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Bei Patienten mit Hypothyreose-verdächtigen Symptomen, aber normalen Schilddrüsenwerten ist die Gabe von Thyroxin wirkungslos und nicht indiziert

Nicht selten sind die Schilddrüsenhormone und der TSH-Wert (ggf. auch der TRH-Stimulationstest) bei Patienten, die Symptome wie bei Hypothyreose haben, normal. Es gibt mehrere Publikationen, die dafür sprechen, daß solche Patienten vom Versuch einer Thyroxin-Gabe profitieren können. M.A. Pollock et al. aus Glasgow, die diese Arbeiten zitieren und auch selbst positive Behandlungsergebnisse bei solchen Patienten gesehen haben, führten bei 25 Patienten dieser Art und bei 19 gesunden Kontroll-Personen zum ersten Mal eine doppeltblinde, plazebokontrollierte Crossover-Therapiestudie mit 100 µg Thyroxin (T4) täglich 3 Monate lang durch (Brit. Med. J. 2001, 323, 891). Zwischen den Behandlungsperioden (zuerst T4, später Plazebo oder vice versa) wurde eine sechswöchige ”ashout”Periode eingehalten. Die Patienten mußten mindestens drei der folgenden Symptome haben, um an der Studie teilnehmen zu können: Müdigkeit, Lethargie, Gewichtszunahme, Kälteintoleranz, Haarausfall oder trockene Haut bzw. trockenes Haar. Patienten und Probanden durften keine akute Krankheit haben, kein Thyroxin genommen haben, und die Schilddrüsen-Tests mußten normal sein. Jeweils zu Beginn und am Ende einer zwölfwöchigen Behandlungsperiode wurden Blutdruck, Körpergewicht, freies T4 und T3, TSH und Cholesterin gemessen, kognitive und andere psychometrische Tests durchgeführt und das physische und psychische Befinden per Fragebogen eruiert.

22 Patienten und alle 19 Kontrollpersonen durchliefen die ganze Studie; 3 Patienten schieden schon sehr früh aus verschiedenen Gründen aus. Zu Beginn hatten die Patienten in 9 von 15 psychologischen Testparametern deutlich niedrigere Werte als die Kontrollen (offenbar als Ausdruck ihrer Gesundheitsstörung, die sie zum Arzt geführt hatte). In 3 von 15 psychologischen Parametern verbesserten sich die Patienten nach Plazebo deutlicher als die Kontrollen. Die Kontroll-Patienten fühlten sich nach Einnahme von T4 signifikant weniger ”ital”als nach Plazebo. Andere Tests fielen nicht unterschiedlich aus. Bei den Patienten ergab sich kein Unterschied in den psychologischen Tests und im Befinden nach T4 oder Plazebo außer einer signifikant schlechteren Leistung nach T4-Gabe in einem visuellen Reproduktionstest. Wie zu erwarten, stieg in beiden Gruppen nach T4-Gabe das freie T4 signifikant an, und TSH fiel signifikant ab, während sich freies T3 und Cholesterin nur minimal nach T4- oder Plazebo-Medikation unterschieden.

Fazit: Bei Patienten mit Symptomen, die an eine Hypothyreose denken lassen, die aber normale T3-, T4- und TSH-Werte haben, ist die Gabe von 100 µg Thyroxin/d nicht wirksamer als Plazebo. Eine T4-Substitution sollte nur bei biochemisch gesicherter Hypothyreose erfolgen. Bei älteren Patienten kann eine nicht indizierte T4-Gabe unerwünschte kardiale Wirkungen haben. Bei klinisch Gesunden mit normalen Schilddrüsenwerten hat die Gabe von T4 keinen positiven Effekt auf das Befinden.