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Wirksamkeit von hochdosiertem Dexamethason in der initialen Behandlung der immunthrombozytopenischen Purpura (ITP)

Vor Diagnose einer ITP müssen andere Ursachen einer Thrombozytopenie, insbesondere eine durch Medikamente induzierte Thrombozytopenie (vgl. 1, 2), unter anderem anhand einer gründlichen Anamnese, körperlichen Untersuchung und Analyse des großen Blutbilds mit morphologischer Beurteilung des Blutausstrichs ausgeschlossen werden (3). Während bei Kindern die ITP meistens eine akute Erkrankung ist mit spontaner Normalisierung der Thrombozytenwerte innerhalb von Wochen bis Monaten, verläuft sie bei Erwachsenen häufig chronisch, und eine Behandlung wird bei asymptomatischen Patienten grundsätzlich erst bei Thrombozyten ≤ 30 ∙ 109/l empfohlen (3). Ziel der initialen Behandlung mit Glukokortikosteroiden, meistens Prednison (1-2 mg/kg Körpergewicht/d; besser Prednisolon), ist nicht die Normalisierung der Thrombozytenwerte im peripheren Blut, sondern die Vermeidung von Blutungen. Bereits 1994 wurde über die gute Wirksamkeit einer hochdosierten Gabe von Dexamethason (40 mg/d über 4 Tage) bei allerdings nur 10 vorbehandelten Patienten mit refraktärer ITP berichtet (s.a. 4). Weitere Untersuchungen zu dieser Therapie führten zu widersprüchlichen Ergebnissen (5). In einer größeren Kohortenstudie aus Hongkong wurde jetzt über die Wirksamkeit von hochdosiertem Dexamethason (40 mg/d über 4 Tage oral) bei Patienten mit neu diagnostizierter (entsprechend den Richtlinien der American Society of Hematology; 6) und nicht vorbehandelter ITP berichtet (7). Von 157 konsekutiven Patienten waren 125 Patienten (medianes Alter 44 Jahre; 85 Frauen, 40 Männer) auswertbar. Die Ausschlußgründe waren u.a.: Rezidiv einer ITP, systemischer Lupus erythematodes, Vorbehandlung mit Glukokortikosteroiden wegen anderer Erkrankungen. Alle Patienten hatten Thrombozytenwerte < 20 ∙ 109/l oder < 50 ∙ 109/l und gleichzeitig klinisch relevante Blutungen (durchschnittlicher Thrombozytenwert vor Behandlung: 12,2 ∙ 109/l). Als Ansprechen wurde ein Anstieg der Thrombozyten um mindestens 30 ∙ 109/l bzw. auf > 50 ∙ 109/l am Tag 10 nach Beginn der Behandlung und Sistieren der Blutungen gewertet. Als anhaltendes Ansprechen galten Thrombozyten > 50 ∙ 109/l nach sechsmonatiger Beobachtung. 106 der 125 Patienten mit ITP (85%) sprachen initial auf das hochdosierte Dexamethason an. Nach einer medianen Beobachtungsdauer von 30,5 Monaten lagen 6 Monate nach Gabe von Dexamethason bei 53 der 106 Patienten (50%) die Thrombozytenwerte > 50 ∙ 109/l, und die Patienten benötigten keine weitere Therapie. Alle Patienten mit Rezidiv nach Dexamethason sprachen auf einen zweiten Kurs mit hochdosiertem Dexamethason an, und bei etwa der Hälfte dieser Patienten konnten durch eine niedrigdosierte Erhaltungstherapie mit Prednison (≤ 10 mg/d) die Thrombozytenwerte > 50 ∙ 109/l gehalten werden. Thrombozytenwerte < 90 ∙ 109/l am Tag 10 nach Beginn der initialen Gabe von Dexamethason waren mit einem hohen Risiko für ein Rezidiv der ITP verknüpft (21/26 Patienten versus 5/80 Patienten mit Thrombozyten ≥ 90 ∙ 109/l; p = 0,001). Insgesamt 45 der 125 Patienten benötigten andere Therapien (z.B. Splenektomie, Immunglobuline i.v., anti-D-Immunglobuline, Danazol, Vinca-Alkaloide), da sie initial nicht auf Dexamethason ansprachen oder Rezidive hatten und höhere Erhaltungsdosen von Prednison benötigten.

Die Therapie mit hochdosiertem Dexamethason wurde, auch von Patienten mit essentieller Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2, gut vertragen. Ernste unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die zum Absetzen von Dexamethason führten, traten nicht auf.

Fazit: Eine viertägige hochdosierte Gabe von Dexamethason ist eine gut verträgliche, in der Wirksamkeit mit der Standardtherapie (Prednison) vergleichbare, initiale Behandlung der ITP. Vorteile des hochdosierten Dexamethason gegenüber der Standardtherapie sind die kurze Dauer der Behandlung, die niedrigen Kosten und das Vermeiden der bei längerfristiger Gabe von Prednison häufigen UAW. Trotzdem wird in einem Editorial zu dieser Arbeit die hochdosierte Gabe von Dexamethason derzeit nicht als initiale Standardtherapie der ITP akzeptiert, sondern zunächst die Bestätigung der Ergebnisse durch eine weitere größere Studie gefordert (5). Auch in den kürzlich von der British Society of Haematology publizierten Richtlinien zur Diagnostik und Therapie der ITP wird die hochdosierte Gabe von Dexamethason erst nach Versagen der konventionellen Therapie mit Prednison empfohlen (3).

Literatur

  1. AMB 1994, 28, 13.
  2. AMB 2000, 34, 15.
  3. Guideline: Br. J. Haematol. 2003, 120, 574.
  4. AMB 1994, 28, 64.
  5. George, J.N., und Vesely, S.K.: N. Engl. J. Med. 2003, 349, 903.
  6. George, J.N., et al.: Blood 1996, 88, 3.
  7. Cheng, Y., et al.: N. Engl. J. Med. 2003, 349, 831.