Wir
haben im Januar 2003 erstmals über Ximelagatran (Exanta), ein neues, oral
verabreichbares Antikoagulans bei der Indikation Beinvenen-Thrombose berichtet
(1). Das besondere an dieser Substanz ist, daß die INR-Kontrollen, wie sie bei
den Vitamin-K-Antagonisten notwendig sind, entfallen. Außerdem soll es weniger
Interaktionen mit anderen Substanzen und mit der Nahrung geben. Nun soll die
Indikation von Ximelagatran ausgeweitet werden. Die ESTEEM-Studie untersuchte
den Nutzen der Substanz in der Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt (2). Eine
bei weitem interessantere Indikation wird aber Vorhofflimmern sein; hierzu ist
die SPORTIF-III-Studie unterwegs.
In der
Phase-II-Studie ESTEEM wurden multizentrisch in Europa 1883 Patienten nach
akutem Myokardinfarkt eingeschlossen. Sie erhielten neben der üblichen
Basismedikation (Azetylsalizylsäure = ASS; 160 mg/d) zusätzlich 6 Monate lang
Ximelagatran in vier unterschiedlichen Dosierungen (24-36-48-60 mg, zweimal
täglich als Tablette) oder Plazebo. Primärer Endpunkt war das Auftreten eines
oder mehrerer von drei definierten Ereignissen: Tod, nicht-tödlicher
Herzinfarkt, Reischämie. Weiteres Studienziel war die Sicherheitsanalyse.
Wichtige Ausschlußkriterien waren u.a.: kurz zurückliegende oder geplante PTCA,
bekannte Blutungsneigung, Thrombozytenzahl unter 100000/µl, Kreatininclearance
unter 30 ml/min oder bekannte Lebererkrankung bzw. Erhöhung der Transaminasen.
Ergebnisse: Nach
sechsmonatiger Beobachtungszeit hatten 39% in den Verum- und 32% in der
Plazebo-Gruppe die Studie vorzeitig beendet, entweder wegen Erreichen eines
Endpunkts oder wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW). Nach der
Intention-to-treat-Analyse trat in den Kombinationsgruppen (ASS/Ximelagatran)
signifikant seltener der kombinierte Endpunkt auf (13% vs. 16%, p = 0,0357).
Der Unterschied zu Plazebo entstand durch weniger Reischämien und Reinfarkte.
Die Kaplan-Meier-Kurven der beiden Behandlungsgruppen entfernen sich aber nur
in den ersten 30 Tagen voneinander, danach laufen sie nahezu parallel.
Hinsichtlich der Effektivität gab es keinen Unterschied zwischen den vier
gewählten Ximelagatran-Dosen.
Blutungskomplikationen
waren in den Kombinationsgruppen deutlich häufiger (22% vs. 13%) mit einer
Dosis-Wirkungs-Beziehung (19% bei 24 mg und 25% bei 48 mg Ximelagatran). Eine
weitere typische UAW von Ximelagatran ist die Erhöhung der Transaminasen, die
bei über 15% der Patienten beobachtet wurde (mit Plazebo 4%). Die genaue
Ursache und die Bedeutung dieser UAW ist noch nicht klar. Sie tritt 2-6 Monate
nach Therapiebeginn auf und scheint in den meisten Fällen transient zu sein,
auch wenn die Behandlung fortgesetzt wird.
Fazit: Ximelagatran hat,
zusammen mit ASS zur Sekundärprophylaxe nach Myokardinfarkt verabreicht, einen
begrenzten additiven Nutzen im Vergleich mit ASS allein. Wenn man bei stark
erhöhtem Rezidivrisiko einen Kombinationspartner zur ASS sucht, wird man aus
heutiger Sicht aber eher einen ADP-Rezeptor-Blocker (z.B. Clopidogrel) wählen.
Daher wäre auch der Vergleich mit einem solchen Regime aufschlußreicher
gewesen. Die ESTEEM-Studie zeigt auch, daß Ximelagatran nicht so
unproblematisch ist, wie oft angegeben wird. Es sind zwar keine INR-, dafür
aber vermehrt Kontrollen der Leberenzyme notwendig, und die offensichtliche
Beeinflussung des Leberstoffwechsels machen auch Arzneimittelinteraktionen
durchaus wahrscheinlich.
Literatur
- Eriksson, B.I., et al. (METHRO II = MElagatran
for THRombin inhibition in Orthopedic surgery II): Lancet 2002, 360,
1441; s.a. AMB 2003, 37, 4.
- Wallentin, L., et al.
(ESTEEM = Efficacy and Safety of the oral direct Thrombin
inhibitor ximelagatran in patients with rEcEnt Myocardial
damage): Lancet 2003, 362, 789.
|