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Inhalatives Iloprost bei pulmonaler Hypertonie. Die AIR-Studie

Prostazyklin-Infusionen bessern die Symptome und gering auch die Prognose von Patienten mit schwerer pulmonaler Hypertonie (Barst, R.J., et al.: N. Engl. J. Med. 1996, 334, 296). Ein klinisches Problem dieser Therapie ist, daß Prostazykline eine kurze Halbwertszeit haben und durch Magensäure inaktiviert werden. Daher muß die Substanz bislang als Dauerinfusion über eine Pumpe und über einen zentralen Venenkatheter verabreicht werden. Außerdem muß die Dosis häufig gesteigert werden, da Toleranz entsteht; es treten auch viele unerwünschte Wirkungen auf. Diese Schwierigkeiten können nur durch Spezialteams gemeistert werden, so daß sich eine breite Anwendung nicht durchgesetzt hat.

Nun scheint eine wesentlich einfachere Applikation von Prostazyklin marktreif zu sein. An der II. Medizinischen Klinik der Universität Gießen wurde ein Prostazyklin-Inhalationssystem entwickelt und in einer multizentrischen Studie getestet (Olschewski, H., et al. (AIR = Aerosolized Iloprost Randomized Study Group): N. Engl. J. Med. 2002, 347, 322). Die Autoren weisen darauf hin, daß sie jederzeit Zugang zu allen Studiendaten hatten und daß sie die Analyse unabhängig vom Studiensponsor Schering durchgeführt haben.

Angewendet wurde das Prostazyklin-Analogon Iloprost (Ilomedin), welches eine längere Halbwertszeit hat als Prostazyklin. Die Substanz wird mit einer Salzlösung verdünnt über einen Vernebler mehrfach am Tag 10 Minuten lang inhaliert.

In die AIR-Studie wurden 203 Patienten eingeschlossen mit primärer pulmonaler Hypertonie (PH; 50%), mit chronischer thromboembolischer PH (28%), PH in Folge einer Kollagenose (17%) oder PH nach Appetitzüglergebrauch (4%); 67% der Patienten waren Frauen, und das mittlere Alter betrug 52 Jahre.

Wie krank diese Patienten waren, zeigen die nachfolgenden Daten. Die Dyspnoe dieser Patienten mußte trotz maximaler konventioneller Therapie (Antikoagulanzien, Diuretika, Kalziumantagonisten, Digitalis, Sauerstoffinhalationen) nach der NYHA-Klassifikation III oder IV betragen (Luftnot bei geringer körperlicher Belastung oder in Ruhe). Die Gehstrecke in 6 Minuten lag im Mittel bei 324 Metern.

Ausgeschlossen waren Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen, zusätzlicher Linksherzinsuffizienz oder einer fortgeschrittenen Leber- bzw. Niereninsuffizienz.

101 Patienten inhalierten 6-9 mal täglich Iloprost und 102 Patienten Plazebo. Es folgte eine dreimonatige Beobachtungsphase mit invasiven und nicht invasiven Kontrolluntersuchungen. Der primäre Studienendpunkt war die Zunahme der Gehstrecke im 6-Minuten-Gehtest und eine Verbesserung der NYHA-Klasse. Dieses Ziel wurde in der Iloprost-Gruppe statistisch signifikant (p = 0,007, OR 3,97) häufiger erreicht (s. Tab. 1). In Subgruppenanalysen zeigte sich, daß sich die Patienten mit primärer PH deutlich stärker als die übrigen Patienten klinisch verbesserten. Auch bei den sekundären Endpunkten schnitten die Iloprost-Patienten günstiger ab. Bei der per Fragebogen ermittelten „Lebensqualität“ fand sich eine signifikante Besserung in der Iloprost-Gruppe und ein Gleichstand in der Plazebo-Gruppe. Die invasiven hämodynamischen Daten verschlechterten sich unter Plazebo am Studienende leicht, blieben aber stabil in der Verum-Gruppe. Auch beim klinischen Verlauf schnitten Patienten mit Iloprost besser ab: es kam seltener zu klinischen Verschlechterungen (4,9% vs. 11,8%), und es ereigneten sich weniger Todesfälle (1 vs. 4).

An dieser Stelle muß kritisch angemerkt werden, daß die Kontroll-Gruppe nur Plazebo-Aerosol und keine Prostazyklin-Infusionen erhalten hat. Bei so kranken Menschen ist eine Plazebo-Kontrolle, wenn es ein nachgewiesen wirksames Therapieprinzip gibt, sehr problematisch. Dieses ideale Studiendesign ist jedoch nur sehr schwer umzusetzen, da schließlich alle Patienten zentrale Venenkatheter und Infusionspumpen erhalten müßten.

Die Verträglichkeit von inhalativem Iloprost scheint gut zu sein. Insgesamt traten unerwünschte Wirkungen nicht signifikant häufiger mit Iloprost auf. Es kam jedoch gegenüber Plazebo gehäuft zu Synkopen (8% vs. 5%), vermehrt Husten (38% vs. 25%), Flush-Symptomatik (26% vs. 9%) und Schmerzen beim Kauen (12% vs. 3%).

Fazit: Iloprost, 3 Monate lang als Aerosol appliziert, erzielt bei pulmonaler Hypertonie sowohl klinische als auch hämodynamische Verbesserungen. Wie bei anderen Therapieformen (s.a. AMB 2002, 36, 61) scheinen auch bei dieser Applikationsform Patienten mit primärer pulmonaler Hypertonie besser anzusprechen. Es muß nun untersucht werden, ob dieser Effekt länger anhält und wie diese einfach durchzuführende Therapie gegenüber der Infusionstherapie zu bewerten ist.

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