Dieses Thema haben wir schon mehrfach behandelt
(1-4). Im Lancet berichten H.M. Colhoun et al. aus Großbritannien und Irland
(5) über das Ergebnis einer plazebokontrollierten Multicenter-Studie, mit der
der Effekt von 10 mg/d Atorvastatin auf kardiovaskuläre Ereignisse bei
insgesamt 2838 Typ-2-Diabetikern mit nicht erhöhten LDL-Cholesterinwerten (<
4,14 mmol/l) und mit Triglyzeridwerten < 6,78 mmol/l bis zu einer medianen
Dauer der Intervention von 3,9 Jahren untersucht wurde. Eingeschlossen wurden
Patienten von 40-75 Jahren, die bisher kein kardiovaskuläres Ereignis
arteriosklerotischer Genese gehabt hatten, die aber wenigstens einen der
folgenden Risikofaktoren haben mußten: Arterielle Hypertonie (RR > 140/90 mm
Hg); diabetische Retino- oder Makulopathie; Mikro- oder Makro-Proteinurie oder
Raucher. Unter bestimmten Bedingungen durften auch die Plazebo-Patienten ein
Statin erhalten, was bei Beendigung der Studie in 9% (versus noch 85% in der
Verum-Gruppe) der Fall war. Die Studie wurde zwei Jahre vor dem geplanten Ende
abgebrochen, da zuvor definierte Unterschiede in den Ereignisraten
(KHK-Ereignisse, Revaskularisierung der Koronararterien, Schlaganfälle) nach
ca. vier Jahren Studiendauer erreicht waren.
127 von 1410 Plazebo-Patienten (2,46 pro 100
Patientenjahre) und 83 von 1428 der Verum-Gruppe (1,54 pro 100 Patientenjahre)
hatten wenigstens ein Endpunkt-Ereignis. Die Reduktion des relativen Risikos
betrug 37% und war signifikant. Die absoluten Ereignisraten für je ca. 1400
Patienten in vier Jahren (Plazebo vs. Atorvastatin) sind in Tab. 1
wiedergegeben. Das absolute Risiko, ein Endpunkt-Ereignis zu erleiden, wurde
von ca. 9% auf ca. 5,8% reduziert. Die Reduktion des relativen Risikos, ein
Endpunkt-Ereignis zu erreichen, war fast unabhängig davon, ob sich die
Lipidwerte zu Beginn der Studie in der oberen oder unteren Hälfte der
Gesamtpopulation befanden.
Die Autoren schließen ihre Interpretation mit
folgendem Satz: Die Diskussion darüber, ob alle Patienten mit dieser Krankheit
(Diabetes mellitus Typ 2) mit Statinen behandelt werden müssen, sollte sich nun
auf die Frage konzentrieren, ob es Patienten mit einem so niedrigen Risiko
gibt, daß man ihnen diese Therapie vorenthalten kann.
Dieser provokante Satz hat bei dem Kommentator der
CARDS-Studie, A. Garg aus Dallas, USA, eine gewisse Abwehrreaktion ausgelöst
(6). Zunächst führt er aus, daß bisher nur zwei von vier Studien zur Statintherapie
bei Typ-2-Diabetikern einen signifikant protektiven Effekt ergeben haben (HPS
und CARDS ja; ALLHAT-LLT und ASCOT-LLA nein). Man solle sich darüber hinaus die
Lipide etwas genauer ansehen, da es überwiegend das Nicht-HDL-Cholesterin sei,
das mit dem kardiovaskulären Risiko korreliere. In 6,78 mmol/l Triglyzeriden
(Obergrenze für Triglyzeride bei Einschluß in die Studie) könne relativ viel
„schlechtes” Cholesterin verborgen sein. Bei Patienten über 75 Jahre oder bei
Niereninsuffizienz seien auch die Risiken einer Statintherapie erhöht. Und
schließlich gebe es nicht wenige Typ-2-Diabetiker (prämenopausale Frauen,
Patienten unter 40 Jahre, bestimmte ethnische Gruppen wie Chinesen, Japaner
etc.) mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko.
Fazit: In
der CARDS-Studie war bei Typ-2-Diabetikern mit normalem LDL-Cholesterin und
mindestens einem kardiovaskulären Risikofaktor die NNT (Number Needed to Treat)
für vier Jahre, um eines der oben angegebenen kardiovaskulären Ereignisse zu
verhindern, ca. 32. Dieses Ergebnis ist nicht schlecht, jedoch sollten Statine
an Diabetiker nur bei signifikantem Risiko verordnet werden.
Literatur
-
Sever, P.S., et al. (ASCOT-LLA = Anglo-Scandinavian
Cardiac Outcomes Trial - Lipid Lowering Arm):
Lancet 2003, 361, 1149; s.a. AMB 2003, 37, 43.
-
ALLHAT-LLT
(= Antihypertensive and Lipid-Lowering Treatment to
Prevent Heart Attack Trial): JAMA 2002, 288, 2998;
s.a. AMB 2003, 37, 15b
und 22b.
-
MRC/BHF Heart Protection
Study (HPS): Lancet 2002, 360, 7 und 23; s.a. AMB 2002, 36,69a.
-
MRC/BHF Heart Protection
Study (HPS): Lancet 2003, 361, 2005; s.a. AMB 2003, 37,54.
-
Colhoun, H.M., et al.
(CARDS = Collaborative Atorvastatin Diabetes Study):
Lancet 2004, 364, 685.
-
Garg, A.: Lancet 2004, 364,641.
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