Wir haben kürzlich über das erfreuliche Ergebnis
einer in Frankreich durchgeführten Fall-Kontroll-Studie berichtet, die ergeben
hatte, daß transdermal zugeführtes Estradiol (auch mit Gestagen), im Gegensatz
zu oralen Präparaten zur Hormonersatz-Therapie (HRT), nicht mit einem erhöhten
Thrombose-/Embolie-Risiko behaftet ist (1). Oral zugeführte Östrogene, die beim
”First pass” via Pfortader in relativ hoher Konzentration die Leber
durchfließen, induzieren die Synthese zahlreicher hepatischer Proteine, u.a.
Angiotensinogen, Gerinnungs- und Fibrinolysefaktoren. Dies ist ein plausibler
Grund, vielleicht aber nicht der einzige, für das erhöhte Thrombose-Risiko bei
Frauen, die orale Kontrazeptiva oder HRT-Präparate anwenden. Orale
Kontrazeptiva enthalten fast alle 20-30 µg Ethinylestradiol/d, das von der
Leber nur mit Mühe verstoffwechselt wird und die hepatischen Proteine deutlich
stärker induziert als 1 oder 2 mg orales Estradiol. Unter dem Einfluß von
transdermalem Estradiol bleibt die hepatische Protein-Induktion völlig aus (2,
3), was wahrscheinlich den fehlenden prothrombotischen Effekt der transdermalen
HRT erklärt. Ethinylestradiol hingegen induziert die hepatischen Proteine
unabhängig davon, an welcher Stelle es in den Körper aufgenommen wird (4).
Deshalb ist es auch kein geeigneter Kandidat für die transdermale
Kontrazeption, wenn man kardiovaskuläre Nebenwirkungen hormonaler Kontrazeptiva
reduzieren will (5).
Die Firma Janssen-Cilag hat kürzlich das vom Johnson
Pharmaceutical Research Institute entwickelte erste transdermale Kontrazeptivum
Evra auf den Markt gebracht, das einmal pro Woche 3 Wochen hintereinander auf
die Haut geklebt wird, gefolgt von einer Woche Pause, während der die
Abbruchblutung einsetzt. Das 20 cm2 große Pflaster enthält
Ethinylestradiol und das Gestagen Norelgestromin und setzt von ersterem ca. 20
µg und von letzterem ca. 150 µg/d frei. Norelgestromin ist der erste aktive
Metabolit des bekannteren Norgestimat, das klinisch bereits gut erprobt ist.
Wenn das Pflaster gut klebt (man kann mit ihm duschen und baden, darf die
Umgebung aber nicht mit fetthaltigen Cremes etc. einreiben), dann ist die
kontrazeptive Sicherheit ähnlich hoch wie mit typischen kombinierten oralen
Kontrazeptiva. In der ersten Zeit der Anwendung kommt Spannung in der Brust mit
dem transdermalen Präparat etwas häufiger vor als mit einem oralen. Ansonsten
ist die Verträglichkeit laut einer Übersichts-Publikation (6) gut. Die
hepatischen Gerinnungs- und Fibrinolyse-Faktoren werden aber genauso induziert
wie bei oraler Zufuhr von Ethinylestradiol (6). Natürlich kann man kurze Zeit
nach der Zulassung noch keine statistisch gesicherten Aussagen über das
Thrombose-Risiko machen. Die Erwartung, daß das transdermale Präparat in
ähnlicher Weise mit vermindertem Thrombose-Risiko behaftet ist wie transdermale
HRT-Präparate, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Allerdings wirbt die
Herstellerfirma hiermit auch nicht.
Fazit: Für
manche Frauen mag ein transdermales hormonales Kontrazeptivum angenehmer sein
als die tägliche ”Pille”. Das hier besprochene Präparat läßt jedoch im
Vergleich mit der ”Pille” kein reduziertes Thromboembolie-Risiko erwarten. Da
die transdermale Zufuhr von Estradiol, dem humanen Östrogen mit der stärksten
Wirkung, bei der ”HRT” sehr gut funktioniert, wäre es wünschenswert, wenn die
Pharmaindustrie die Möglichkeit der transdermalen Kontrazeption mit
Estradiol/Gestagen-Kombinationen mit Vorrang erforschen würde.
Literatur
-
AMB 2003, 37, 77.
-
De Lignieres, B., et al.:
J. Clin. Endocrinol. Metab. 1986, 62, 536.
-
Faguer de Moustier, B.F.,
et al.: Maturitas 1989, 11, 275.
-
Goebelsmann, U., et al.:
Am. J. Obstet. Gynecol. 1985, 151, 868.
-
Oelkers, W.: Steroids
1996, 61, 166.
-
Creasy, G.W.: Sem. Reprod. Med. 2001, 19, 373.
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