Wir haben in letzter Zeit häufig zur Praxis der
Hypertonie-Therapie Stellung genommen (z.B. 1-3). Die neuen Leitlinien der BHS
(Kurzfassung s. 4) sind Anlaß, nochmals einige wichtige Empfehlungen, die sich
nur unwesentlich von denen der Europäischen und der US-Gesellschaften unterscheiden,
zusammenzufassen.
Alle Menschen mit Grenzwert- oder mit etablierter
Hypertonie sollten sich durch Änderung der Lebensweise (nicht rauchen,
Nahrungsumstellung, mehr körperliche Bewegung) bemühen, den Blutdruck zu
senken.
Bei etablierter Hypertonie sind durch geeignete
diagnostische Maßnahmen sekundäre Hypertonieformen (hormonale Kontrazeptiva,
renale bzw. endokrine Erkrankungen, Aortenisthmus-Stenose etc.) auszuschließen.
Bei allen Patienten mit essentieller Hypertonie und
durchschnittlichen Blutdruckwerten > 160/> 100 mm Hg ist eine medikamentöse
Therapie sicher indiziert. Bei Werten von 140-150/90-99 mm Hg ist eine
medikamentöse Therapie dann indiziert, wenn bereits Zielorgan-Schäden vorliegen
oder wenn die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung solcher Schäden in den nächsten
10 Jahren > 20% ist (Cholesterin, Rauchen, Familienanamnese etc.). Alle
Diabetiker mit Blutdruckwerten > 140/> 90 mm Hg sollten medikamentös
behandelt werden mit dem Blutdruck-Zielbereich < 130/< 80 mm Hg.
Azetylsalizylsäure (75 mg/d) sollten alle Hypertoniker
zur Sekundärprophylaxe der KHK einnehmen sowie Patienten > 50 Jahre mit
(hohem) KHK-Risiko > 20% in den nächsten 10 Jahren zur Primärprophylaxe.
Statine sollten alle Hypertoniker mit
kardiovaskulären Erkrankungen (CVD) erhalten und zwar unabhängig vom
Cholesterinwert. Dies wird auch empfohlen für alle Hypertoniker mit einem CVD-Risiko
> 20% in den nächsten 10 Jahren zur Primärprophylaxe.
Zur Auswahl der Antihypertensiva: Für die Wahl
bestimmter Medikamentengruppen in Abhängigkeit von Zweiterkrankungen nennt und
begründet eine Tabelle zwingende und relative Indikationen und Kontraindikationen
(z.B. besondere Indikation für ACE-Hemmer oder Diuretika bei Herzinsuffizienz,
für Alpha-Blocker bei BPH, Kontraindikation für Thiaziddiuretika bei Gicht).
Prinzipiell könne aufgrund der in letzter Zeit
publizierten Metaanalysen davon ausgegangen werden, daß alle
Medikamentengruppen (außer Alpha-Blocker) bei gleicher Blutdrucksenkung
hinsichtlich Verhinderung von Komplikationen, wie Schlaganfall und
Herzinsuffizienz, gleich oder ähnlich wirksam sind. Niedrig dosierte
Medikamenten-Kombinationen sind besser wirksam und weniger UAW-belastet als
hoch dosierte Monotherapien.
Hinsichtlich der Auswahl des ersten Medikaments in
Abhängigkeit vom Alter des Patienten wird ein einprägsames, durch mehrere
Studien gut begründetes, AB/CD-Schema empfohlen. Hierbei bedeutet A =
ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker, B = Betablocker, C = Kalziumantagonist
und D = Diuretikum. A und B wirken stärker blutdrucksenkend bei jüngeren Hypertonikern
mit relativ aktivem Renin-Angiotensin-System. C und D wirken besser bei Patienten
> 50 Jahre mit relativ niedrigem Plasma-Renin. Statistisch gesehen ist das
Plasma-Renin altersabhängig. Bei jüngeren Patienten soll also zunächst mit A
oder B begonnen werden, bei älteren mit C oder D, wobei aus Kostengründen dem
Diuretikum der Vorzug gegeben wird. Wenn die Monotherapie in mittlerer
empfohlener Dosierung nicht ausreicht (frühestens nach vier Wochen zu
entscheiden), dann soll für jüngere Patienten ein Kombinationspartner aus der
Gruppe C oder D, für ältere Patienten aus der Gruppe A oder B genommen werden.
Vermutlich wegen vermehrter subjektiver UAW von B
verglichen mit A, wird A ein kleiner Vorzug vor B gegeben. Bei Kombination von
C mit D (was auch möglich ist) soll das Diabetes-Risiko beachtet werden. Auf
das Hyperglykämie-Risiko bei Gabe von D (Thiazide) allein wird auch
hingewiesen, jedoch ist es bei Verwendung niedriger Dosen gering.
Schritt 1 der medikamentösen Therapie ist also eine
Monotherapie, Schritt 2 ist A (oder B) plus C oder D, Schritt 3 ist A (oder B)
plus C plus D. Für Schritt 4 wird die Hinzugabe von Spironolacton oder eines
Alpha-Blockers empfohlen.
Obwohl Diuretika in diesen Empfehlungen eine wichtige
Rolle spielen, werden sie nicht so sehr in den Vordergrund gestellt wie in den
durch die ALLHAT-Studie beeinflußten Richtlinien in den USA (5). Wir sind der
Meinung, daß ein niedrigdosiertes Diuretikum in der Regel bereits Bestandteil bei
einer Zweierkombination sein sollte.
Fazit:
Unter Berücksichtigung besonders sinnvoller Indikationen und von Kontraindikationen
sind alle antihypertensiv wirkenden Medikamentengruppen bei gleichem blutdrucksenkendem
Effekt cum grano salis gleichwertig. Das von der BHS vorgeschlagene AB/CD-Schema
zur Mono- und Kombinationstherapie der essentiellen Hypertonie in Abhängigkeit
vom Lebensalter ist gut begründet und einprägsam. In Anbetracht der Häufigkeit
und der gesundheitlichen Bedeutung der arteriellen Hypertonie sowie der
jahrelang notwendigen Behandlung sind die Kosten besonders zu beachten.
Literatur
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AMB 1999, 33, 28a und 53a.
-
AMB 2001, 35, 31a.
-
AMB 2003, 37, 15; 43; 51.
-
Williams, B., et al.: Brit.
Med. J. 2004, 328, 634.
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Spurgeon, D.: Brit. Med. J. 2004, 328, 539.
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