Im vergangenen Jahr haben wir über die
HERS-II-Studie zur Sekundärprävention der KHK und über die WHI-Studie zur
Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse bei postmenopausalen Frauen
berichtet (1). In beiden Studien wurde kein protektiver Effekt durch
kontinuierlich eingenommene konjugierte equine Östrogene (CEE) plus
Medroxyprogesteron-Azetat (MPA) als Gestagen gesehen. Im Lancet wurden jetzt
Ergebnisse der ESPRIT-Studie veröffentlicht und kommentiert (2, 3). Es wurde
der sekundär-präventive Effekt von 2 mg Östradiol-Valerat/d ohne Gestagen bei
1017 Frauen (Alter 50-69 Jahre), die kurz zuvor einen Herzinfarkt erlitten
hatten, zwei Jahre lang doppeltblind und randomisiert gegen Plazebo getestet. Endpunkte
waren Reinfarkte, kardiale und alle Todesfälle. Auch Frauen mit Uterus konnten
eingeschlossen werden, was besonders wegen der unregelmäßigen Blutungen zu
einer kumulativen ”Non-Compliance” von 57% in der Verum-Gruppe führte. Aber
auch in der Plazebo-Gruppe war die kumulative Non-Compliance hoch (37%).
Am Ende war die Zahl der Reinfarkte in
beiden Gruppen gleich und auch die Zahl der kardialen Todesfälle in der
Verum-Gruppe nicht signifikant niedriger. Auch bei den sekundären Endpunkten
Schlaganfall, TIA, Thrombosen, Lungenembolien, Mamma- und Uterus-Karzinome
sowie Frakturen ergaben sich in dieser Zwei-Jahres-Studie keine Unterschiede
zwischen den Gruppen, was angesichts der zu kleinen Patientinnenzahl nicht
wundert. Insgesamt war die ”statistische Power” dieser Studie zu gering, um in
zwei Jahren zu verläßlichen Aussagen zu kommen. Das Besondere an ESPRIT ist
aber die Tatsache, daß Östradiol und nicht CEE eingesetzt wurden und daß
zusätzlich kein Gestagen (z.B. MPA) gegeben wurde, das eventuelle günstige
kardiovaskuläre Effekte des Östrogens hätte antagonisieren können. Viele
Kritiker der HERS- und WHI-Studien vermuten nämlich, daß die ungünstigen
Ergebnisse durch die spezielle Östrogen-Mischung der CEE und das zusätzliche
Gestagen MPA mitbedingt sind. Aber auch in der ESPRIT-Studie gab es keine
Unterschiede: 62 Reinfarkte in der Verum- und 61 in der Plazebo-Gruppe. Damit
ist wegen der geringen statistischen Power von ESPRIT die Hypothese, daß
Östradiol besser für die Gefäße ist als CEE zwar nicht völlig vom Tisch; die
Verschreibung von CEE zur Kardioprotektion ist aber dennoch nicht indiziert und
schon gar nicht ohne Gestagen bei Frauen mit Uterus, die sich durch diese
”Therapie” nur Unannehmlichkeiten einhandeln.
Fazit: In der ESPRIT-Studie (mit geringer ”statistischer Power”)
erwies sich Östradiol-Valerat als ungeeignet für die Sekundärprophylaxe von
Herzinfarkten bei Frauen nach der Menopause.
Literatur
-
AMB 2002, 36, 67 und 68.
- The ESPRIT (OEStrogen
in the Prevention of ReInfarction Trial) team:
Lancet 2002, 360, 2001.
- Rossouw, J.E.: Lancet 2002, 360, 1996.
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