Zusammenfassung:
Die Rechtsherzinsuffizienz ist eine späte Komplikation der COPD und
prognostisch sehr ungünstig. Die erhöhte Nachlast des rechten Ventrikels und
eine neurohumorale Entgleisung sind die Ursachen. Die einzige Therapie, die
nachweislich die Prognose verbessert, besteht in einer kontinuierlichen
Verbesserung der Oxygenierung durch eine Sauerstoff-Langzeittherapie. Außerdem
ist die vorsichtige Gabe von Diuretika, ACE-Hemmern und eine Natriumrestriktion
sinnvoll. Vasodilatanzien können im Einzelfall hilfreich sein. Ihr Nutzen
sollte aber durch eine invasive Testung belegt werden.
Etwa ein Drittel
der Patienten mit COPD entwickelt in späten Stadien oder bei akuten
Exazerbationen eine Rechtsherzinsuffizienz mit peripheren Ödemen. Meist handelt
es sich um die Patienten vom „bronchitischen Typ”, die sog. „Blue Bloater”. Das
Auftreten von Ödemen ist ein Alarmsignal für eine schlechte Prognose. Die
Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt weniger als 50% (1).
Es wird geschätzt,
daß etwa 10% der Krankenhausaufnahmen wegen dekompensierter Herzinsuffizienz
auf eine Rechtsherzinsuffizienz entfallen (2). Dabei sind beim Auftreten von
Beinödemen bei COPD-Patienten einige wichtige Differenzialdiagnosen zu
beachten, insbesondere Nierenerkrankungen, Leberfunktionsstörungen und
unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW).
Pathophysiologie: Letztlich kann nur
mit der Echokardiographie oder invasiv die Diagnose Rechtsherzinsuffizienz
zuverlässig gestellt werden. Zukünftig wird möglicherweise auch die Bestimmung
des spezifischen Ventrikelmarkers BNP (Brain natriuretic peptide) und des
Vorhofmarkers ANP (Atrial natriuretic peptide) an Bedeutung gewinnen. Das BNP
zeigt eine Herzinsuffizienz sehr früh an und scheint zumindest bei der primären
pulmonalen Hypertonie (PPH) eine sehr gute diagnostische Aussagekraft für eine
sekundäre Rechtsherzinsuffizienz zu haben. Darüber hinaus korrelieren die
BNP-Serumspiegel invers mit der Prognose dieser Patienten (3). In der Praxis
spielen sie noch keine Rolle. Das Kosten/Nutzen-Verhältnis ist ungünstig (Preis
GOÄ je 43,75 EUR).
Die Pathogenese der
Rechtsherzinsuffizienz und der Ödeme bei COPD ist umstritten. Die Vorstellung,
daß es sich dabei allein um ein Rückwärtsversagen des rechten Ventrikels bei
erhöhtem pulmonalarteriellem Druck handelt, ist zu mechanistisch. Nur bei einem
Teil der Patienten mit COPD und Ödemen finden sich deutlich erhöhte
enddiastolische Drücke im rechten Ventrikel oder in der Pulmonalarterie (PA;
4). In einer Arbeit mit 74 COPD-Patienten, davon die Hälfte mit peripheren
Ödemen, betrug der mittlere PA-Druck in Ruhe 35 mmHg (Normalwert bis 22 mmHg;
5). Zum Vergleich: bei der PPH sind PA-Mitteldrücke über 50 mmHg und Drücke wie
im arteriellen System keine Seltenheit.
Bei der
Rechtsherzinsuffizienz handelt es sich, ebenso wie bei der
Linksherzinsuffizienz, um ein komplexes Syndrom mit neurohumoraler Entgleisung.
Durch die chronische Hypoxämie (und Hyperkapnie) kommt es neben dem vaskulären
Remodeling im Lungengefäßsystem auch zu einer peripheren Vasodilatation, zum
Abfall des Systemdrucks und zur Minderung des renalen Blutflusses. Diese Effekte
auf den pulmonalen, renalen und systemisch-arteriellen Kreislauf werden bei
Azidose noch deutlich verstärkt (6). Im Rahmen dieser Blutfluß- und
Druckveränderungen aktiviert der Körper analog der Linksherzinsuffizienz das
Renin-Angiotensin- sowie das sympathische und das Vasopressin-System mit dem
teleologisch zu sehenden Ziel, durch Wasser- und Natriumretention den Blutdruck
und die Nierenperfusion aufrechtzuhalten (7). Gegensinnig werden die
natriuretisch und vasodilatierend wirkenden Hormone ANP und BNP stimuliert.
Von all diesen
Veränderungen spüren Patienten (und Ärzte) lange Zeit nichts. Erst wenn
Volumen- und Drucküberlastung zum Remodeling des rechten Ventrikels führt mit
Hypertrophie, Fibrose sowie Gefügedilatation (Cor pulmonale) mit Erweiterung
des Trikuspidalklappenrings und Trikuspidalinsuffizienz, werden die klinischen
Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz sichtbar (Jugularvenenstauung,
Jugularvenenpuls, hepatojugulärer Reflux, Beinödeme).
Die transienten
Ödeme bei exazerbierter COPD werden von vielen Autoren heute allein durch die
akuten renalen Effekte bei Hypoxämie und Hyperkapnie erklärt (8). Allein durch
Gabe von Sauerstoff und Besserung der Hyperkapnie durch physikalische und
antimikrobielle Maßnahmen können in vielen Fällen ohne zusätzliche
Diuretikagaben die Ödeme erfolgreich behandelt werden.
Wie soll die
Rechtsherzinsuffizienz bei COPD behandelt werden ? In erster Linie
muß dafür gesorgt werden, daß die Ursache der COPD abgestellt wird. COPD-Patienten
müssen mit dem Rauchen aufhören. Neben der Sauerstofftherapie (s.u.) ist
dies die einzige Maßnahme, die nachweislich das Leben verlängern kann. Daneben
sollte eine bronchiale Obstruktion nach den Stufenschemata der
Fachgesellschaften medikamentös ausreichend behandelt werden (Übersicht bei 9).
Als zweite wichtige
lebensverlängernde Maßnahme hat sich die Sauerstoff-Langzeittherapie bei
Patienten mit schwerer chronischer Hypoxämie etabliert (10). Hypoxie und
Hyperkapnie sind bei COPD die wesentlichen Determinanten der pulmonalen
Hypertonie (2). Mit einer Sauerstofftherapie über mindestens 18 Stunden pro Tag
läßt sich nicht nur der PA-Druck senken, sondern auch die Letalität dieser
Patienten nahezu halbieren. Die Kriterien für die Indikation einer
Sauerstoff-Langzeittherapie sind in Tab. 1. wiedergegeben. Hier wurde der
Bedeutung der Rechtsherzinsuffizienz insofern Rechnung getragen, als auch bei
noch nicht erreichtem pO2-Grenzwert eine Sauerstofftherapie
indiziert ist, wenn ein Cor pulmonale (mittels Echokardiographie)
diagnostiziert worden ist.
In der kritischen
Phase einer COPD-Exazerbation ist insbesondere bei Hyperkapnie die nichtinvasive,
druckunterstützte Beatmung (NPPV) mit einer Gesichtsmaske (11) sinnvoll,
weil sich hierdurch Oxygenierung und CO2-Elimination verbessern
läßt. Eine raschere Rückbildung zugleich bestehender Ödeme durch die
verbesserte Oxygenierung wäre plausibel, ist aber nicht belegt. Zudem
tolerieren bei weitem nicht alle Patienten die NPPV.
Auch bei
dauerhafter Heimbehandlung mit NPPV ist eine anhaltende Besserung der Blutgase
und des funktionellen Status nachgewiesen (12), wobei keine Aussage über die
Beeinflussung der Ödeme gemacht wurde. Wahrscheinlich ist die NPPV insbesondere
bei den Blue Bloatern mit überlappendem Schlaf-Apnoe-Syndrom sinnvoll.
Ob Vasodilatanzien
(z.B. Kalziumantagonisten, Endothelinantagonisten, Prostazykline, NO,
Phosphodiesterase-Hemmer u.a.; Übersicht bei 13) über eine Drucksenkung im
kleinen Kreislauf zu einer Besserung der Symptome, der Lebensqualität und der
Prognose von COPD-Patienten und besonders derer mit Rechtsherzinsuffizienz
führen, ist nicht sicher. Wie oben ausgeführt, ist der pulmonale Hypertonus nur
ein Teilaspekt in der Pathogenese der Rechtsherzinsuffizienz. Hinzu kommt, daß
Vasodilatanzien nur ausreichend gut bei PPH untersucht sind. Studien bei
sekundärer pulmonaler Hypertonie infolge COPD sind klein an Zahl und von
geringer Qualität und noch dazu widersprüchlich in ihren Ergebnissen (Übersicht
bei 2). So führten z.B. Prostaglandininfusionen in einer Studie nicht zur
erhofften Drucksenkung im kleinen Kreislauf, sondern zu kritischen Senkungen
des Systemdrucks mit Verschlechterung der Nierenfunktion (14).
Im Einzelfall und
bei deutlich erhöhten pulmonalen Druckwerten kann sich aber ein Versuch mit
Vasodilatanzien lohnen. Insbesondere die Endothelinantagonisten (z.B. Bosentan
= Tracleer®) und die Phosphodiesterase-Hemmer (Sildenafil = Viagra®)
könnten interessante Substanzen sein (15). Es sollten aber keine
unkontrollierten Anwendungen erfolgen, da ähnlich (oder noch häufiger) wie bei
der PPH von einer geringen „Responderquote” auszugehen ist (25-30%), die
Substanzen teuer sind und viele UAW auftreten können. Die Wirksamkeit einer
Behandlung mit Vasodilatanzien muß deshalb durch eine invasive
Medikamententestung mittels Rechtsherzkatheter und strengen Erfolgskriterien
nachgewiesen werden.
Pathophysiologisch
sinnvoll - um der neurohumoralen Aktivierung entgegenzuwirken - ist die Gabe
von ACE-Hemmern oder Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten schon
frühzeitig im Verlauf einer Rechtsherzinsuffizienz. Leider gibt es aber, anders
als bei Linksherzinsuffizienz oder arterieller Hypertonie, keine verläßliche
Studie mit größeren Patientenzahlen, die den Nutzen von ACE-Hemmern bei COPD
über einen längeren Zeitraum untersucht hat. Dabei konnte in kleineren Studien
durchaus gezeigt werden, daß sich durch ACE-Hemmer die neurohumoralen und die
hämodynamischen Parameter verbessern lassen und die Zahl der
Krankenhausbehandlungen sinkt (16).
Digitalis hat keinen
günstigen Einfluß auf den Verlauf einer Rechtsherzinsuffizienz. Nur bei
gleichzeitig bestehendem Vorhofflimmern oder bei Linksherzinsuffizienz kann
Digitalis sinnvoll sein (17). Es gibt sogar Warnungen, daß COPD-Patienten
aufgrund von Elektrolytstörungen und/oder Polypharmakotherapie empfänglicher
sind für eine Digitalisintoxikation.
Mit Hilfe von Diuretika
können die Ödeme bei Rechtsherzinsuffizienz ausgeschwemmt werden; ihre Wirkung
kann aber bei persistierender Hypoxämie und Hyperkapnie eingeschränkt sein.
Diuretika können pathophysiologisch sogar nachteilig sein. So kann bei zu
starker akuter Entwässerung die Vorlast des rechten Ventrikels so stark sinken,
daß es zu einem kritischen Abfall des Herzzeitvolumens (und des systemischen
Blutdrucks) mit konsekutiver Verschlechterung der Nierenfunktion und
verminderter Perfusion auch anderer Organe kommt. Deshalb sollte die Wirkung
von Diuretika klinisch gut kontrolliert und die Dosis gegebenenfalls
rechtzeitig wieder vermindert werden. Auch die Wahl des Diuretikums kann von
Bedeutung sein. So kann z.B. Furosemid eine metabolische Alkalose bewirken, die
wiederum zu einer unerwünschten Hypoventilation mit Anstieg des PaCO2
führen kann (18).
Azetazolamid
(Diamox®), ein Karboanhydrase-Hemmer, stimuliert durch Erzeugen einer
metabolischen Azidose die Atmung und kann bei stabilen hyperkapnischen
COPD-Patienten eingesetzt werden. Durch Hyperventilation steigt der PaO2
an und der PaCO2 sinkt (jeweils um ca. 10-15%; 19). Azetazolamid scheint
zumindest als Kombinations-Diuretikum besonders wirksam zu sein für die
Behandlung von Ödemen bei COPD-Patienten mit hohen Bikarbonat-Serumspiegeln.
Der Aderlaß
wird heute als symptomatische Therapie bei COPD-Patienten mit Polyglobulie
(Blue Bloater) ab einem Hämatokrit von 60% empfohlen (20). Da die
Blutviskosität nach dem Hagen-Poiseuilleschen Gesetz den Blutdruck gleichsinnig
beeinflußt, führt ein Aderlaß nachweislich zu einer leichten pulmonalen
Drucksenkung, nicht aber zu einer Verbesserung der Blutgase. Daß sich ein
Aderlaß über Volumenreduktion und Drucksenkung auch auf eine
Rechtsherzinsuffizienz günstig auswirkt, ist nicht sehr wahrscheinlich.
Natriumrestriktion ist bei sekundärer
Rechtsherzinsuffizienz zumindest theoretisch sinnvoll, um der Natrium- und
Wasserretention diätetisch entgegenzuwirken und wird häufig empfohlen. Eine
gute Evaluation dieser Maßnahme gibt es aber bislang nicht.
Rehabilitationsmaßnahmen: Mit körperlichen
Übungen, die insbesonders die Atemmuskulatur stärken (21), läßt sich zwar keine
Lebensverlängerung bei COPD erzielen, jedoch kann die Belastbarkeit und die
„Lebensqualität” gesteigert und die Zahl der Hospitalisierungen verringert
werden (22).
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