Das Senken eines erhöhten Blutdrucks kann die
Entwicklung der Atherosklerose bremsen und die Zahl der Komplikationen
(Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall) vermindern. Dies wurde zunächst
für die Diuretika-Therapie nachgewiesen (1), später auch für die Behandlung mit
Beta-Blockern (z.B. 2). Wenige Jahre später wurden ACE-Hemmer und
AT-II-Rezeptor-Blocker erfolgreich eingeführt (z.B. 5-7), und es entbrannte ein
Streit über den Stellenwert der Kalziumantagonisten, wobei vor allem das
Risikoprofil der Dihydropyridine (z.B. Hypotensionen) das Interesse an der
Substanzgruppe schmälerte (3, 4). Kalziumantagonisten, die die Herzfrequenz
nicht steigern, waren nicht eingehend für die Behandlung der Hypertonie
untersucht. In dieser Zeit wurde die INVEST-Studie konzipiert (8).
Zwei Behandlungsstrategien wurden offen, aber
randomisiert miteinander verglichen: A: Verapamil plus, bei unzureichendem
Erfolg, der ACE-Hemmer Trandolapril (Gopten®, Udrik®); B:
Atenolol plus ggfls. Hydrochlorothiazid. Alle Patienten mit Diabetes, Herz-
oder Niereninsuffizienz sollten auf jeden Fall als zweites Medikament
Trandolapril erhalten. War der Blutdruck auf diese Weise nicht befriedigend
einzustellen, konnten Medikamente der anderen Gruppe zusätzlich eingesetzt
werden. Eingeschlossen wurden 22576 Patienten mit Hypertonie, die älter als 50
Jahre waren und an einer Koronaren Herzkrankheit litten. Zielblutdruck war
140/90 mmHg bzw 130/85 mmHg bei gleichzeitigem Diabetes oder
Niereninsuffizienz. Primäre Endpunkte waren Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall;
weitere Endpunkte waren kardiovaskulärer Tod, Angina pectoris, Häufigkeit von
UAW, Krankenhausaufnahmen und Blutdruckwerte nach 24 Monaten.
Am Ende der Untersuchungsperiode nahmen in der Gruppe
A (Verapamil) 81,5% der Patienten diese Substanz noch ein, 63% nahmen auch
Trandolapril und 44% Hydrochlorothiazid. In der Gruppe B (Atenolol) nahmen
77,5% der Patienten noch ihr Ausgangsmedikament, 60,3% nahmen
Hydrochlorothiazid und 52,4 Trandolapril. Eine Monotherapie bestand bei 50%,
Zweifachkombinationen bei 34%, Dreifachkombinationen bei 12% und weitere
Kombinationen bei 4%. In beiden Gruppen wurden die Zielblutdruck-Werte
erreicht. Auch die primären Endpunkte wurden in beiden Gruppen gleich häufig
erreicht. Schlaganfälle waren etwas häufiger in Gruppe B, Herzinsuffizienz
häufiger in Gruppe A. Tendenziell gab es etwas häufiger Hyperglykämien in
Gruppe B; die Kaliumwerte wurden nicht mitgeteilt.
Bei diesem komplexen Studiendesign mit individuell
angepaßtem Therapieschema kann zur quantitativen Wertigkeit einzelner
Medikamente nicht Stellung genommen werden.Verapamil und Beta-Blocker sind in
gleicher Weise als Kombinationspartner zur antihypertensiven Therapie geeignet.
Ein Editorial in der gleichen Ausgabe des JAMA (9) empfiehlt darüber hinaus,
die kategorische Annäherung an das Problem ”Prävention” zu verlassen. Gemeint
ist der Streit um das beste Medikament, das in erster Linie eingesetzt und um
den wichtigsten Risikofaktor, der vor allem beachtet werden müsse. Der Effekt
der einzelnen bisher angewandten therapeutischen Strategien sei noch gering.
Selbst in Studien zu speziellen Therapien könne meist nur ein Drittel der
erwarteten Ereignisse verhindert werden. Ein ganzheitlicher Ansatz sei
erforderlich. In der INVEST-Studie wurde der Blutdruck in beiden Gruppen zwar
korrekt gesenkt, aber nur etwas mehr als die Hälfte der Patienten (mit
koronarer Herzkrankheit!) erhielt ASS und weniger als die Hälfte ein Statin.
Von Ernährungsprogrammen und Raucherentwöhnung ist gar nicht die Rede. Es gibt
verschiedene Möglichkeiten, die Hypertonie erfolgreich zu behandeln. Das
Problem besteht darin, diese Möglichkeiten in ein finanzierbares Gesamtkonzept
der Gesundheitsvorsorge einzubauen.
Fazit: Die
INVEST-Studie zeigt, daß Verapamil in gleicher Weise wie Atenolol zur
Monotherapie, vor allem aber zur Kombinationstherapie der Hypertonie eingesetzt
werden kann. Die Studie ist nicht geeignet, zum quantitativen therapeutischen
Wert aller Kombinationspartner, auch der ACE-Hemmer und Diuretika, Stellung zu
nehmen. Sie weist einmal mehr darauf hin, daß die Art des Medikaments
nachrangig zu sein scheint. Das Problem Prävention muß mit einem
(finanzierbaren) Netzwerk von Maßnahmen gelöst werden.
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