In seriösen
Zeitschriften und Vortragsveranstaltungen ist es üblich geworden, daß Autoren
angeben, mit welchen Firmen sie zusammenarbeiten und dafür Honorare oder
Drittmittel erhalten. Dadurch werden Leser und Zuhörer angeregt, darüber
nachzudenken, ob die Informationen möglicherweise auch nützlich sind für die
Sponsoren. Wenn sie das entdecken, werden sie mit besonders kritischer
Aufmerksamkeit die Beweiskraft der Ausführungen prüfen.
Leitlinien werden
erstellt, um die Praxis der Medizin zu beeinflussen; sie werden herausgegeben
von nationalen oder internationalen Berufsgesellschaften, Behörden oder
sachkundigen Spezialisten. Auch hier haben die Autoren nicht selten engen
Kontakt zur Pharmaindustrie. Diese Verbindungen werden aber so gut wie nie
offen gelegt.
Choudhry, N.K., et
al. (JAMA 2002, 287, 612) haben daher Autoren von Leitlinien nach ihren
honorierten Kontakten mit der Industrie befragt. Sie schrieben 192 Autoren von
44 Leitlinien an, die von nordamerikanischen und europäischen
Berufsgesellschaften zwischen 1991 und Juli 1999 herausgegeben worden sind. 100
Autoren beantworteten die Anfrage so, daß sie auszuwerten war. Damit gab es
Informationen zu 37 von 44 Leitlinien, die somit untersucht werden konnten. Die
Fragen zielten auf die Art der Zusammenarbeit, auf das Problembewußtsein der
Autoren bei der Erstellung der Leitlinie und auf die Einschätzung ab, ob die
Kooperation des Befragten und seiner Kollegen möglicherweise Einfluß auf die
Aussagen in der Leitlinie gehabt haben könnte.
87% der Autoren
berichteten von geschäftlichen Beziehungen zur pharmazeutischen Industrie. 58%
hatten finanzielle Unterstützung für Forschungsarbeiten erhalten und 38% hatten
als Angestellte oder Berater gearbeitet, im Mittel sogar mit 10,5 verschiedenen
Firmen. 81% der Autoren einer Leitlinie hatten solche Firmenkontakte. 59%
hatten Kontakte zu Firmen, die Medikamente herstellten, die in der Leitlinie
besprochen wurden. 55% der Autoren antworteten, daß beim Erstellen der
Leitlinie die Kontakte zu Firmen nicht offiziell angegeben werden mußten. So
fanden sich auch nur bei 2 der 44 untersuchten Leitlinien Angaben zu den
Firmenkontakten. 7% Autoren glaubten, daß ihre Verbindungen die Empfehlungen
beeinflussen könnten; 19% dachten, daß dies bei ihren Koautoren eine Rolle
gespielt haben könnte.
Insgesamt haben nur 100 von 192 angeschriebenen
Autoren die Anfrage beantwortet. Bei denen, die nicht geantwortet haben, ist
die Kooperation mit der Pharmaindustrie sicherlich nicht geringer. Daraus kann
man schließen, daß es für die Pharmaindustrie gute Möglichkeiten gibt, auf die
Aussagen von Leitlinien Einfluß zu gewinnen. Das Problem muß diskutiert und
auch in der Leitlinie selbst angesprochen sein, wenn sie ernst genommen werden
soll.
Fazit: Auch bei der
Lektüre von Leitlinien lohnt es sich zu fragen, wem sie wohl - außer den
Patienten - nutzen könnten. Finanzielle Abhängigkeit beeinflußt die
Meinungsbildung. Das ist alte Spruchweisheit. Besondere Aufmerksamkeit ist
angezeigt.
|