Die postoperative
adjuvante Therapie mit Tamoxifen über 5 Jahre bei postmenopausalen Frauen mit
Östrogen-Rezeptor-positivem Mammakarzinom gilt heute im frühen Stadium dieser
Tumorerkankung weltweit als Standard (vgl. 1). Dadurch konnte das Risiko, am
Mammakarzinom zu sterben, um etwa 25% gesenkt und eine absolute Verbesserung im
Überleben nach 10 Jahren um 10% bei nodal-positiven bzw. 5% bei nodal-negativen
Patientinnen erreicht werden (3). Vor etwa 7 Jahren begannen Studien zur
adjuvanten Hormontherapie mit Aromatasehemmern der dritten Generation (z.B.
Exemestan, Anastrozol, Letrozol) mit dem Ziel, die Therapieergebnisse der
adjuvanten Therapie weiter zu verbessern und unerwünschte Arzneimittelwirkungen
(UAW) des Tamoxifens (z.B. Endometriumkarzinom, Thromboembolien, Hitzewallung;
vgl. 2) zu vermeiden. Vorläufige Ergebnisse der ATAC-Studie sprechen nach einer
medianen Beobachtungsdauer von nur 33 Monaten für eine geringe, aber
statistisch signifikante Reduktion der Rezidivrate unter Anastrozol (Arimidex®)
im Vergleich zu Tamoxifen (4). Da in dieser Studie bisher keine signifikanten
Unterschiede im Gesamtüberleben beobachtet wurden und Langzeitergebnisse
hinsichtlich Verträglichkeit und Wirksamkeit von Anastrozol nicht vorliegen,
empfehlen derzeit die American Society of Oncology (5) und die St.
Gallen-Konferenz (6) eine adjuvante Therapie mit Anastrozol nur bei
postmenopausalen Frauen mit Kontraindikationen für oder Unverträglichkeit von
Tamoxifen. Im N. Engl. J. Med. sind jetzt die Ergebnisse einer weiteren großen
Studie zum Stellenwert der Aromatasehemmer in der adjuvanten Therapie bei
postmenopausalen Frauen erschienen (7). Diese von Novartis Pharmaceuticals
unterstützte doppeltblinde, plazebokontrollierte Phase-III-Studie ging der
Frage nach, ob die Unterdrückung der Östrogenproduktion durch Gabe von Letrozol
(Femara®) nach ca. 5 Jahren adjuvanter Therapie mit Tamoxifen das
erkrankungsfreie Überleben (primärer Endpunkt) verlängern kann. Sekundäre
Endpunkte der Studie waren das Gesamtüberleben, die ”Lebensqualität” und die
langfristige Sicherheit der antihormonellen Therapie. Insgesamt 5157
postmenopausale Frauen (medianes Alter: 62 Jahre) mit vorausgegangener Gabe von
Tamoxifen über 4,5-6 Jahre und Östrogen- und/oder Progesteron-positivem
Mammakarzinom wurden eingeschlossen, mit täglich 2,5 mg Letrozol oder Plazebo
(jeweils per os) behandelt und entsprechend dem ”Intention-to-treat”-Prinzip
ausgewertet. Geplant war eine Gabe von Letrozol oder Plazebo für 5 Jahre. Die
erste geplante Zwischenanalyse dieser Studie ergab nach einer medianen
Beobachtungszeit von nur 2,4 Jahren insgesamt 207 Rezidive (lokal bzw.
Fernmetastasen) oder neu aufgetretene Mammakarzinome in der kontralateralen
Brust, wobei 75 dieser Ereignisse in der Letrozol- und 132 in der
Plazebo-Gruppe aufgetreten waren. Daraus resultierte ein signifikanter
Unterschied im geschätzten erkrankungsfreien Überleben nach 4 Jahren (93% vs.
87%; p ≤ 0,001) zugunsten von Letrozol. Das Gesamtüberleben unterschied
sich bisher nicht signifikant. Diese Ergebnisse veranlaßten das ”Data and
Safety Monitoring Committee”, die Studie vorzeitig zu beenden und die
Patientinnen über die Ergebnisse zu informieren. Wesentliche UAW, die sich
hinsichtlich ihrer Häufigkeit zwischen beiden Gruppen signifikant unterschieden
oder einen Trend zur Signifikanz zeigten, sind in Tab. 1 dargestellt. Aufgrund
der relativ kurzen Beobachtungsdauer werden in dieser Auswertung vermutlich
sowohl das kardiovaskuläre Risiko als auch Langzeitwirkungen der
Aromatasehemmer auf den Knochenstoffwechsel (z.B. Osteoporose, Frakturen) eher
unterschätzt. Die auch nach Anastrozol beobachteten UAW am Muskel- und
Skelettsystem traten unter Letrozol signifikant häufiger als unter Plazebo auf,
führten jedoch nur selten zum Abbruch der adjuvanten Therapie. Auswertungen der
”Lebensqualität” wurden in dieser Arbeit noch nicht mitgeteilt.
Zu dieser Studie
wurden zwei lesenswerte Editorials veröffentlicht, in denen die Konsequenzen
der vorzeitigen Beendigung dieser Studie und die Frage, ob alle
postmenopausalen Frauen mit Mammakarzinom jetzt nach Tamoxifen Letrozol
erhalten sollten, ausführlich diskutiert werden (8, 9). Der vorzeitige
Studienabbruch hat mit Sicherheit die klinische Aussagekraft der Ergebnisse
vermindert, da vermutlich wichtige Fragen, wie z.B. zur optimalen Dauer der
Gabe von Letrozol, zu langfristigen Folgen der Suppression der
Östrogenproduktion bei postmenopausalen Frauen und zur Beeinflussung des
Gesamtüberlebens durch diese Studie nie beantwortet werden können.
Fazit: Die tägliche Gabe
von 2,5 mg Letrozol (Tagestherapiekosten ca. 7,70 EUR) nach einer adjuvanten
Standardtherapie mit Tamoxifen über etwa 5 Jahre führt im Vergleich zu Plazebo
bei postmenopausalen Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom nach
einer Beobachtungszeit von nur 2,4 Jahren zu einer signifikanten Verlängerung
des erkrankungsfreien, nicht jedoch des Gesamtüberlebens. Hitzewallungen,
Arthritiden, Arthralgien und Myalgien traten unter Letrozol signifikant
häufiger, vaginale Blutungen signifikant seltener als unter Plazebo auf. Auf
Grund des vorzeitigen Studienabbruchs wird die wichtige Frage hinsichtlich der
langfristigen UAW der Therapie mit Letrozol durch diese Studie nicht beantwortet.
Auch die optimale Dauer der Therapie ist nicht bekannt. Eine generelle Gabe von
Aromatasehemmern als primäre adjuvante Therapie bei postmenopausalen Frauen mit
Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom kann deshalb derzeit nicht empfohlen
werden. Patientinnen, die nach adjuvanter Standardtherapie mit Tamoxifen eine
Therapie mit Letrozol wünschen, sollten über mögliche Vorteile dieses
”Off-Label-Use”, die wahrscheinlich erst langfristig auftretenden UAW und die
derzeit offenen Fragen gründlich informiert werden.
Literatur
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