Wir haben schon
mehrfach über die verschiedenen Therapieoptionen beim akuten Myokardinfarkt
berichtet (vgl. 1). In den letzten Jahren haben sich sowohl die
Thrombolyseregime als auch die PTCA-Techniken deutlich weiterentwickelt. Eine
aktuelle Metaanalyse versucht, die beiden Revaskularisationsstrategien aus
heutiger Sicht gegenüber zu stellen (2).
In diese
Metaanalyse wurden 23 randomisierte Studien mit insgesamt 7739 Patienten
einbezogen, die eine Thrombolysetherapie mit einer Akut-PTCA verglichen haben.
Die Studien sind in ihrer Konzeption teilweise recht unterschiedlich. So ist
z.B. das Zeitfenster vom Infarkt- bis zum Therapiebeginn 5-36 Stunden (ein
Nutzen der Lyse jenseits der Sechs-Stunden-Grenze ist nicht gut belegt); ein
Therapie-Crossover (meist von Lyse zu PTCA) war nur in etwa der Hälfte der
Studien möglich, und in etwa einem Drittel der Studien war eine
Altersbegrenzung (meist < 75 Jahre) vorgegeben, was die Wirklichkeit nicht
richtig widerspiegelt. Besonders in den frühen Studien wurde mit Streptokinase
lysiert (eine weniger gute Thrombolyse), später dann mit akzeleriertem tPA.
Neue Thrombolyseregime, einschließlich der prähospitalen Lyse, sind in keiner
der Studien angewendet worden.
Unter
Berücksichtigung dieser und vieler anderer Einschränkungen, die bei einer
Metaanalyse gemacht werden müssen, fällt das Ergebnis zu Gunsten der Akut-PTCA
aus. Die Todesrate beträgt nach 30 Tagen 7% mit PTCA und 9% mit Thrombolyse,
die Schlaganfallrate 1% vs. 2% und der kombinierte Endpunkt (Tod, Reinfarkt,
Schlaganfall) 8% vs. 14%, jeweils zu Gunsten der PTCA. Dieses positive Ergebnis
für die Akut-PTCA bleibt auch bestehen, wenn eine längere Nachbeobachtungszeit
gewählt wurde.
Vor diesem
Hintergrund (”Primäre PTCA ist effektiver als Thrombolyse”) ist auch die
kürzlich publizierte PRAGUE-2-Studie aus Tschechien zu erwähnen (3). Hier wurde
multizentrisch untersucht, ob Patienten mit akutem Myokardinfarkt (< 12 h),
die in ein Krankenhaus ohne Katheterlabor eingeliefert werden, besser vor dort
thrombolytisch behandelt werden oder gleich zur Akut-PTCA weiterverlegt werden
sollen. 850 Patienten nahmen an dieser Studie teil; jeweils die Hälfte wurde
zur Lysetherapie (Streptokinase) randomisiert oder zur PTCA verlegt. Durch den
Transport entstand eine Therapieverzögerung gegenüber der Lyse von im Mittel 85
Minuten. Beim Transport traten bei 1,2% der Patienten bedrohliche
Komplikationen auf.
Die Studie wurde
vorzeitig abgebrochen, weil sich eine höhere Letalität in der Lysegruppe ergab
(10% vs. 6,8% nach 30 Tagen; p < 0,05). Nur bei Patienten, die innerhalb von
3 h nach Symptombeginn thrombolytisch behandelt wurden, fand sich eine gleich
hohe Letalität wie bei mit PTCA behandelten (7,4% vs. 7,3%). Bei Patienten, die
3-12 h nach Symptombeginn kamen, war der Unterschied erheblich (Letalität 15,3% vs. 6%; p < 0,02). Bei der
Interpretation dieser Studienergebnisse ist einschränkend zu bedenken, daß mit
Streptokinase ein Thrombolytikum verwendet wurde, das geringere Wiedereröffnungsraten
bewirkt als die Plasminogenaktivatoren (tPA, Tenekteplase usw.), was vielleicht
die relativ hohe Letalität in der Lysegruppe (10%) mit erklärt.
Fazit: Nach heutigem
Kenntnisstand ist beim akuten Myokardinfarkt die
Thrombolysetherapie nur innerhalb der ersten 3 Stunden nach Symptombeginn mit
der PTCA-Behandlung gleichwertig. Kommt der Patient zu einem späteren Zeitpunkt
in ärztliche Behandlung, sollte, wenn der damit verbundene Aufwand angemessen
ist, eine mechanische Rekanalisation angestrebt werden. Thrombolyse und
Akut-PTCA schließen sich also nicht aus, sondern ergänzen sich. Welches
Therapieverfahren gewählt wird, hängt von der individuellen
Risikokonstellation, der bereits vergangenen Zeit und den örtlichen
Gegebenheiten ab.
Literatur
- AMB 2000, 34, 57.
- Keeley, E.C., et al.: Lancet
2003, 361, 13.
- Widimsky, P., et al.:
(PRAGUE-2 = PRimary Angioplasty in patients transferred from General
community hospitals to specialized PTCA Units with or without Emergency
thrombolysis): Eur. Heart
J. 2003, 24, 94.
|