Die Dekompensation einer chronischen
Myokardinsuffizienz ist unverändert einer der häufigsten Gründe für eine
stationäre Krankenhausaufnahme. Ursächliche Faktoren für eine kardiale
Dekompensation sind meist eine mangelnde medikamentöse Compliance, zu hohe
Flüssigkeits- und Natriumzufuhr, begleitende akute Infektionen und
Koronarischämien. Darüber hinaus kann auch eine Unterdosierung oder eine
eingeschränkte Bioverfügbarkeit von verordneten Diuretika zu kongestiver
Entgleisung der Herzinsuffizienz führen. Furosemid, das am häufigsten
verordnete Diuretikum bei Herzinsuffizienz, hat bei oraler Einnahme eine stark
schwankende Absorption mit einer Bioverfügbarkeit zwischen 10% und 90%.
Demgegenüber ist die Bioverfügbarkeit des Schleifendiuretikums Torasemid mit
76%-96% deutlich stabiler. Ein amerikanisches Autorenteam der Universität
Indiana veröffentlichte nun die Ergebnisse einer vergleichenden Studie zwischen
Furosemid und Torasemid in der Behandlung der Herzinsuffizienz (Murray, M.D.,
et al.: Am. J. Med. 2001, 111, 513). In der Studienplanung ging man
davon aus, daß die stabilere Pharmakokinetik von Torasemid in der Behandlung
der Herzinsuffizienz zu weniger Krankenhausaufnahmen wegen kardialer
Dekompensation führt. Sekundäre Endpunkte waren die Häufigkeit aller
Krankenhausaufnahmen und die gesundheitsbezogene "Lebensqualität". In
einem offenen (!) Studiendesign wurden 234 Patienten mit gesicherter
systolischer Herzinsuffizienz und bestehender Furosemid-Medikation in die
Studie eingeschlossen. Nach Randomisierung erhielten 121 Patienten weiterhin
Furosemid in einer mittleren Tagesdosis von 136 mg und 113 Patienten Torasemid
in einer mittleren Dosis von 72 mg. Am Ende der einjährigen Behandlungsphase
war die Furosemid-Dosis im Mittel um 36 mg/d erhöht worden, während Torasemid
in etwa unveränderter Dosierung gegeben wurde.
Beide Gruppen waren in den
Ausgangsdaten gleich. Das Durchschnittsalter betrug 64 Jahre, die mittlere
NYHA-Klasse 2,7 und die echokardiographische Verkürzungsfraktion des linken
Ventrikels 15%. Mit ACE-Hemmern waren etwa 80% der Patienten vorbehandelt, mit
Digitalis 65% und mit Betablockern 20%. Die mittlere Beobachtungszeit betrug
318 Tage in der Furosemid-Gruppe und 324 Tage in der Torasemid-Gruppe. Zu einer
kardialen Dekompensation mit stationärer Aufnahme kam es in diesem Zeitraum bei
39 Patienten (32%) in der Furosemid-Gruppe und bei 19 Patienten (17%) in der
Torasemid-Gruppe (p < 0,01). Auch die Häufigkeit aller Krankenhausaufnahmen
war in der Furosemid-Gruppe höher, allerdings nicht signifikant (92 vs. 80
Patienten). Die Messungen der "Lebensqualität" erfolgte nach 2, 4, 8
und 12 Monaten mit den Qualitäten Müdigkeit, Luftnot und psychisches
Wohlbefinden. Hier zeigte sich in der Torasemid-Gruppe zu allen Zeitpunkten
signifikant geringere Müdigkeit (p < 0,01) sowie tendenziell weniger
Luftnot; das psychische Wohlbefinden blieb unverändert. Unerwünschte Wirkungen
wurden bei 8 Patienten unter Furosemid (7%) und bei 13 Patienten unter
Torasemid (12%) beobachtet. Vor allem Schwindel war unter Torasemid häufiger.
Keine Gruppenunterschiede fanden sich in der medikamentösen Compliance, die mit
einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme von 85% recht hoch lag. In der
Diskussion folgern die Autoren, daß die stabilere Pharmakokinetik von Torasemid
klinisch relevant sein könnte. Eine Einschränkung erfahren die Ergebnisse durch
die fehlende Verblindung der Studienmedikation und die relativ kleine
Patientenzahl.
Kommentar der Redaktion: Diese offene Studie sieht einen Vorteil für
Torasemid. Wenn es aber um ”weiche” Endpunkte geht, wie z.B. ”Lebensqualität”,
sollten sowohl die Untersucher als auch die Patienten verblindet sein. Deshalb
ist dem Ergebnis nicht zu trauen. Eine frühere Untersuchung, ebenfalls
unverblindet, kam zu einer gegenteiligen Aussage (Noe, L.L., et al.: Clin.
Ther. 1999, 21, 854). Die Zeitschrift Pharmakritik, ebenso wie DER
ARZNEIMITTELBRIEF Mitglied der internationalen Vereinigung unabhängiger
Arzneimittel-Informationsblätter (ISDB), faßt den Vergleich der
Schleifendiuretika folgendermaßen zusammen: ”Obwohl es Konkurrenz gibt für
Furosemid durch Bumetanid (Burinex), Piretanid (Arelix) und Torasemid (Torem, Unat)
ist die Substanz nach wie vor das Mittel der Wahl. Sie ist insgesamt besser
dokumentiert und preiswerter als die Vergleichspräparate”. Es gibt daher keine
sachliche Begründung dafür, daß die Verordnung von Torasemid von Jahr zu Jahr
zunimmt. Mehr Erfolg als durch neue, teurere Analogpräparate kann in vielen
Fällen dadurch erzielt werden, daß alle Patienten vor der Verordnung von
Diuretika intensiv darüber aufgeklärt werden und daß Trinkmenge und
Salzgebrauch eingeschränkt werden müssen.
|