-Interferon alfa-2a (Roferon A; 12 Wochen lang 6 Mio. I.E. dreimal/Woche, danach 36 Wochen lang 3 Mio. I.E. dreimal/Woche s.c.) waren es nur 19% (9); hier bleiben die Effekte einer Kombination mit Ribavirin abzuwarten. Auch bei Patienten mit bereits vorhandener Zirrhose ist pegyliertes Interferon alfa-2a klinisch und virologisch deutlich wirksamer als Standard-Interferon alfa-2a (12). Für Patienten, die auf die genannte Therapie nicht ansprechen, existiert zur Zeit keine andere gesicherte Therapieempfehlung. In Frage kommt eine hochdosierte Behandlung mit Interferon alfacon-1 („Konsensus-Interferon“ = lnferax 9 Mikrogramm; Dosierung 9 µg dreimal/Woche s.c.) oder eine Kombinationsbehandlung bestehend aus Interferon, Ribavirin und Amantadin (10). Diese Patienten sollten allerdings möglichst innerhalb von Studien behandelt werden.

Allgemeine Aspekte und Alternativen: Ob auch bei fehlendem virologischen Ansprechen durch eine langfristige lnterferon-Therapie ein antifibrotischer Effekt in der Leber erreicht werden kann oder gar hepatozelluläre Karzinome verhindert werden, ist noch nicht abschließend zu beurteilen. Hier sind natürlich auch ökonomische Aspekte zu beachten. Auf jeden Fall ist bei chronischen Hepatitiden Alkohol zu meiden, da dieser das Entstehen einer Leberzirrhose und eines primären Leberzellkarzinoms begünstigt.

Bei dekompensierter Leberzirrhose auf dem Boden einer Hepatitis C bietet eine Lebertransplantation trotz der regelhaft im Transplantat rezidivierenden Hepatitis C prognostisch günstige Aussichten. Bei Hepatitis-B-induzierter Zirrhose ist außerhalb klinischer Studien eine Transplantation nur bei solchen Patienten angezeigt, bei denen keine Virusreplikation mehr vorliegt (HBV-DNS in der PCR negativ). Gegebenenfalls kann hier eine Vorbehandlung mit Lamivudin die entsprechenden Voraussetzungen schaffen.

Literatur

1. Wong, D.K., et al.: Ann. Intern. Med. 1993, 119, 312.
2. Chang, T.T., et al.: 10th Int. Symp. Viral Hepatitis. Atlanta, USA, 2000.
3. Core Working Party for Asian Pacific Consensus on Hepatitis B and C: J. Gastroenterol. Hepatol. 2000, 15, 825.
4. Petry, W., et al.: Z. Gastroenterol. 2000, 38, 77.
5. Schalm, S., et al.: Gut 2000, 46, 562.
6. Poynard, T., et al.: Lancet 1998, 352, 1426; s.a. AMB 1999, 33, 12.
7. McHutchinson, J., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 339, 1485.
8. Manns, M.P., et al.: 51st AASLD Symposium. Dallas, USA, 2000.
9. Zeuzem, S., et al.: N. Engl. J. Med. 2000, 343, 1666.
10. Brillanti, S., et al.: Hepatology 2000, 32, 630.
11. Villeneuve, J.P., et al.: Hepatology 2000, 31, 207; s.a.AMB 2000, 34, 68a.
12. Heathcote, E.J., et al.: N. Engl. J. Med. 2000, 343, 1673.