Dr. J.-P. S. aus
Berlin schreibt: >> In Ihrer tabellarischen Übersicht (1) wird Levomethadon
(L-Polamidon®) erwähnt, das Methadon-Razemat hingegen nicht. Meines
Wissens beziehen sich die in der Literatur dargestellten Fälle von Long-QT-Syndrom
bzw. Torsaden immer auf die Anwendung von Methadon-Razemat. Es wäre interessant
zu klären, ob auch unter L-Polamidon ähnliche Phänomene beobachtet werden.
Denkbar ist, daß die höhere zu metabolisierende Substanzmenge das Risiko für
kardiale UAW vergrößert und somit im Dosisbereich > 60 mg das fertige
Arzneimittel L-Polamidon einen Vorteil gegenüber dem Razemat haben könnte.
<<
Dr. S.S.-L. aus
Ravensburg schreibt: >> In der speziellen Schmerztherapie sind
Antidepressiva und Neuroleptika ein wesentlicher Bestandteil der
Langzeitmedikation. Ist ein EKG vor Therapiebeginn zu fordern, wenn ein Patient
infolge eines Infekts ein Makrolid-Antibiotikum erhalten soll? Was bedeutet in
diesem Zusammenhang Steady-state-Bedinungen? In welchem zeitlichen Abstand
sollte ein EKG erfolgen? Welche Aussagen erwarten Sie von solchen
Einzelmaßnahmen, wenn EKG im fünfstelligen Bereich notwendig sind, um Aussagen
über die Effizienz dieser Maßnahme zu erhalten? Die Empfehlungen am Ende Ihres
Artikels halte ich für sehr schwammig und wenig hilfreich. Als niedergelassener
Anästhesist überprüfe ich täglich mindestens 10-12 EKG und
Medikamentenkombinationen. Bei der großen Anzahl repolarisationsverlängernder
Substanzen erscheinen mir Ihre Empfehlungen nicht praxisnah. Ich vermisse ein
klares Konzept. <<
Antwort (zu Dr. J.-P.S.):
>> In der Fachinformation für L-Polamidon® sind
QT-Verlängerungen und daraus resultierende Rhythmusstörungen tatsächlich als
mögliche Komplikation benannt, die EKG vor der Therapie und nach zwei
Behandlungswochen erfordern. Dieser Warnhinweis wird in Analogie zu
Beobachtungen bei Behandlung mit Methadon-Razemat gegeben. Weder in der
Datenbank der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (Juli 2004),
noch bei der Herstellerfirma (August 2004) oder an anderer Stelle in der
Literatur findet sich unseres Wissens ein Fall, bei dem die Opiat-Substitutionstherapie
mit Levomethadon bedrohliche Rhythmusstörungen ausgelöst hat. Dabei ist zu berücksichtigen,
daß Levomethadon ganz überwiegend in Deutschland und auch hier nur bei höchstens
20% zur Substitution verwandt wird (2). Man kann sich vorstellen, daß wegen des
scheinbar günstigeren UAW-Spektrums die Verordnungshäufigkeit in Zukunft
zunimmt. Hoffentlich wird diese Entwicklung von einer sorgfältigen Beobachtung
der UAW begleitet, speziell QT-Verlängerungen und Rhythmusstörungen, z.B. in
Pharmakovigilanzregistern der Spezialsprechstunden oder anderen Erhebungen; sie
würden sicher große Beachtung finden. Auch bei den zuständigen Behörden sollten
die UAW unter Substitution mit Levomethadon gesondert registriert werden.
Das von Dr. S.S.-L.
gewählte Beispiel ist in der Praxis häufig. Ein Makrolid wird zusammen mit
einem Medikament gegeben, das die QT-Zeit verlängert (z.B. Antihistaminikum,
Antidepressivum), ohne zu bedenken, daß dies gefährlich sein kann. Anekdotische
Berichte über lebensbedrohliche Rhythmusstörungen, die durch solche vermeidbare
Ko-Medikationen zu Stande kommen, sind häufiger als es die Meldeziffern in den
Pharmakovigilanzdateien vermuten lassen. In unserer Übersicht heißt es daher
sehr deutlich: „Die Gabe mehrerer repolarisierender Medikamente (gleichzeitig)
ist zu vermeiden!” Auch die Forderung, vor und bei Einsatz QT-Zeit
verlängernder Medikamente ein EKG zu schreiben, ist nicht schwammig, sondern
klar. Sie zielt darauf, daß die reale und sicher unterschätzte Gefahr dieser
Pharmakotherapie ins Bewußtsein gehoben wird, die gefährdenden Medikamente und
Kombinationen möglichst vermieden werden und bei den Kontroll-EKG auf die Verlängerung
der QT-Zeit geachtet wird.
Kürzlich erschien
im N. Engl. J. Med. eine Untersuchung zur Frage, ob bei Behandlung mit
Erythromycin das Risiko eines Plötzlichen Herztods gesteigert ist (3). Aus der
Datei einer großen Krankenversicherung in Tennessee konnte entnommen werden,
welche Patienten wie lange Erythromycin oder ein anderes Zytochrom-P3A-blockierendes
Medikament eingenommen hatten und bei welchen Patienten ein Plötzlicher Herztod
eingetreten war. Es zeigte sich, daß bei Einnahme von Erythromycin der
Plötzliche Herztod doppelt so häufig war wie bei Patienten, die kein
Erythromycin eingenommen hatten. Wurde gleichzeitig ein anderer CYP3A-Hemmer
eingenommen, war der Plötzliche Herztod sogar fünfmal häufiger. Auf
Einzelheiten der komplizierten, aber überzeugenden pharmakoepidemiologischen
Untersuchung können wir hier nicht eingehen. Die Zahlen belegen aber quantitativ
das kardiale Risiko, das bei Behandlung mit einem QT-Zeit-verlängernden
Medikament entsteht, vor allem, wenn es gleichzeitig mit einem Medikament
gegeben wird, das dessen Abbau hemmt.
Wir müssen darüber
nachdenken, wie riskante Arzneimittel-Kombinationen vermieden werden können.
Vielleicht sind elektronische Verordnungshilfen im Krankenhaus (z.B.
Informationssysteme) oder die geplante Patienten-Chip-Karte in der ambulanten
Versorgung dabei hilfreich. <<
Literatur
-
AMB 2004, 38,
49 und 56.
-
INDRO, Münster,
persönliche Mitteilung.
-
Ray, W.A., et
al.: N. Engl. J. Med. 2004, 351, 1089.
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