Zusammenfassung: Von 1975 bis 1997 wurden
insgesamt 1223 neue arzneiliche Wirkstoffe in die Therapie eingeführt. Davon
sind 379 echte medizinische Fortschritte. Nur zehn dienen der Behandlung von
Tropenkrankheiten, an denen Milliarden von Menschen weltweit leiden und
sterben. Politik und Pharmaindustrie in den Staaten der nördlichen Halbkugel
haben in der nachkolonialen Zeit das Interesse an der Behandlung der Tropenkrankheiten
verloren. Nur Artemether, ein neues Malariamittel, wurde in China entwickelt.
Auch Produktion, Verkauf und Verteilung aller anderen Substanzen müssen von der
WHO und ihr nahestehenden Gruppen organisiert werden. So wird das in
Deutschland entwickelte und gegen Kala-Azar hochwirksame Miltefosin von einer
Public Private Partnership in Indien auf den Markt gebracht. Die Ӏrzte ohne
Grenzen” kümmern sich speziell um Eflornithin, um die neue Epidemie der
Schlafkrankheit einzudämmen. Eine Arbeitsgruppe der WHO hat sich zum Ziel
gesetzt, dafür zu sorgen, daß alle fünf Jahre ein neues Malariamittel auf den
Markt kommt, gegen das die Erreger noch keine Resistenz entwickelt haben. So
ist auch der Umgang mit tropischen Infektionskrankheiten ein Beispiel dafür, daß
es der Pharmaindustrie primär um Umsätze und Gewinne geht und nicht primär um
die Gesundheit der Bevölkerung.
1920 brachte Bayer das Präparat Bayer 205
(Germanin, INN Suramin) zur Behandlung der afrikanischen Schlafkrankheit auf
den Markt (1). Es war der erste Schwermetall-freie Wirkstoff zur Behandlung
einer Infektionskrankheit. Was bewog die Bayer AG, mit hohem Aufwand ein
Arzneimittel zu entwickeln zur Behandlung einer Infektionskrankheit, die in
Europa gar nicht vorkam?
1871 war Deutschland mit der Gründung des
Deutschen Reichs zu einer europäischen Großmacht aufgestiegen, und 1884 wurde
es Kolonialmacht. Die deutschen Kolonien - euphemistisch Schutzgebiete genannt
- lagen v.a. in Afrika. Ihre Fläche war sechsmal so groß wie die Fläche
Deutschlands. Die Bevölkerungszahlen waren niedrig. Verglichen mit Europa waren
es nahezu menschenleere Gebiete. Seit der Reichsgründung war die Bevölkerung in
Deutschland stark angewachsen, von 41 Millionen im Jahre 1871 auf 65 Millionen
im Jahre 1910. Die neu erworbenen Kolonien wurden als potentielles
Siedlungsgebiet für ein "Volk ohne Raum" (2) angesehen. Die
gesundheitlichen Risiken in den Kolonien waren hoch. Die Bekämpfung der
Tropenkrankheiten lag daher im politischen und wirtschaftlichen Interesse.
Nach dem Germanin entwickelte Bayer ein
ganzes Spektrum von Medikamenten zur Behandlung tropischer
Infektionskrankheiten und wurde auf diesem Gebiet zur weltweit führenden
Pharmafirma. Erwähnt seien hier nur die Malariamittel: Plasmochin (1924, INN
Pamaquin), Atebrin (1932, INN Quinacrine), Resochin (1934, INN Chloroquine, das
weltweit meist verwendete Malariamittel; international 1949 in die Therapie
eingeführt).
Tropenmedizinische Forschung war immer
stark von der Politik abhängig. So wurden während des 2. Weltkriegs sehr
umfangreiche Malaria-Forschungs-Programme in England und in den USA
durchgeführt und dort erneut während des Vietnam-Kriegs. Mit dem Ende der
Kolonialära erlosch bei den ehemaligen Kolonialmächten das politische und
wirtschaftliche Interesse an tropenmedizinischen Problemen. Das wirkte sich
auch auf die Pharmaindustrie aus; sie hat ihre Aktivitäten auf dem Gebiet der
Tropenmedizin weitgehend eingestellt.
Einige Zahlen sollen diese dramatische
Entwicklung illustrieren. In der Zeit von 1975-1997 wurden weltweit 1223 neue
synthetische Wirkstoffe in die Therapie eingeführt. 379 (31%) dieser Stoffe
bedeuten echte Fortschritte für die Therapie. Nur zehn dieser neuen Wirkstoffe
dienen der Behandlung von Tropenkrankheiten (Tab. 1; 3), an denen aber viel
mehr Menschen sterben als an "Zivilisationskrankheiten". Im Folgenden
wird die aktuelle therapeutische Situation bei verschiedenen Infektionen
besprochen (s.a. 13).
1. Protozoen-Infektionen: Alle nachfolgend erwähnten
Protozoen-Infektionen werden durch blutsaugende Insekten übertragen.
1.1 Malaria: Anopheles-Mücken, die Überträger der
Malaria, kommen weltweit vor. Die Malaria war daher früher auch in gemäßigten
Zonen eine weit verbreitete Krankheit. So wurden z.B. in Deutschland 1945-1947
13836 Malariafälle registriert; davon waren 3561 Infektionen in Deutschland
erworben worden (5). Die Situation änderte sich rasch. 1956 startete die WHO
ein Malaria Eradication Program, das zum Ziel hatte, die Malaria weltweit
auszurotten. Die wichtigste Rolle in diesem Programm spielte das DDT, ein
billiges hochwirksames Insektizid, für dessen Entdeckung der Chemiker Paul
Müller (1899-1965, Geigy Basel) 1948 den Nobelpreis für Medizin erhalten hat.
Dieses Programm war zu Beginn außerordentlich erfolgreich. Europa wurde
innerhalb weniger Jahre frei von Malaria. Einer der größten Erfolge wurde in
Indien erzielt, einem klassischen Malaria-Land, in dem es gelang, diese
Krankheit weitgehend unter Kontrolle zu bringen. Der Erfolg war leider nicht
von Dauer: seit Mitte der 1960er Jahre nehmen die weltweit registrierten
Malariafälle wieder kontinuierlich zu.
Mit Atovaquon/Proguanil (Malarone) und
Artemether/Lumefantrin (Riamet) sind nach längerer Zeit zwei in jeder Hinsicht
neue Malariamittel auf den Markt gekommen (s. Tab. 2). Gegen alle anderen zur
Verfügung stehenden Malariamittel sind Resistenzen weit verbreitet. Diese
prekäre Situation führte zu einem Comeback des Chinins, das bei Infektionen mit
multiresistenten Stämmen von Plasmodium falciparum (M. tropica) klinisch
eingesetzt wird.
Bisher wurden alle Arzneimittel zur
Behandlung tropischer Infektionskrankheiten von der Pharma-Industrie in den
Industrieländern entwickelt. Das hat die Entwicklungsländer in eine ohnmächtige
Abhängigkeit gebracht. Artemether, ein Derivat von Artemisinin, ist bisher die
einzige Ausnahme. Artemisinin ist ein Inhaltsstoff der Wurzeln von Artemisia
annua (Beifuß). Zubereitungen aus dieser Pflanze wurden in China seit über 1000
Jahren zur Behandlung fieberhafter Erkrankungen eingesetzt. Isolierung,
Strukturaufklärung und pharmakologische Untersuchung wurden in China ohne
ausländische Beteiligung durchgeführt (erste Publikation 1979). Auch die
Kombination Artemether/Lumefantrin wurde in China entwickelt. Novartis hat für
diese Kombination unter dem Namen Riamet den internationalen Vertrieb
übernommen
MMV = Medicines for Malaria
Venture (www.mmv.org.)
wurde als Non-profit-Organisation gegründet (12). Ziel dieser Organisation ist
es, alle fünf Jahre ein neues Malariamittel in die Therapie einzuführen. Die
Entwicklung erfolgt im Rahmen von Forschungsaufträgen, die von MMV finanziert
werden. Das erste in diesem Rahmen entwickelte Malariamedikament befindet sich
bereits in der klinischen Prüfung. Mit einer Zulassung wird 2004 gerechnet. MMV
ist kein Umsatz-orientiertes Pharmaunternehmen sondern mußte von der WHO
gegründet werden. Dort gibt es ein Tropical Disease Research
Program (4), ein Langzeitprogramm zur Bekämpfung der wichtigsten
Infektionskrankheiten, das die große Lücke stopfen helfen soll, die die Firmen
nicht stopfen wollen.
1.2 Trypanosomen-Infektionen:
1.2.1 Afrikanische Schlafkrankheit: Dies war die erste Tropenkrankheit, zu deren Behandlung
wirksame Arzneimittel zur Verfügung standen. In den ehemaligen belgischen und
französischen Kolonien im tropischen Afrika wurden durch Massenbehandlung mit
Suramin und Pentamidin erfolgreiche Kampagnen zur Eindämmung der
Schlafkrankheit durchgeführt. Die politischen Krisen in diesen Gebieten hatten
einen weitgehenden Zusammenbruch der medizinischen Infrastruktur zur Folge. Die
Schlafkrankheit ist dort heute wieder sehr verbreitet (6). Unbehandelt führt
diese Infektion zum Tod.
Alle Arzneimittel gegen die Afrikanische
Schlafkrankheit müssen parenteral appliziert werden (s. Tab. 3). Suramin und
Pentamidin sind nur im Frühstadium der Erkrankung wirksam, d.h. solange das ZNS
noch nicht befallen ist. Die hochtoxischen Arsenverbindungen sind ZNS-gängig.
Eflornithin ist auch im Spätstadium der Erkrankung wirksam, wenn Arsenverbindungen
versagen. Das verhalf ihm zu dem Namen "Resurrection Drug".
Eflornithin wurde bei Marion Merrell Dow ursprünglich als Zytostatikum
entwickelt. Die Wirkung war enttäuschend. In einem antiparasitären Screening
wurde eine Wirkung gegen Trypanosomen gefunden. Die Firma hat die Herstellung
des Wirkstoffs trotz der sich ausbreitenden Epidemie eingestellt und die
Restbestände der WHO zum Selbstkostenpreis angeboten. Die hohen Kosten von
Eflornithin (500 US $/Patient) und die Ungewißheit, ob ein neuer, billigerer
Produzent gefunden werden kann, stellten die Zukunft dieses Wirkstoffs, der
einen enormen Fortschritt in der Behandlung der afrikanischen Schlafkrankheit
bedeutet, in Frage.
DND = Drugs for Neglected Diseases
wurde als Arbeitsgruppe 1999 von den "Ärzten ohne Grenzen" (MSF, Médecins
Sans Frontières) gegründet (9, 10). Ihr Ziel ist es, in
Zusammenarbeit mit WHO/TDR Fachleute aus allen Gebieten der
Arzneimittel-Entwicklung mit Regierungsvertretern aus Industrie- und
Entwicklungsländern, mit Vertretern der Pharmaindustrie und mit potentiellen
Sponsoren (Stiftungen etc.) zusammenzubringen, um Strategien zur Lösung der
Arzneimittelkrise zu erarbeiten.
Nun ist die Zukunft von Eflornithin
gesichert. Im Jahre 2001 kam es unter Vermittlung von DND zu einer Vereinbarung
mit Aventis. Diese stellt in Zusammenarbeit mit weiteren Pharmafirmen 60000
Dosen Eflornithin zur Verfügung. Das deckt den Bedarf für drei Jahre. Danach
soll das Präparat zu akzeptablen Kosten zur Verfügung stehen. An einer
kostengünstigeren Synthese und an einer oralen Applikationsform wird gearbeitet
(11).
1.2.2 Südamerikanische
Trypanosomiasis (Chagas-Krankheit, Trypanosoma cruzi): Die in Südamerika weit verbreitete
Chagas-Krankheit wird durch Wanzen (Triatoma) übertragen. Die Schaffung
wanzenfreier Schlafräume in den betroffenen Gebieten müßte diese Krankheit zum
Verschwinden bringen. Als Arzneimittel steht nur Lampit (Bayer 1969, INN
Nifurtimox) zur Verfügung. Die Behandlung ist langwierig und reich an
unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW).
1.2.3 Leishmaniasen: In Südamerika sind Haut- und
Schleimhaut-Leishmaniasen weit verbreitet; sie führen zu schlecht heilenden,
oft entstellenden Geschwüren. Die viszerale Leishmaniase (Kala-Azar) ist eine
schwere Allgemeinerkrankung, die unbehandelt zum Tod führt. Sie ist weit
verbreitet in den Tropen, Subtropen und auch im Mittelmeerraum.
Tab. 4 gibt eine Liste der zur Verfügung
stehenden Arzneimittel. Die ersten drei Wirkstoffe müssen parenteral über
längere Zeit appliziert werden; sie haben schwere UAW. 2002 erfolgte in Indien
die Zulassung für das erste oral applizierbare Mittel Miltefosin.
PPP = Public Private Partnerships
(7) versucht Partner aus dem öffentlichen Bereich (Internationale
Organisationen, Regierungen, akademische Forschung) und dem Privatbereich
(Pharmaindustrie, Stiftungen, philanthropische Institutionen)
zusammenzubringen.
Miltefosin ist das Ergebnis einer solchen
Zusammenarbeit (8). Der Wirkstoff wurde in Göttingen von den Professoren Eibl,
Nagel und Unger (Göttingen, Max-Planck-Institut/Universitätsklinik) in
Zusammenarbeit mit Asta Medica/Zentaris als Zytostatikum (Miltex) zur topischen
Behandlung einiger Formen von Hautkrebs entwickelt. Die Entwicklung einer
oralen Darreichungsform wurde abgebrochen, da es bei den zur Wirkung
erforderlichen hohen Dosen zu schweren gastrointestinalen UAW kam. 1992 konnte
gezeigt werden, daß Miltefosin nach oraler Applikation in Leishmaniase-Modellen
(Maus) hochwirksam ist und zwar bei Dosen, die wesentlich niedriger sind als
die für eine zytostatische Wirkung erforderlichen. In Zusammenarbeit mit
WHO/TDR und einer indischen Arbeitsgruppe erfolgte die klinische Entwicklung.
Im Juni 2002 erhielt Miltefosin (Impavido) in Indien die Zulassung zur oralen
Behandlung der viszeralen Leishmaniase (Kala-Azar). In Indien hofft man mit
Miltefosin ein Mittel zu haben, mit dem diese Krankheit in absehbarer Zeit
ausgerottet werden kann.
2. Helminthiasen
2.1 Schistosomiasis
(Bilharziose):
Schistosomen (Pärchenegel), die Erreger dieser Krankheit, leben in den großen
Venen, v.a. im Pfortadergebiet. Die Eier werden über Harn und Stuhl
ausgeschieden. Im Wasser entwickeln sich aus den Eiern Larven, sog. Mirazidien.
Diese befallen Wasserschnecken. Die Schnecken setzen Zerkarien frei, die
Menschen bei Kontakt mit verseuchtem Wasser infizieren, indem sie sich durch
die Haut bohren. Chronische Infektionen führen zu schweren
Allgemeinerkrankungen, z.B. auch Nieren- und Blasenschäden mit Makrohämaturie.
Die Krankheit war/ist in Ägypten so verbreitet, daß das Auftreten dieses
Symptoms bei Jungen als Beginn der Pubertät gedeutet wurde. Eine Spätfolge ist
die Entwicklung von Blasenkrebs, eine der häufigsten Krebsarten in Ägypten.
Die Infektion ist an die als Zwischenwirte
erforderlichen Wasserschnecken gebunden. Die Anlage von Stauseen und
Bewässerungssystemen in der Landwirtschaft hat zu einer starken Zunahme der
Infektionen in vielen tropischen und subtropischen Ländern geführt. Die Zahl
der Infizierten wird auf 200 Millionen geschätzt. Etwa 600 Millionen Menschen
sind infektionsgefährdet.
Mit einer einmaligen oralen Gabe von
Praziquantel (40 mg/kg KG) kann ein Patient von den Parasiten befreit werden
(s. Tab. 5). Die Verträglichkeit von Praziquantel ist sehr gut. Dieser
Wirkstoff ist daher für Massenbehandlungen gut geeignet. Zur Bekämpfung der
Wasserschnecken ist Niclosamid wirksam. Es wurde im Rahmen von
Schistosomiasis-Control-Programmen im großen Umfang zur Behandlung von
verseuchten Gewässern eingesetzt. Beide Stoffe sind in Deutschland als
Bandwurmmittel auf dem Markt.
Eines der am stärksten betroffenen Länder
ist Ägypten. Dort ist bereits eine Reihe von großen
Schistosomiasis-Control-Programmen durchgeführt worden. Kurzfristig waren die
Programme zwar sehr erfolgreich, jedoch kam es bei den behandelten, geheilten
Personen sehr bald zu Neuinfektionen. Das letzte große
Zehn-Jahres-Schistosomiasis-Control-Programm in Ägypten lief von 1988-1998. Im
Rahmen dieses Programms wurden 30 Millionen therapeutische Dosen von
Praziquantel verabreicht, d.h. über 50% der Bevölkerung wurden behandelt.
Gleichzeitig wurde Niclosamid in großem Umfang zur Schneckenbekämpfung
eingesetzt. Trotz dieses immensen Aufwands wird die Zahl der Infizierten in
Ägypten noch immer auf > 5 Millionen geschätzt. Der Erfolg dieses Programms
hängt ausschließlich von zwei Wirkstoffen ab: Praziquantel und Niclosamid. Je
häufiger diese zwei Stoffe eingesetzt werden, umso schneller ist mit dem
Auftreten von Resistenzen bei den Parasiten bzw. bei den Schnecken zu rechnen.
2.2 Filariosen: Dies sind durch blutsaugende Insekten
übertragene Wurminfektionen, die in tropischen Ländern weit verbreitet sind.
Hier wird nur auf die Onchozerkose (River blindness) eingegangen, die vor 30
Jahren die Hauptursache für Blindheit in Westafrika war. Durch infizierte
Simulien (Kriebelmücken, Sandfly) werden beim Stich Larven auf den Menschen
übertragen, aus denen sich im Verlauf von mehreren Monaten die adulten Würmer
(Makrofilarien) entwickeln. Die weiblichen Makrofilarien produzieren eine große
Zahl von Mikrofilarien, die in die Haut wandern und dort wieder von Simulien
beim Blutsaugen aufgenommen werden. Beim Eindringen der Mikrofilarien in die
Kornea kommt es zu Trübungen und Erblindung. Die Bekämpfung der Onchozerkose war
ein Schwerpunkt der WHO/TDR-Aktivitäten seit 1975 (OCP: Onchocerciasis Control
Programme). Dabei spielte die systematische Bekämpfung der
Überträger-Insekten mit Insektiziden eine bedeutende Rolle.
Suramin ist bis heute der einzige Wirkstoff, mit dem
die Makrofilarien abgetötet werden können, die Krankheit also geheilt werden
kann. Seine Wirksamkeit wurde 1947 durch Zufall entdeckt (1). Die Behandlung
ist risikoreich; Todesfälle während der Behandlung sind dokumentiert. Zu Beginn
des OCP-Programms war die Entwicklung eines makrofilariziden Wirkstoffs ein
Ziel. Das änderte sich, als Ivermectin zur Anwendung gelangte (s. Tab. 6). Mit
sehr geringen Dosen (0,05-0,2 mg/kg bzw. 3,5-14 mg/Patient alle 6 Monate)
gelingt eine temporäre Sterilisation der weiblichen Makrofilarien. Sie
produzieren dann keine Mikrofilarien mehr, und die Infektion kann von
befallenen Personen nicht mehr auf andere übertragen werden. Die Lebensdauer
der Makrofilarien beträgt allerdings bis zu 14 Jahren; deshalb muß die
Prophylaxe entsprechend lang durchgeführt werden. Das OCP-Programm wurde in elf
Ländern West-Afrikas durchgeführt. 1996 lebten in dem früher von der
Onchozerkose am stärksten betroffenen Gebiet 30 Millionen Menschen ohne
Infektionsgefahr. 200000 Erblindungen wurden verhindert. Es ist der bisher
größte Erfolg des WHO/TDR-Programms. Ein brauchbares Arzneimittel, mit dem man
Patienten von den Makrofilarien befreien kann, gibt es aber bis heute noch
nicht.
Literatur
-
Hawking,
F.: Adv. Pharmacol.
Chemother. 1978, 15, 289.
-
Hans Grimm: Volk ohne
Raum. Roman. A. Langen Verlag München, 1926.
-
Pécoul, B.,
et al.: JAMA 1999, 281, 361.
- www.who.int/tdr. Informationen
zu allen Themen dieser Arbeit können dort gefunden werden.
-
Findlay,
G.M.: Recent advances in chemotherapy II,1. London 1951.
-
Sleeping
sickness on the boil: TDR News 1994, 46, 6.
-
Buse, K., und Walt,
G.: Bull. World
Health Organ. 2000, 78, 549 und 2000, 78, 699.
-
Engel, J.:
Miltefosine, the story of a successful partnership. TDR News 2002, 68.
-
Trouiller,
P., et al.: Lancet 2002, 359, 2188.
-
www.accessmed-msf.org/dnd/
-
New lease
of life for resurrection drug: TDR News 2001, 64, 18.
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www.mmv.org
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65.
- B. Natriumstiboglukonat, Pentostam; Megluminantimonat,
Glucantime)
- ·
Pentamidin
(Pentacarinat, 1942)
- ·
Amphotericin
B (Ambisome, 1956)
- ·
Miltefosin
(Miltex, Impavido, 2002)
- Tabelle 5
- Bekämpfungsmaßnahmen und Wirkstoffe gegen
Schistosomiasis (Bilharziose)
- Bekämpfungsmaßnahmen:
- ·
Versorgung der
Bevölkerung mit einwandfreiem Trink- und Brauchwasser
- ·
Geordnete Beseitigung
menschlicher Fäkalien, um zu verhindern, daß Wurmeier in offene Gewässer
gelangen
- ·
Bekämpfung der
Wasserschnecken, die als Zwischenwirte der Parasiten dienen
- ·
Chemotherapeutische
Behandlung infizierter Personen
- Wirkstoffe:
- ·
Praziquantel (1980,
Biltricide, Cesol, Cysticide)
- ·
Oxamniquin (1981,
Mansil; begrenztes Wirkungsspektrum)
- ·
Niclosamid (Yomesan;
zur Schneckenbekämpfung)
- Tabelle 6
- Arzneimittel gegen Filariosen
- ·
Suramin (1920, makro-
und mikrofilarizid)
- ·
Diethylcarbamazin
(1947, Banocide; nur mikrofilarizid)
- ·
Ivermectin (1987,
Mectizan; nur prophylaktisch wirksam)
|