Zusammenfassung: Die 12. Novelle des AMG ist
am 6. August 2004 in Kraft getreten. Die Neuerungen beinhalten Chancen und
Gefahren. Bei klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln wird die Verfahrensweise
jetzt präziser definiert als eine Voraussetzung für qualitativ einwandfreie
Abläufe. Die Fristen für die Beratung klinischer Prüfungen in den
Ethikkommissionen und im Genehmigungsverfahren durch das BfArM bzw.
Paul-Ehrlich-Institut werden erstmals definiert und damit kürzer. Dadurch
entstehen jedoch Risiken, daß die Daten nicht eingehend genug geprüft werden können.
Das Votum der Ethikkommission wird aufgewertet und justiziabel mit noch
ungeklärten Haftungsfragen. Es wird ein zentrales Register aller Studien
eingeführt. Dies ist sehr zu begrüßen, aber es sollte öffentlich zugänglich
sein. Die Pharmakovigilanz gewinnt einen höheren Stellenwert, jedoch ist die
Finanzierung der vorgesehenen Zentren noch nicht gesichert. Am 30. April 2004
wurde die Reform der europäischen Arzneimittelgesetzgebung verabschiedet, deren
Bestimmungen jetzt so rasch wie möglich in die nationale Gesetzgebung
übernommen werden sollen.
Die 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes ist am 6. August 2004 in Kraft
getreten. Sie dient der Implementierung europäischen Rechts in nationales
Recht. Es geht um die Umsetzung der Richtlinien über die Anwendung der guten
klinischen Praxis (GCP) bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit
Humanarzneimitteln (2001/20/EG), der guten Herstellungspraxis für
Humanarzneimittel und Prüfpräparate (2003/94/EG) und um die Pharmakovigilanz
bei Humanarzneimitteln (2001/83/EG). Die Ziffern vermitteln einen Eindruck von
der Geschwindigkeit in der Umsetzung von der europäischen auf die nationale
Ebene. Die Novelle ist besonders bedeutsam für Industrie, Zulassungsbehörden,
Ethikkommissionen und Ärzte, die klinische Prüfungen
mit Humanarzneimitteln durchführen. Sie nimmt aber auch Einfluß auf die Qualität der Arzneimittelversorgung und
ist damit für jeden wichtig, der Arzneimittel anwendet.
Im Folgenden wird auf wesentliche Inhalte der beiden
Schwerpunkte der 12. AMG-Novelle eingegangen: die Anwendung der GCP bei der
Durchführung klinischer Prüfungen und die Pharmakovigilanz.
GCP bei der Durchführung klinischer Prüfungen mit Humanarzneimitteln: 1. Die 12. AMG-Novelle bzw. die GCP-Verordnung
(GCP-V) sollen die ordnungsgemäße Durchführung der klinischen Prüfung unter
„Einhaltung der allgemein anerkannten ethischen und wissenschaftlichen
Qualitätsanforderungen bei der Planung, Durchführung und Dokumentation
klinischer Prüfungen am Menschen und der Berichterstattung darüber
sicherstellen.” Darüber hinaus soll die Bereitstellung der dem
wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechenden Unterlagen gewährleistet
sein. Damit sollen Rechte, Sicherheit und Wohlergehen der Person, bei der die klinische
Prüfung durchgeführt wird, geschützt und die
Glaubwürdigkeit der Ergebnisse der klinischen Prüfung garantiert werden. Auf
die weitreichenden Anforderungen an die Qualität kontrollierter klinischer
Studien haben wir wiederholt hingewiesen (11). Diesen unverbindlichen Richtlinien
müßten auch die Studien entsprechen, die den Zulassungsbehörden bei der
Einführung neuer Arzneimittel vorgelegt werden. Zunächst einmal hat der
Gesetzgeber in § 4 AMG und § 3 GCP-V aber genaue Definitionen der im
Zusammenhang mit klinischen Prüfungen relevanten Begriffe (klinische Prüfung, Sponsor, Prüfer, Prüfplan,
Prüfpräparat) festgelegt. Der § 4 unterscheidet eindeutig zwischen klinischen
Prüfungen und nicht-interventionellen Prüfungen, für die deshalb das AMG nicht
gilt. Eine Abgrenzung zwischen den in der Regel durch den pharmazeutischen
Unternehmer (PU) initiierten klinischen Prüfungen und den nicht-kommerziellen
Therapieoptimierungsstudien wurde nicht vorgenommen. Durch Therapieoptimierungsstudien
konnten in den zurückliegenden zwei bis drei Jahrzehnten in der Onkologie, aber
auch in anderen medizinischen Fachgebieten, wissenschaftlich strukturierte und
standardisierte Therapiekonzepte weiterentwickelt und ein hohes Maß an
Qualitätssicherung diagnostischer Verfahren bzw. therapeutischer Strategien
erreicht werden. Besonders bei hämatologischen Neoplasien und in der
pädiatrischen Onkologie wurden dadurch klinische Risikogruppen identifiziert
und die Prognose dieser Erkrankungen durch risikoadaptierte Therapiestrategien
wesentlich verbessert. Auf die Notwendigkeit, unabhängig vom PU geplante und
durchgeführte Therapieoptimierungsstudien aus den formalen Anforderungen
herauszunehmen, wurde an anderer Stelle ausführlich eingegangen (6).
2. Im § 40 AMG werden die allgemeinen Voraussetzungen der
klinischen Prüfung eines Arzneimittels beim Menschen festgelegt. Sie darf vom
Sponsor nur begonnen werden, wenn die zuständige Ethik-Kommission diese
zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde diese genehmigt hat.
Dadurch werden aus ehrenamtlich tätigen Ethik-Kommissionen, die bisher nur in
beratender Funktion tätig waren, Patienten-/Probandenschutzinstitutionen mit
Behördencharakter. Ihre Entscheidungen können gerichtlich überprüft werden. Das
Haftungsrisiko ist erheblich, wenn sie z.B. eine Studie ablehnt, der Hersteller
einen Formfehler bei der Entscheidung geltend macht und Kostenersatz für den
Einkommensausfall fordert, der durch die verspätete Zulassung entsteht. Diese
Haftungsrisiken waren bisher beim Staat, und nicht alle Ethikkommissionen sind
bereit, sie zu übernehmen. Die Voraussetzung für die Durchführung einer
klinischen Prüfung ist darüber hinaus an eine „geeignete Einrichtung” und einen
„angemessen qualifizierten” Prüfer gebunden. Weitere Voraussetzungen sind „eine
dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende
pharmakologisch-toxikologische Prüfung des Arzneimittels”, der Abschluß einer
Probanden/Patienten-Versicherung und die Beachtung der Anforderungen für eine
adäquate Aufklärung des Probanden/Patienten über „Wesen, Bedeutung, Risiken und
Tragweite der klinischen Prüfung”. Auf die klinische Prüfung bei Kindern und
Jugendlichen wurde an anderer Stelle ausführlich eingegangen (5).
3. Einzelheiten der Verfahren bei der Ethik-Kommission und im
Genehmigungsverfahren bei der Bundesoberbehörde sind ebenfalls festgelegt (s.a.
6). Vom Sponsor müssen nach § 42 ein Antrag auf zustimmende Bewertung bei der
zuständigen Ethik-Kommission und ein Antrag auf Genehmigung der klinischen
Prüfung bei der zuständigen Bundesoberbehörde eingereicht werden. Bei
multizentrischen klinischen Prüfungen, die im Geltungsbereich des AMG an mehr
als einer Prüfstelle erfolgen, bewertet die federführende Ethik-Kommission den
Antrag im Benehmen mit den beteiligten lokalen Ethik-Kommissionen. Auf die
wichtige Rolle der lokalen Ethik-Kommissionen bei multizentrischen klinischen
Prüfungen soll an dieser Stelle hingewiesen werden. Nur die lokale
Ethikkommission kann die fachlichen Voraussetzungen vor Ort sicher beurteilen.
Die von der europäischen Datenbank für klinische Prüfungen (EudraCT)
vergebene Nummer des Prüfplans muß dem Antrag an die Ethikkommission und dem
Antrag an die zuständige Bundesoberbehörde beigefügt werden. Diese Datenbank
wird hoffentlich die Transparenz klinischer Prüfungen in Europa wesentlich
verbessern und rasch zur Etablierung nationaler Studienregister führen. Dadurch
könnten seit langem bekannte Defizite klinischer Prüfungen, wie z.B. die
Doppel-/Mehrfachausführungen bzw. das unethische „Underreporting” (7, 8) verhindert und wirklich innovative
Studiendesigns gefördert werden. Leider ist nach diesem Gesetz aber das
EudraCT-Register weitgehend vertraulich. Die Informationen sind nur für
Zulassungsbehörden und für die betroffenen PU zugänglich und nicht für die
Öffentlichkeit. Das ist ein großes Defizit, das beseitigt werden muß.
4. Ein erwähnenswerter Fortschritt ist, daß in dem Antrag an
die Ethik-Kommission und in dem Antrag an die zuständige Bundesoberbehörde vom
Antragsteller zukünftig auch konkrete Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
in Zusammenhang mit dem Prüfpräparat gemacht werden müssen.
5. Die Fristen für die Bewertung klinischer Prüfungen durch die Ethik-Kommission bzw. Genehmigung durch die
zuständige Bundesoberbehörde sind ebenfalls festgelegt. Grundsätzlich gilt eine
Frist von 60 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäßen Antrags, innerhalb der die
federführende Ethikkommission dem Sponsor und der zuständigen Bundesoberbehörde
ihre mit Gründen versehene Bewertung übermitteln muß. Fristverkürzungen bzw.
Fristverlängerungen sind vorgesehen. Für beteiligte Ethikkommissionen im Rahmen
multizentrischer Prüfungen gilt, daß eine Bewertung hinsichtlich Qualifikation
der lokalen Prüfer und der Prüfstellen der federführenden Ethikkommission
innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäßen Antrages vorliegen muß.
Die Genehmigung durch die zuständige Bundesoberbehörde gilt als erteilt, wenn
dem Sponsor innerhalb von höchstens 30 Tagen nach Eingang der Antragsunterlagen
keine mit Gründen versehenen Einwände übermittelt werden.
Insgesamt werden auf Druck der pharmazeutischen Industrie die
Bearbeitungsfristen in den Ethik-Kommissionen und Bundesoberbehörden deutlich
verkürzt. Andererseits ist aber klar, daß eine belastungsfähige
wissenschaftliche Analyse Zeit benötigt. Je kürzer die Fristen, desto weniger
können mögliche Risiken der Studien ausreichend bedacht werden. Es wird
wahrscheinlicher, daß Maßnahmen zur Erfassung unerwarteter UAW im Prüfplan unzureichend
berücksichtigt und die UAW dann erst nach der Zulassung des Medikaments entdeckt
werden.
Pharmakovigilanz: DER ARZNEIMITTELBRIEF ist Mitglied der International
Society of Drug Bulletins (ISDB). Diese Vereinigung hat am 31.10./1.11.2003
eine Arbeitsgruppensitzung nach Berlin einberufen. Es wurde eine Deklaration
zur Pharmakovigilanz diskutiert. Die endgültige Form wird im Dezember 2004 auf
den Websites der Mitglieder gelesen werden können, also auch bei uns (14). Information über Arzneimittelnebenwirkungen und damit
das Verhältnis von möglichem Nutzen und möglichen Schäden einer Therapie
steht für uns und unsere Leser im Mittelpunkt des Interesses und damit auch
dieser Teil der Gesetzgebung.
Pharmakovigilanz ist das Bemühen, die Therapiesicherheit zu erfassen und
zu verbessern. Die sorgfältige Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen
(UAW) mit dem Ziel, Patienten frühzeitig vor schweren UAW zu warnen, Fach- und
Gebrauchsinformationen entsprechend zu ändern und ggf. eine Marktrücknahme
durch die Zulassungsbehörden zu erwirken, hat in den zurückliegenden 10-15
Jahren auch vor dem Hintergrund einer Globalisierung von Wirtschafts- und
Gesundheitspolitik, Arzneimittelindustrie sowie Arzneimittelinformationen,
verstärkte Aufmerksamkeit gefunden.
In der deutschen (Muster-) Berufsordnung sind in § 6 die
Aufgaben der Ärzte bei der Mitteilung von UAW festgelegt: Der Arzt ist
verpflichtet, die ihm aus seiner ärztlichen Behandlungstätigkeit bekannt
werdenden UAW der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft mitzuteilen
(Fachausschuß der Bundesärztekammer).
Die wesentlichen Inhalte der neuen Regelungen zur Pharmakovigilanz
können wie folgt zusammengefaßt werden:
Der Begriff Nebenwirkungen wird umfassender definiert. Es sind „beim
bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretende schädliche,
unbeabsichtigte Reaktionen”. Ferner werden auch unter Berücksichtigung der
differenzierten Meldeverpflichtungen die Begriffe „schwerwiegende
Nebenwirkungen” und „unerwartete Nebenwirkungen” aufgenommen und
Wechselwirkungen als eine Sonderform der Nebenwirkungen klassifiziert.
Durch eine Ergänzung in § 33 AMG werden die zuständigen
Bundesoberbehörden nunmehr ermächtigt, auch für „die
Tätigkeit im Rahmen der Sammlung und Bewertung von Arzneimittelrisiken”
Gebühren zu erheben. Dies entspricht auch der Praxis in anderen Ländern.
Dadurch wird die Behörde unabhängiger von den schrumpfenden Staatsfinanzen.
Andererseits muß darauf geachtet werden, daß sich durch diese Gebühren keine
Abhängigkeit von den betroffenen Firmen aufbaut.
Im § 62 AMG wird die Einbeziehung nationaler Pharmakovigilanzzentren in
das Pharmakovigilanzsystem als Grundsatz etabliert. Derzeit basieren in
Deutschland das Erkennen und die Bewertung von UAW wesentlich auf der
Spontanberichterstattung. Diese ist fest etabliert und hat den unbestreitbaren
Vorteil, daß damit grundsätzlich alle exponierten Patienten überwacht und somit
bisher unbekannte Arzneimittelrisiken frühzeitig erkannt werden können. Die
Spontanberichterstattung leidet jedoch an den bekannten und häufig diskutierten
Nachteilen (9), wie z.B. der geringen
Melderate, der eingeschränkten Beurteilbarkeit der gemeldeten Fälle auf Grund
unvollständiger Angaben und der Industrielastigkeit. Insbesondere aber kann sie
keine Erkenntnisse zur Häufigkeit (Inzidenz) auftretender UAW liefern.
Um eine weitere Verbesserung der Arzneimittelsicherheit in Deutschland
zu erreichen und die beschriebenen Defizite der Spontanberichterfassung
auszugleichen, sollen daher ergänzend nationale Pharmakovigilanzzentren
aufgebaut werden, wie sie seit langem von den unabhängigen
Arzneimittelinformationsblättern gefordert werden. Diese Zentren können bei
Krankenhausaufnahmen, schweren Krankheitsbildern oder spezifischen
Patientengruppen (z.B. Schwangere, Stillende) gezielt nach UAW suchen und
folgende Aufgaben wahrnehmen:
·
standardisierte
Erfassung und Bewertung, besonders schwerwiegender UAW, einschließlich einer
qualitätsgesicherten Weiterleitung der Meldungen an die zuständige
Bundesoberbehörde,
·
Anwendung
von Methoden, die eine Schätzung der relativen Häufigkeit von UAW erlauben,
·
Bearbeitung
konkreter Fragen der Bundesoberbehörden auf dem Gebiet der Pharmakovigilanz,
·
Bereitstellung
von Beratungsangeboten für die Einzelfall-bezogene Pharmakotherapie,
·
Beteiligung
an der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung auf dem Gebiet der
Pharmakotherapie,
·
organisatorische
Anregungen, z.B. Fokussierung der Spontanmeldungen auf bestimmte
Medikamentengruppen, Einbeziehung der Apotheker, speziell der
Krankenhausapotheker, und der anderen im Gesundheitswesen tätigen
Berufsgruppen.
Gleichzeitig kann erwartet werden, daß mit der dauerhaften Etablierung
derartiger Zentren die Sensibilität für Fragen der Pharmakovigilanz erhöht
wird. Ausgehend vom Modellprojekt des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte soll in den nächsten Jahren schrittweise ein Netz von zehn bis
zwölf Zentren aufgebaut werden. Solche Zentren entstehen aber nicht, wenn sie
nicht finanziert werden können. Die Verantwortlichen sollten berücksichtigen,
daß durch UAW hohe Kosten entstehen, die gegen die Kosten der Pharmakovigilanz
aufgerechnet werden können (12). Die
Pharmakovigilanz braucht starke Lobbyisten.
Mit dem neuen § 63b AMG werden differenzierte Meldeverpflichtungen der
Behörden über UAW geregelt. Damit wird auch die Mitwirkung Deutschlands beim
Aufbau eines EU-weiten Datenbanksystems (EudraVigilanz) gesichert. Die
zuständige Bundesbehörde hat - wie die Behörden der anderen EU-Mitgliedsstaaten
- künftig jeden ihr zur Kenntnis gegebenen Verdachtsfall einer schwerwiegenden
UAW an das europäische Datenbanksystem zu übermitteln. Durch elektronische
Kommunikation können künftig die dort gespeicherten Meldungen aus allen Mitgliedsstaaten
für eigene Bewertungen genutzt werden. Weiterhin wird jedoch die vollständige
Datenbank mit primären Daten nur den Zulassungsbehörden zur Verfügung stehen.
Entgegen der bisherigen Regelung wird das Verfahren zur Meldung von UAW,
die bei klinischen Prüfungen auftreten, gesondert geregelt. Diese Vorschriften
beinhalten insbesondere die Meldeverpflichtungen des Prüfers und des Sponsors
an die zuständigen Behörden und Ethik-Kommissionen.
Ausblick: Die durch die 12. AMG-Novelle erreichte Harmonisierung in
der EG bei der Durchführung klinischer Prüfungen und in der Pharmakovigilanz
ist grundsätzlich zu begrüßen, da europaweit vergleichbare Bedingungen für
klinische Prüfungen geschaffen und zugleich Arzneimittelsicherheit und
Probanden-/Patienten-Schutz verbessert werden. Wichtige Regelungen hinsichtlich
der Etablierung von Datenbanken zu klinischen Prüfungen (EudraCT) und
schwerwiegenden UAW (EudraVigilanz) werden in nationales Recht umgesetzt. Die
mit der 12. AMG-Novelle bzw. den Rechtsverordnungen verbundenen Aufgaben für
Ethik-Kommissionen und Bundesoberbehörden erfordern die Bereitstellung einer
entsprechenden Infrastruktur, damit bei Bewertung bzw. Genehmigung der Anträge
auf klinische Prüfungen wichtige Aspekte, wie Qualität und Probanden-/Patienten-Schutz,
adäquat berücksichtigt und die vorgesehenen Fristen eingehalten werden können.
Das Nähere zur Bildung, Zusammensetzung und Finanzierung der Ethik-Kommissionen
wird durch Landesrecht bestimmt. Nach vorsichtigen Schätzungen von Experten der
Haftpflichtversicherung ist davon auszugehen, daß von PU im Schadensfall
infolge zu spät ergangener oder unsachgemäß ablehnender Bescheide Schäden bis
in den fünfstelligen Millionen-Euro-Bereich entstehen und vor Gerichten geltend
gemacht werden könnten. Vor diesem Hintergrund muß die Haftpflicht der
Ethik-Kommissionen und die Finanzierung der ggf. entstehenden Forderungen rasch
geklärt werden. Angesichts der zunehmenden Komplexität klinischer Prüfungen und
der damit verbundenen wissenschaftlichen und ethischen Fragen (9, 10) sollte auch über neue Strukturen (z.B.
Schaffung speziell ausgerichteter Ethik-Kommissionen) nachgedacht werden, um
eine unabhängige Nutzen-/Risiko-Bewertung auf dem aktuellen Stand
wissenschaftlicher Erkenntnisse zu garantieren.
Auf der europäischen Ebene hat sich die Gesetzgebung bereits
weiterentwickelt. Am 30. April 2004 wurden von der Europäischen Gemeinschaft
die Verordnung 726/2004 und die Richtlinie 2004/27/EG veröffentlicht, durch die
die Transparenz von Entscheidungen nationaler und europäischer
Zulassungsbehörden verbessert, die Forschung auf dem Gebiet der
Pharmakovigilanz gefördert und Änderungen bei den Zulassungsverfahren für
Arzneimittel vorgenommen werden sollen (1).
Einige wichtige Punkte sollen speziell erwähnt werden:
·
Auch
die Mitarbeiter der Zulassungsbehörden und deren Gutachter sollen über ihre
möglichen Interessenkonflikte berichten.
·
Bei
einigen Entscheidungen muß anders als bisher der zusätzliche Nutzen eines
Medikaments bei seiner Beurteilung berücksichtigt werden. Der
Wirksamkeitsnachweis allein genügt nicht mehr für die Zulassung oder die
Verlängerung der Zulassung.
·
In
Zukunft müssen nicht mehr nur die biotechnologisch hergestellten Medikamente,
sondern auch Medikamente zur Behandlung von AIDS, Krebs, Diabetes und
neurodegenerativen Störungen sowie sehr selten zu verordnende Medikamente durch
den zentralen Zulassungsprozeß gehen, der übersichtlicher ist und nationale
Sonderinteressen kompensieren kann.
·
Die
Zulassungsfristen wurden beibehalten und nicht verkürzt, wie das von Vertretern der Pharmaindustrie gefordert worden war. Das
ist von großer Bedeutung, denn schon bei den z.Z. geltenden Fristen hat die mit
der Zulassung festgestellte Unbedenklichkeit einen vorläufigen Charakter (2, 3).
Eine kürzlich in den USA durchgeführte Studie zu potenziell schwerwiegenden UAW
in der Onkologie unterstreicht die Notwendigkeit einer verbesserten
Pharmakovigilanz für Arzneimittel, die im Rahmen beschleunigter Beurteilungs-
und Entscheidungsverfahren von der amerikanischen Zulassungsbehörde (Food and
Drug Administration, FDA) zugelassen bzw. Off-Label eingesetzt wurden (4).
·
Innerhalb
der regulären zentralen Zulassung sind Ausnahmeverfahren vorgesehen, die
Patienten die Möglichkeit eröffnen sollen, schneller innovative Therapie für
sich in Anspruch zu nehmen und somit „Off-Label-Use” zu vermeiden. Hierzu
zählen beschleunigte Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren (150 Tage für die
Beurteilung der Anträge auf Zulassung) für Humanarzneimittel mit großer Bedeutung
für die öffentliche Gesundheit (z.B. Arzneimittel gegen Krebs) und die
kostenlose Bereitstellung noch in der klinischen Prüfung befindlicher
Arzneimittel schon vor der Zulassung für schwerkranke Patienten („Compassionate
Use”).
·
Direkte
Werbung beim Verbraucher für verschreibungspfllichtige Medikamente bleibt
verboten. An der entsprechenden Kampagne hatte sich auch DER ARZNEIMITTELBRIEF
beteiligt (13).
·
Die
Zulassung der Medikamente muß nach fünf Jahren überprüft werden. Bei dieser
Gelegenheit muß das Nutzen/Risiko-Verhältnis angegeben und ggf. die
Verkaufsziffern benannt werden.
·
Leider
müssen nach wie vor nicht überall neu auf dem Markt gekommene Medikamente als
solche gekennzeichnet werden.
Der Arzt bestimmt durch seine Entscheidungen ganz wesentlich die
Qualität der Arzneimitteltherapie und einen verantwortungsvollen
Patienten-orientierten Ressourceneinsatz. Die Bedingungen für seine
Entscheidungen werden durch Gesetze geregelt. Reformen sind kein Schicksal
sondern politische Gestaltungsnotwendigkeiten. Es kommt darauf an, sie nicht
nur im Einzelnen zu verstehen, sondern an der weiteren Ausgestaltung
verantwortlich und kritisch mitzuwirken.
Literatur
-
Anonym:
Rev. Prescrire 2004, 24, 542.
-
Green,
M.R.: N. Engl. J. Med. 2004, 350, 2191.
-
Garattini,
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Boos,
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Burgardt,
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Pich,
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- Garattini, S., et al.:
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- AMB 2001, 35, 46.
- Schneeweiß, S., et al.:
Eur. J. Clin. Pharmacol. 2002, 58, 285.
- AMB 2002, 36, 39b.
-
www.der-arzneimittelbrief.de
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