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12. Novelle zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG): Bedeutung für die Arzneimittelsicherheit und Arzneimittelentwicklung

Zusammenfassung: Die 12. Novelle des AMG ist am 6. August 2004 in Kraft getreten. Die Neuerungen beinhalten Chancen und Gefahren. Bei klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln wird die Verfahrensweise jetzt präziser definiert als eine Voraussetzung für qualitativ einwandfreie Abläufe. Die Fristen für die Beratung klinischer Prüfungen in den Ethikkommissionen und im Genehmigungsverfahren durch das BfArM bzw. Paul-Ehrlich-Institut werden erstmals definiert und damit kürzer. Dadurch entstehen jedoch Risiken, daß die Daten nicht eingehend genug geprüft werden können. Das Votum der Ethikkommission wird aufgewertet und justiziabel mit noch ungeklärten Haftungsfragen. Es wird ein zentrales Register aller Studien eingeführt. Dies ist sehr zu begrüßen, aber es sollte öffentlich zugänglich sein. Die Pharmakovigilanz gewinnt einen höheren Stellenwert, jedoch ist die Finanzierung der vorgesehenen Zentren noch nicht gesichert. Am 30. April 2004 wurde die Reform der europäischen Arzneimittelgesetzgebung verabschiedet, deren Bestimmungen jetzt so rasch wie möglich in die nationale Gesetzgebung übernommen werden sollen.

Die 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes ist am 6. August 2004 in Kraft getreten. Sie dient der Implementierung europäischen Rechts in nationales Recht. Es geht um die Umsetzung der Richtlinien über die Anwendung der guten klinischen Praxis (GCP) bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln (2001/20/EG), der guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und Prüfpräparate (2003/94/EG) und um die Pharmakovigilanz bei Humanarzneimitteln (2001/83/EG). Die Ziffern vermitteln einen Eindruck von der Geschwindigkeit in der Umsetzung von der europäischen auf die nationale Ebene. Die Novelle ist besonders bedeutsam für Industrie, Zulassungsbehörden, Ethikkommissionen und Ärzte, die klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln durchführen. Sie nimmt aber auch Einfluß auf die Qualität der Arzneimittelversorgung und ist damit für jeden wichtig, der Arzneimittel anwendet.

Im Folgenden wird auf wesentliche Inhalte der beiden Schwerpunkte der 12. AMG-Novelle eingegangen: die Anwendung der GCP bei der Durchführung klinischer Prüfungen und die Pharmakovigilanz.

GCP bei der Durchführung klinischer Prüfungen mit Humanarzneimitteln: 1. Die 12. AMG-Novelle bzw. die GCP-Verordnung (GCP-V) sollen die ordnungsgemäße Durchführung der klinischen Prüfung unter „Einhaltung der allgemein anerkannten ethischen und wissenschaftlichen Qualitätsanforderungen bei der Planung, Durchführung und Dokumentation klinischer Prüfungen am Menschen und der Berichterstattung darüber sicherstellen.” Darüber hinaus soll die Bereitstellung der dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechenden Unterlagen gewährleistet sein. Damit sollen Rechte, Sicherheit und Wohlergehen der Person, bei der die klinische Prüfung durchgeführt wird, geschützt und die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse der klinischen Prüfung garantiert werden. Auf die weitreichenden Anforderungen an die Qualität kontrollierter klinischer Studien haben wir wiederholt hingewiesen (11). Diesen unverbindlichen Richtlinien müßten auch die Studien entsprechen, die den Zulassungsbehörden bei der Einführung neuer Arzneimittel vorgelegt werden. Zunächst einmal hat der Gesetzgeber in § 4 AMG und § 3 GCP-V aber genaue Definitionen der im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen relevanten Begriffe (klinische Prüfung, Sponsor, Prüfer, Prüfplan, Prüfpräparat) festgelegt. Der § 4 unterscheidet eindeutig zwischen klinischen Prüfungen und nicht-interventionellen Prüfungen, für die deshalb das AMG nicht gilt. Eine Abgrenzung zwischen den in der Regel durch den pharmazeutischen Unternehmer (PU) initiierten klinischen Prüfungen und den nicht-kommerziellen Therapieoptimierungsstudien wurde nicht vorgenommen. Durch Therapieoptimierungsstudien konnten in den zurückliegenden zwei bis drei Jahrzehnten in der Onkologie, aber auch in anderen medizinischen Fachgebieten, wissenschaftlich strukturierte und standardisierte Therapiekonzepte weiterentwickelt und ein hohes Maß an Qualitätssicherung diagnostischer Verfahren bzw. therapeutischer Strategien erreicht werden. Besonders bei hämatologischen Neoplasien und in der pädiatrischen Onkologie wurden dadurch klinische Risikogruppen identifiziert und die Prognose dieser Erkrankungen durch risikoadaptierte Therapiestrategien wesentlich verbessert. Auf die Notwendigkeit, unabhängig vom PU geplante und durchgeführte Therapieoptimierungsstudien aus den formalen Anforderungen herauszunehmen, wurde an anderer Stelle ausführlich eingegangen (6).

2. Im § 40 AMG werden die allgemeinen Voraussetzungen der klinischen Prüfung eines Arzneimittels beim Menschen festgelegt. Sie darf vom Sponsor nur begonnen werden, wenn die zuständige Ethik-Kommission diese zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde diese genehmigt hat. Dadurch werden aus ehrenamtlich tätigen Ethik-Kommissionen, die bisher nur in beratender Funktion tätig waren, Patienten-/Probandenschutzinstitutionen mit Behördencharakter. Ihre Entscheidungen können gerichtlich überprüft werden. Das Haftungsrisiko ist erheblich, wenn sie z.B. eine Studie ablehnt, der Hersteller einen Formfehler bei der Entscheidung geltend macht und Kostenersatz für den Einkommensausfall fordert, der durch die verspätete Zulassung entsteht. Diese Haftungsrisiken waren bisher beim Staat, und nicht alle Ethikkommissionen sind bereit, sie zu übernehmen. Die Voraussetzung für die Durchführung einer klinischen Prüfung ist darüber hinaus an eine „geeignete Einrichtung” und einen „angemessen qualifizierten” Prüfer gebunden. Weitere Voraussetzungen sind „eine dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende pharmakologisch-toxikologische Prüfung des Arzneimittels”, der Abschluß einer Probanden/Patienten-Versicherung und die Beachtung der Anforderungen für eine adäquate Aufklärung des Probanden/Patienten über „Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite der klinischen Prüfung”. Auf die klinische Prüfung bei Kindern und Jugendlichen wurde an anderer Stelle ausführlich eingegangen (5).

3. Einzelheiten der Verfahren bei der Ethik-Kommission und im Genehmigungsverfahren bei der Bundesoberbehörde sind ebenfalls festgelegt (s.a. 6). Vom Sponsor müssen nach § 42 ein Antrag auf zustimmende Bewertung bei der zuständigen Ethik-Kommission und ein Antrag auf Genehmigung der klinischen Prüfung bei der zuständigen Bundesoberbehörde eingereicht werden. Bei multizentrischen klinischen Prüfungen, die im Geltungsbereich des AMG an mehr als einer Prüfstelle erfolgen, bewertet die federführende Ethik-Kommission den Antrag im Benehmen mit den beteiligten lokalen Ethik-Kommissionen. Auf die wichtige Rolle der lokalen Ethik-Kommissionen bei multizentrischen klinischen Prüfungen soll an dieser Stelle hingewiesen werden. Nur die lokale Ethikkommission kann die fachlichen Voraussetzungen vor Ort sicher beurteilen.

Die von der europäischen Datenbank für klinische Prüfungen (EudraCT) vergebene Nummer des Prüfplans muß dem Antrag an die Ethikkommission und dem Antrag an die zuständige Bundesoberbehörde beigefügt werden. Diese Datenbank wird hoffentlich die Transparenz klinischer Prüfungen in Europa wesentlich verbessern und rasch zur Etablierung nationaler Studienregister führen. Dadurch könnten seit langem bekannte Defizite klinischer Prüfungen, wie z.B. die Doppel-/Mehrfachausführungen bzw. das unethische „Underreporting” (7, 8) verhindert und wirklich innovative Studiendesigns gefördert werden. Leider ist nach diesem Gesetz aber das EudraCT-Register weitgehend vertraulich. Die Informationen sind nur für Zulassungsbehörden und für die betroffenen PU zugänglich und nicht für die Öffentlichkeit. Das ist ein großes Defizit, das beseitigt werden muß.

4. Ein erwähnenswerter Fortschritt ist, daß in dem Antrag an die Ethik-Kommission und in dem Antrag an die zuständige Bundesoberbehörde vom Antragsteller zukünftig auch konkrete Angaben zu möglichen Interessenkonflikten in Zusammenhang mit dem Prüfpräparat gemacht werden müssen.

5. Die Fristen für die Bewertung klinischer Prüfungen durch die Ethik-Kommission bzw. Genehmigung durch die zuständige Bundesoberbehörde sind ebenfalls festgelegt. Grundsätzlich gilt eine Frist von 60 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäßen Antrags, innerhalb der die federführende Ethikkommission dem Sponsor und der zuständigen Bundesoberbehörde ihre mit Gründen versehene Bewertung übermitteln muß. Fristverkürzungen bzw. Fristverlängerungen sind vorgesehen. Für beteiligte Ethikkommissionen im Rahmen multizentrischer Prüfungen gilt, daß eine Bewertung hinsichtlich Qualifikation der lokalen Prüfer und der Prüfstellen der federführenden Ethikkommission innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäßen Antrages vorliegen muß. Die Genehmigung durch die zuständige Bundesoberbehörde gilt als erteilt, wenn dem Sponsor innerhalb von höchstens 30 Tagen nach Eingang der Antragsunterlagen keine mit Gründen versehenen Einwände übermittelt werden.

Insgesamt werden auf Druck der pharmazeutischen Industrie die Bearbeitungsfristen in den Ethik-Kommissionen und Bundesoberbehörden deutlich verkürzt. Andererseits ist aber klar, daß eine belastungsfähige wissenschaftliche Analyse Zeit benötigt. Je kürzer die Fristen, desto weniger können mögliche Risiken der Studien ausreichend bedacht werden. Es wird wahrscheinlicher, daß Maßnahmen zur Erfassung unerwarteter UAW im Prüfplan unzureichend berücksichtigt und die UAW dann erst nach der Zulassung des Medikaments entdeckt werden.

Pharmakovigilanz: DER ARZNEIMITTELBRIEF ist Mitglied der International Society of Drug Bulletins (ISDB). Diese Vereinigung hat am 31.10./1.11.2003 eine Arbeitsgruppensitzung nach Berlin einberufen. Es wurde eine Deklaration zur Pharmakovigilanz diskutiert. Die endgültige Form wird im Dezember 2004 auf den Websites der Mitglieder gelesen werden können, also auch bei uns (14). Information über Arzneimittelnebenwirkungen und damit das Verhältnis von möglichem Nutzen und möglichen Schäden einer Therapie steht für uns und unsere Leser im Mittelpunkt des Interesses und damit auch dieser Teil der Gesetzgebung.

Pharmakovigilanz ist das Bemühen, die Therapiesicherheit zu erfassen und zu verbessern. Die sorgfältige Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) mit dem Ziel, Patienten frühzeitig vor schweren UAW zu warnen, Fach- und Gebrauchsinformationen entsprechend zu ändern und ggf. eine Marktrücknahme durch die Zulassungsbehörden zu erwirken, hat in den zurückliegenden 10-15 Jahren auch vor dem Hintergrund einer Globalisierung von Wirtschafts- und Gesundheitspolitik, Arzneimittelindustrie sowie Arzneimittelinformationen, verstärkte Aufmerksamkeit gefunden.

In der deutschen (Muster-) Berufsordnung sind in § 6 die Aufgaben der Ärzte bei der Mitteilung von UAW festgelegt: Der Arzt ist verpflichtet, die ihm aus seiner ärztlichen Behandlungstätigkeit bekannt werdenden UAW der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft mitzuteilen (Fachausschuß der Bundesärztekammer).

Die wesentlichen Inhalte der neuen Regelungen zur Pharmakovigilanz können wie folgt zusammengefaßt werden:

Der Begriff Nebenwirkungen wird umfassender definiert. Es sind „beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretende schädliche, unbeabsichtigte Reaktionen”. Ferner werden auch unter Berücksichtigung der differenzierten Meldeverpflichtungen die Begriffe „schwerwiegende Nebenwirkungen” und „unerwartete Nebenwirkungen” aufgenommen und Wechselwirkungen als eine Sonderform der Nebenwirkungen klassifiziert.

Durch eine Ergänzung in § 33 AMG werden die zuständigen Bundesoberbehörden nunmehr ermächtigt, auch für „die Tätigkeit im Rahmen der Sammlung und Bewertung von Arzneimittelrisiken” Gebühren zu erheben. Dies entspricht auch der Praxis in anderen Ländern. Dadurch wird die Behörde unabhängiger von den schrumpfenden Staatsfinanzen. Andererseits muß darauf geachtet werden, daß sich durch diese Gebühren keine Abhängigkeit von den betroffenen Firmen aufbaut.

Im § 62 AMG wird die Einbeziehung nationaler Pharmakovigilanzzentren in das Pharmakovigilanzsystem als Grundsatz etabliert. Derzeit basieren in Deutschland das Erkennen und die Bewertung von UAW wesentlich auf der Spontanberichterstattung. Diese ist fest etabliert und hat den unbestreitbaren Vorteil, daß damit grundsätzlich alle exponierten Patienten überwacht und somit bisher unbekannte Arzneimittelrisiken frühzeitig erkannt werden können. Die Spontanberichterstattung leidet jedoch an den bekannten und häufig diskutierten Nachteilen (9), wie z.B. der geringen Melderate, der eingeschränkten Beurteilbarkeit der gemeldeten Fälle auf Grund unvollständiger Angaben und der Industrielastigkeit. Insbesondere aber kann sie keine Erkenntnisse zur Häufigkeit (Inzidenz) auftretender UAW liefern.

Um eine weitere Verbesserung der Arzneimittelsicherheit in Deutschland zu erreichen und die beschriebenen Defizite der Spontanberichterfassung auszugleichen, sollen daher ergänzend nationale Pharmakovigilanzzentren aufgebaut werden, wie sie seit langem von den unabhängigen Arzneimittelinformationsblättern gefordert werden. Diese Zentren können bei Krankenhausaufnahmen, schweren Krankheitsbildern oder spezifischen Patientengruppen (z.B. Schwangere, Stillende) gezielt nach UAW suchen und folgende Aufgaben wahrnehmen:

· standardisierte Erfassung und Bewertung, besonders schwerwiegender UAW, einschließlich einer qualitätsgesicherten Weiterleitung der Meldungen an die zuständige Bundesoberbehörde,

· Anwendung von Methoden, die eine Schätzung der relativen Häufigkeit von UAW erlauben,

· Bearbeitung konkreter Fragen der Bundesoberbehörden auf dem Gebiet der Pharmakovigilanz,

· Bereitstellung von Beratungsangeboten für die Einzelfall-bezogene Pharmakotherapie,

· Beteiligung an der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung auf dem Gebiet der Pharmakotherapie,

· organisatorische Anregungen, z.B. Fokussierung der Spontanmeldungen auf bestimmte Medikamentengruppen, Einbeziehung der Apotheker, speziell der Krankenhausapotheker, und der anderen im Gesundheitswesen tätigen Berufsgruppen.

Gleichzeitig kann erwartet werden, daß mit der dauerhaften Etablierung derartiger Zentren die Sensibilität für Fragen der Pharmakovigilanz erhöht wird. Ausgehend vom Modellprojekt des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte soll in den nächsten Jahren schrittweise ein Netz von zehn bis zwölf Zentren aufgebaut werden. Solche Zentren entstehen aber nicht, wenn sie nicht finanziert werden können. Die Verantwortlichen sollten berücksichtigen, daß durch UAW hohe Kosten entstehen, die gegen die Kosten der Pharmakovigilanz aufgerechnet werden können (12). Die Pharmakovigilanz braucht starke Lobbyisten.

Mit dem neuen § 63b AMG werden differenzierte Meldeverpflichtungen der Behörden über UAW geregelt. Damit wird auch die Mitwirkung Deutschlands beim Aufbau eines EU-weiten Datenbanksystems (EudraVigilanz) gesichert. Die zuständige Bundesbehörde hat – wie die Behörden der anderen EU-Mitgliedsstaaten – künftig jeden ihr zur Kenntnis gegebenen Verdachtsfall einer schwerwiegenden UAW an das europäische Datenbanksystem zu übermitteln. Durch elektronische Kommunikation können künftig die dort gespeicherten Meldungen aus allen Mitgliedsstaaten für eigene Bewertungen genutzt werden. Weiterhin wird jedoch die vollständige Datenbank mit primären Daten nur den Zulassungsbehörden zur Verfügung stehen.

Entgegen der bisherigen Regelung wird das Verfahren zur Meldung von UAW, die bei klinischen Prüfungen auftreten, gesondert geregelt. Diese Vorschriften beinhalten insbesondere die Meldeverpflichtungen des Prüfers und des Sponsors an die zuständigen Behörden und Ethik-Kommissionen.

Ausblick: Die durch die 12. AMG-Novelle erreichte Harmonisierung in der EG bei der Durchführung klinischer Prüfungen und in der Pharmakovigilanz ist grundsätzlich zu begrüßen, da europaweit vergleichbare Bedingungen für klinische Prüfungen geschaffen und zugleich Arzneimittelsicherheit und Probanden-/Patienten-Schutz verbessert werden. Wichtige Regelungen hinsichtlich der Etablierung von Datenbanken zu klinischen Prüfungen (EudraCT) und schwerwiegenden UAW (EudraVigilanz) werden in nationales Recht umgesetzt. Die mit der 12. AMG-Novelle bzw. den Rechtsverordnungen verbundenen Aufgaben für Ethik-Kommissionen und Bundesoberbehörden erfordern die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur, damit bei Bewertung bzw. Genehmigung der Anträge auf klinische Prüfungen wichtige Aspekte, wie Qualität und Probanden-/Patienten-Schutz, adäquat berücksichtigt und die vorgesehenen Fristen eingehalten werden können. Das Nähere zur Bildung, Zusammensetzung und Finanzierung der Ethik-Kommissionen wird durch Landesrecht bestimmt. Nach vorsichtigen Schätzungen von Experten der Haftpflichtversicherung ist davon auszugehen, daß von PU im Schadensfall infolge zu spät ergangener oder unsachgemäß ablehnender Bescheide Schäden bis in den fünfstelligen Millionen-Euro-Bereich entstehen und vor Gerichten geltend gemacht werden könnten. Vor diesem Hintergrund muß die Haftpflicht der Ethik-Kommissionen und die Finanzierung der ggf. entstehenden Forderungen rasch geklärt werden. Angesichts der zunehmenden Komplexität klinischer Prüfungen und der damit verbundenen wissenschaftlichen und ethischen Fragen (9, 10) sollte auch über neue Strukturen (z.B. Schaffung speziell ausgerichteter Ethik-Kommissionen) nachgedacht werden, um eine unabhängige Nutzen-/Risiko-Bewertung auf dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse zu garantieren.

Auf der europäischen Ebene hat sich die Gesetzgebung bereits weiterentwickelt. Am 30. April 2004 wurden von der Europäischen Gemeinschaft die Verordnung 726/2004 und die Richtlinie 2004/27/EG veröffentlicht, durch die die Transparenz von Entscheidungen nationaler und europäischer Zulassungsbehörden verbessert, die Forschung auf dem Gebiet der Pharmakovigilanz gefördert und Änderungen bei den Zulassungsverfahren für Arzneimittel vorgenommen werden sollen (1). Einige wichtige Punkte sollen speziell erwähnt werden:

· Auch die Mitarbeiter der Zulassungsbehörden und deren Gutachter sollen über ihre möglichen Interessenkonflikte berichten.

· Bei einigen Entscheidungen muß anders als bisher der zusätzliche Nutzen eines Medikaments bei seiner Beurteilung berücksichtigt werden. Der Wirksamkeitsnachweis allein genügt nicht mehr für die Zulassung oder die Verlängerung der Zulassung.

· In Zukunft müssen nicht mehr nur die biotechnologisch hergestellten Medikamente, sondern auch Medikamente zur Behandlung von AIDS, Krebs, Diabetes und neurodegenerativen Störungen sowie sehr selten zu verordnende Medikamente durch den zentralen Zulassungsprozeß gehen, der übersichtlicher ist und nationale Sonderinteressen kompensieren kann.

· Die Zulassungsfristen wurden beibehalten und nicht verkürzt, wie das von Vertretern der Pharmaindustrie gefordert worden war. Das ist von großer Bedeutung, denn schon bei den z.Z. geltenden Fristen hat die mit der Zulassung festgestellte Unbedenklichkeit einen vorläufigen Charakter (2, 3). Eine kürzlich in den USA durchgeführte Studie zu potenziell schwerwiegenden UAW in der Onkologie unterstreicht die Notwendigkeit einer verbesserten Pharmakovigilanz für Arzneimittel, die im Rahmen beschleunigter Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren von der amerikanischen Zulassungsbehörde (Food and Drug Administration, FDA) zugelassen bzw. Off-Label eingesetzt wurden (4).

· Innerhalb der regulären zentralen Zulassung sind Ausnahmeverfahren vorgesehen, die Patienten die Möglichkeit eröffnen sollen, schneller innovative Therapie für sich in Anspruch zu nehmen und somit „Off-Label-Use” zu vermeiden. Hierzu zählen beschleunigte Beurteilungs- und Entscheidungsverfahren (150 Tage für die Beurteilung der Anträge auf Zulassung) für Humanarzneimittel mit großer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit (z.B. Arzneimittel gegen Krebs) und die kostenlose Bereitstellung noch in der klinischen Prüfung befindlicher Arzneimittel schon vor der Zulassung für schwerkranke Patienten („Compassionate Use”).

· Direkte Werbung beim Verbraucher für verschreibungspfllichtige Medikamente bleibt verboten. An der entsprechenden Kampagne hatte sich auch DER ARZNEIMITTELBRIEF beteiligt (13).

· Die Zulassung der Medikamente muß nach fünf Jahren überprüft werden. Bei dieser Gelegenheit muß das Nutzen/Risiko-Verhältnis angegeben und ggf. die Verkaufsziffern benannt werden.

· Leider müssen nach wie vor nicht überall neu auf dem Markt gekommene Medikamente als solche gekennzeichnet werden.

Der Arzt bestimmt durch seine Entscheidungen ganz wesentlich die Qualität der Arzneimitteltherapie und einen verantwortungsvollen Patienten-orientierten Ressourceneinsatz. Die Bedingungen für seine Entscheidungen werden durch Gesetze geregelt. Reformen sind kein Schicksal sondern politische Gestaltungsnotwendigkeiten. Es kommt darauf an, sie nicht nur im Einzelnen zu verstehen, sondern an der weiteren Ausgestaltung verantwortlich und kritisch mitzuwirken.

Literatur

  1. Anonym: Rev. Prescrire 2004, 24, 542.
  2. Green, M.R.: N. Engl. J. Med. 2004, 350, 2191.
  3. Garattini, S., und Bertele, V.: Brit. Med. J. 2002, 325, 269.
  4. Ladewski, L.A., et al.: J. Clin. Oncol. 2003, 21, 3859.
  5. Boos, J.: Forum. Magazin der Deutschen Krebsgesellschaft: 2004, S 2, 18.
  6. Burgardt, C.: Forum. Magazin der Deutschen Krebsgesellschaft: 2004, S 2, 10.
  7. Bero, L.A., und Rennie, D.: Int. J. Technol. Assess. Health Care 1996, 12, 209.
  8. Pich, J., et al.: Lancet 2003, 361, 1015.
  9. Hasford, J., et al.: J. Clin. Epidemiol. 2002, 55, 945.
  10. Garattini, S., et al.: Brit. Med. J. 2003, 326, 1199.
  11. AMB 2001, 35, 46.
  12. Schneeweiß, S., et al.: Eur. J. Clin. Pharmacol. 2002, 58, 285.
  13. AMB 2002, 36, 39b.
  14. www.der-arzneimittelbrief.de