Wir haben mehrfach über die Ergebnisse der im Jahr
2002 nach im Mittel 5,2 Jahren Laufzeit abgebrochenen WHI (Women’s Health
Initiative)-Studie Teil 1 (Östrogen plus Gestagen versus Plazebo bei
postmenopausalen Frauen) berichtet (1-3). Die Studie war begonnen worden, um
die Frage zu prüfen, ob die sog. Hormonersatz-Therapie (HRT) vor Herz-/Kreislauferkrankungen
schützt. Dies hatten Ergebnisse nicht-randomisierter Studien nahegelegt. Der
Abbruch des Studienarms bei Frauen mit vorhandenem Uterus, die kontinuierlich
konjugierte Östrogene plus Medroxyprogesteron-Acetat (MPA) genommen hatten,
erfolgte wegen eines erhöhten Relativen Risikos (RR) von 1,25 (oder Steigerung
um ca. 25%) für invasives Mammakarzinom und weil das Risiko für Herz-/Kreislauferkrankungen
im Vergleich mit Plazebo eher erhöht als vermindert war. Damit galt die Herz-/Kreislauf-Protektions-Hypothese
als widerlegt.
Der Therapiearm mit Frauen ohne Uterus, die nur
konjugierte Östrogene (versus Plazebo) einnahmen (hier WHI 2 genannt), wurde
zunächst weitergeführt. Er wurde jetzt aber auf Beschluß des US National
Institute of Health ein Jahr vor dem ursprünglich geplanten Ende nach einer Behandlungsdauer
von im Mittel 6,8 Jahren (5,7-10,7 Jahre) ebenfalls abgebrochen. Die
Veröffentlichung (4) wurde mit Spannung erwartet, denn wegen der Ergebnisse des
2002 beendeten Studienteils 1 lieferten sich Gegner und Befürworter der HRT
erbitterte verbale und schriftliche Schlachten, geht es doch um die weitere
Gesundheit bisher überwiegend gesunder Frauen und um Milliardenumsätze im
Pharmabereich und in gynäkologischen Praxen. Die Ergebnisse sind überraschend
und günstiger als die des Studienarms Östrogen-MPA versus Plazebo von WHI 1.
Ergebnisse:
Bei 10176 von 10739 Frauen der Östrogen-versus-Plazebo-Studie, die die
Studienmedikamente mindestens 5,7 Jahre lang eingenommen hatten, lagen alle zur
Auswertung erforderlichen Daten vor. Die definitive „Dropout-Rate” betrug nur
5,2%.
Das Risiko für KHK war bei alleiniger Östrogen-Therapie
im Vergleich mit Plazebo bei einem RR von 0,91 nicht signifikant niedriger
(Konfidenz-Intervall = CI: 0,75-1,12); das Risiko für Schlaganfall war mit RR
1,39 (CI: 1,10-1,77) signifikant erhöht (p= 0,007). Tödliche Schlaganfälle
waren mit RR von 1,13 nicht signifikant erhöht. Das erhöhte Schlaganfallrisiko
war offenbar der Hauptgrund für die Beendigung der Studie. Das RR für tiefe
Beinvenenthrombosen war mit 1,47 (CI: 1,04-2,08) gerade eben signifikant erhöht
(p = 0,03). Das leicht erhöhte Risiko für Lungenembolien verfehlte die
Signifikanz. Interessanterweise war das RR für invasiven Brustkrebs mit 0,77
(CI: 0,59-1,01) erniedrigt, aber noch nicht signifikant, während das RR für
Kolonkarzinom bei einem RR von 1,08 in beiden Gruppen gleich war (in WHI 1
waren Kolonkarzinome in der Hormongruppe seltener). Wie in WHI 1 hatte Östrogen
einen signifikant protektiven Effekt hinsichtlich Schenkelhals- und Wirbelfrakturen
(RR: 0,61 bzw. 0,62). Todesfälle traten bei einem RR von 1,08 unter Östrogenbehandlung
kaum erhöht auf, und der „Globale Outcome-Index” (alle erstmals auftretenden
Ereignisse im Beobachtungszeitraum zusammen) hatte ein RR von 1,01 (CI: 0,91-1,12).
Die von den Autoren gezogenen Schlüsse sollen hier in
Übersetzung wiedergegeben werden: „Der Gebrauch konjugierter Östrogene für im
Mittel 6,8 Jahre steigert das Schlaganfallrisiko, senkt das Risiko für Schenkelhalsfrakturen
und beeinflußt nicht die Inzidenz der KHK bei hysterektomierten
postmenopausalen Frauen. Eine mögliche Verminderung des Brustkrebsrisikos
bedarf weiterer Studien. Die Belastung mit neuen Erkrankungen war in der
Östrogen- und in der Plazebo-Gruppe gleich, so daß sich durch Östrogene kein
Vorteil ergab. Konjugierte Östrogene sollten Frauen nach der Menopause deshalb
nicht für die Prävention chronischer Krankheiten verordnet werden.”
Der Entwurf der WHI-Studie ist mit einer gewissen
Berechtigung wegen des relativ hohen Alters der Frauen bei Rekrutierung (50-79
Jahre, im Mittel ca. 63,5 Jahre) kritisiert worden. Üblicherweise wird die HRT
peri- oder früh postmenopausal - also um das 50. Lebensjahr - wegen
klimakterischer Beschwerden begonnen und für einige Jahre (oder auch länger)
fortgesetzt. Es könnte sein, daß die Risiken und die Vorteile der HRT in dieser
Altersgruppe anders sind als bei Frauen, die bei Therapiebeginn im Mittel 13
Jahre älter sind. Interessant ist deshalb eine Tabelle in der hier besprochenen
Publikation (4), in der die Ergebnisse in Abhängigkeit vom Alter bei
Rekrutierung aufgeschlüsselt sind. In der Altersgruppe von 50-59 Jahren bei
Therapiebeginn sind fast alle Ergebnisse (bis auf Schenkelhalsfrakturen; hier
sehr breite Konfidenzintervalle) günstiger als bei älteren Frauen. Allerdings
sind die absoluten Zahlen hinsichtlich KHK und Brustkrebs in dieser
Altersgruppe relativ klein, so daß sich auch hier kein statistisch signifikanter
protektiver Effekt ergibt.
Die deutsche Zeitschrift „gyne” stimmt auf Grund der
Ergebnisse von WHI 2 ein Triumphgeheul an nach dem Motto „wir haben es ja schon
immer gewußt” und beschimpft die Bedachtsamen, die auch die Risiken der HRT zu
bedenken geben, als unehrlich und scheinheilig. Für Polemik dieser Art gibt es
keinen sachlichen Anlaß.
Fazit: Der
zweite Teil der viel diskutierten WHI-Studie (WHI 2: Frauen ohne Uterus, die
nur konjugierte Östrogene und kein Gestagen einnahmen) wurde, offenbar wegen
eines signifikant erhöhten Risikos in der Hormongruppe, einen nicht-tödlichen
Schlaganfall zu erleiden, nach im Mittel 6,8 Jahren Laufzeit abgebrochen. Durch
diese Form der HRT wurde das KHK-Risiko nicht erhöht. Das Brustkrebsrisiko war,
anders als in WHI 1, nicht erhöht. Osteoporotische Frakturen wurden, wie in WHI
1, reduziert. Insgesamt ist auch die Östrogen-Monotherapie nicht zur Prophylaxe
von Herz-/Kreislauferkrankungen geeignet. Sie sollte Frauen nur zur Behandlung
klimakterischer Beschwerden für einen begrenzten Zeitraum in niedriger, aber
wirksamer Dosierung empfohlen werden.
Literatur
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AMB 2001, 35, 17.
-
AMB 2002, 36, 68.
-
AMB 2003, 37, 77a.
-
WHI (Women’s Health
Initiative) Steering Committee: JAMA 2004, 291, 1701.
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