Patienten
mit angeborener Homozystinurie fehlt ein Homozystein-abbauendes Enzym. Schon in
jungen Jahren entwickeln sie eine schwere Koronarsklerose und thromboembolische
Erkrankungen. Es gibt aber auch eine mehr oder weniger ausgeprägte Enzymstörung
mit unterschiedlichen Konzentrationen von Homozystein im Blut. Andere
Stoffwechselstörungen kommen bei diesen Patienten nicht gehäuft vor. Auch diese
Patienten haben, wenn auch weniger deutlich, vermehrt Atherosklerose. Darin
sah eine Gruppe von epidemiologisch interessierten Kardiologen aus Southampton
und London (1) die Möglichkeit, metaanalytisch nochmals zu untersuchen, ob
Homozystein-Konzentration im Serum und Atherosklerose wirklich kausal etwas
miteinander zu tun haben. Das ist von Bedeutung, weil die
Homozystein-Konzentration durch Gabe von Folsäure gesenkt werden kann.
Sie
fanden 72 Arbeiten, in denen sie das Vorhandensein des definierten Gendefekts
mit der Häufigkeit von Erkrankungen korrelieren konnten. Bei den Patienten mit
Gendefekt war für 5 µmol/l Erhöhung der Homozystein-Konzentration die
Häufigkeit von Koronarer Herzerkrankung, Thrombose und Schlaganfall um die
Faktoren 1,42, 1,60 und 1,65 statistisch signifikant erhöht. Darüberhinaus
fanden sie 20 Arbeiten, in denen prospektiv der Homozystein-Spiegel mit der
Häufigkeit der Erkrankungen korreliert werden konnte. Hier waren die Faktoren
für Koronare Herzkrankheit und Schlaganfall 1,32 und 1,65. Die Differenz war
ebenfalls statistisch signifikant. Für die Häufigkeit von Thrombosen gab es
keine prospektiven Untersuchungen.
Zur
Wirksamkeit von Folsäure, die Homozystein-Konzentration zu senken, und zur
Häufigkeit thromboembolischer Komplikationen zitieren sie eine randomisierte
Arbeit aus der Schweiz (2). Nach der Ballondilatation von Koronararterien waren
105 Patienten neben der üblichen Therapie entweder mit einer Kombination von 1
mg Folsäure plus 400 µg Vitamin B12 plus 10 mg Pyridoxin tgl.
behandelt worden oder mit Plazebo. Bei den mit Verum Behandelten sank der
Homozystein-Spiegel von 11,1 µmol/l auf 7,2 µmol/l. Bei einer
Kontroll-Koronarangiographie nach sechs Monaten war die Restenose-Rate und die
Progression der Erkrankung bei den Behandelten wesentlich (statistisch
signifikant) geringer. Die Aussagefähigkeit der Untersuchung wird durch die
geringe Zahl der Patienten eingeschränkt. Warum gibt es keine umfangreicheren
Therapiestudien? Ist die Intervention zu billig? Zitiert werden jedenfalls nur
noch zwei Studien an Patienten mit Hyperhomozysteinämie. In einer (3) kam es
unter der Behandlung mit B-Vitaminen zu zwei kardiovaskulären Ereignissen, wo
30 zu erwarten gewesen wären (nach früheren Vergleichsuntersuchungen), in einer
anderen wurden unter einer ähnlichen Therapie zwei Ereignisse beobachtet, wo 21
erwartet wurden (4).
Aus
allen Untersuchungen zusammengenommen wird berechnet, daß nach dem
augenblicklichen Stand des Wissens durch die Gabe von 0,8 mg Folsäure/d die
Homozystein-Konzentration um 3 µmol/l gesenkt werden kann und damit das Risiko
eines koronaren Ereignisses um 16%, einer Thrombose um 25% und eines
Schlaganfalls um 24%. Sicher werden diese rechnerischen Erwartungen bald
überprüft.
Fazit: Wenn
ein Patient fragt, was er zusätzlich zu allen anderen medikamentösen sekundären
Prophylaxen noch für sich tun könne, ist ein Multivitamin-Präparat mit tgl. 0,8
mg Folsäure zu empfehlen. Das ist preiswert, sehr wahrscheinlich wirksam, und
die Compliance ist möglicherweise gut, u.a., weil er es selbst bezahlt hat.
Literatur
- Wald, D.S., et al.:
Brit. Med. J. 2002, 325, 1202.
- Schnyder, G., et al.: N.
Engl. J. Med. 2001, 345, 1593.
- Mudd, S.H., et al.: Am.
J. Hum. Genet. 1985, 37, 1.
- Kluijtmans, L.A.J., et
al.: Am. J. Hum. Genet. 1999, 65, 59.
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