Der gemeinsame Bundesausschuß für Ärzte und
Krankenkassen kann seit Beginn des Jahres wieder Festbeträge für teure, noch
patentgeschützte Medikamentengruppen festlegen. Auf diese Weise soll der
Wildwuchs der Preise in diesem Bereich gebremst werden. Die Firma Pfizer will
sich der Festbetragsregelung für Statine nicht anschließen und den Preis von
Sortis® (Atorvastatin) nicht anpassen, so daß für die Patienten
gegebenenfalls erhebliche Zuzahlungen entstehen. Pfizer behauptet in einer
ganzseitigen Anzeige in verschiedenen großen deutschen Zeitungen (z.B. 1):
·
Der beste Cholesterin-Senker sei Sortis®.
·
Es senke Cholesterin am stärksten
und reduziere das Risiko am schnellsten.
·
Es sei auch in höchster Dosis gut
verträglich.
·
Statin sei nicht Statin.
·
Die Festbetragsregelung verstoße gegen
das Gesetz, denn es heiße darin, innovative Medikamente, die therapeutische
Vorteile aufweisen, müssen voll erstattet werden.
Die Werbung der Firma Pfizer ist medizinisch
verantwortungslos und verunsichert viele Patienten. Atorvastatin hat nicht
generell therapeutische Vorteile vor anderen Statinen, sondern speziell beim
Vergleich von 80 mg/d mit 40 mg/d Pravastatin unmittelbar nach akutem Myokardinfarkt
(2). Der Titel dieser Studie war: „Intensive oder moderate Lipid-Senkung mit
Statinen nach akutem Koronarsyndrom”. Es ging also gar nicht um einen
Substanzvergleich, sondern um den Strategie-Vergleich in einem schmalen Segment
der Statin-Indikationen. 4162 Patienten wurden eingeschlossen und im Mittel 24
Monate beobachtet. Primärer Endpunkt waren Tod durch alle Ursachen oder
Herzinfarkt oder Krankenhausaufnahme wegen instabiler Angina pectoris oder
Revaskularisation oder Schlaganfall. LDL war in beiden Gruppen vor der Randomisation
106 mg/dl. Es wurde in der Pravastatin-Gruppe (Standard-Gruppe) auf 95 mg/dl
gesenkt und in der Atorvastatin-Gruppe (Intensiv-Gruppe) auf 62 mg/dl. Der
primäre Endpunkt wurde in der Pravastatin-Gruppe nach zwei Jahren in 26,3% erreicht
und in der Atorvastatin-Gruppe in 22,4% (p = 0,005). Der Nutzen war am größten
(primärer Endpunkt -34%), wenn das Ausgangs-LDL mindestens 125 mg/dl war im
Vergleich zu -7%, wenn der Ausgangswert < 125 mg/dl war. Nach PROVE-IT ist
also nach akutem Koronarsyndrom eine LDL-Senkung deutlich unter 100 mg/dl bei
höherem Ausgangswert etwas wirksamer als eine geringere Senkung von LDL. Die
Studie sagt nichts aus zum Vergleich der Substanzen, denn es wurden bezogen auf
LDL keine äquipotenten Dosierungen verglichen. Sie sagt auch nichts aus über
andere Statin-Indikationen, z.B. bei generalisierter Arteriosklerose und über
primäre Prävention. Hier ist Atorvastatin nicht vergleichend getestet worden.
Muskelschmerzen bzw. CK-Erhöhungen waren unter Atorvastatin häufiger. Wenn die
intensive Cholesterinsenkung sich durchsetzt, ist öfter mit gefährlichen UAW zu
rechnen. Statine sind nicht völlig harmlos!
Übrigens, eine intensive Therapie mit Lovastatin (LDL
gesenkt auf unter 100 mg/dl), ist auch wirksamer als eine weniger intensive
Lovastatin-Therapie (3).
Die Patienten müssen nicht verunsichert sein. Es gibt
keine Beweise, daß Atorvastatin immer der beste Cholesterinsenker ist, wie die
Anzeige behauptet. Klar ist aber, daß die Patienten zu Zuzahlungen animiert
werden sollen, damit der gewaltige Umsatz, den die Firma mit dieser Substanz
allein in Deutschland macht (515 Mio. EUR zu Lasten der GKV; 4), durch die
Festbetragsregelung nicht in Gefahr gebracht wird. Beteiligte sich Pfizer an
der Festbetragsregelung, könnte den Patienten die belastende Zuzahlung erspart
werden. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentrale e.V. empörte sich am
18.11.2004 über diese Anzeige (7). Frau Prof. Dr. Edda Müller: ”Pfizer sorgt
sich nicht um die Patienten, sondern um seine Gewinne.”
Die Anzeige der Firma Pfizer betrifft ein verschreibungspflichtiges
Medikament und richtet sich über die Tagespresse an „Laien”. Dies ist in dieser
Form nach dem Heilmittelwerbegesetz verboten. Die Analyse der Anzeige zeigt,
warum dieses Verbot zu Recht besteht. DER ARZNEIMITTELBRIEF hatte sich an einer
europaweiten Aktion beteiligt, die erfolgreich die Rechtslage bestätigt hat
(5). Die Firma Pfizer verstößt häufiger gegen dieses Gesetz. Man denke nur an
die Werbespots während der Übertragungen der Fußball-Weltmeisterschaft 2002, in
denen Pelé den Fußball-Anhängern Tips der Firma Pfizer zur Behandlung
geschwächter Manneskraft gab (6). Kann man Gesetze gegen Großfirmen nicht
durchsetzen?
Fazit: Die
Firma Pfizer versucht in einer großangelegten und teuren Anzeigen-Kampagne die
Öffentlichkeit mit fadenscheinigen, angstmachenden Argumenten gegen die preisbindende
Festbetragsregelung für Sortis® zu mobilisieren. Die kritische
Analyse der Daten kann allerdings keine innovativen therapeutischen Vorteile
der Substanz finden, die die Festbetragsregelung aussetzen würde. Das kann ein
medizinischer Laie nicht ohne weiteres durchschauen. Die Anzeige ist ein
Beispiel dafür, warum Laienwerbung für verschreibungspflichtige Medikamente
verboten ist und daß Großfirmen dieses Verbot mißachten.
Literatur
-
Anzeige in DIE ZEIT vom 11.11.2004;
S. 13.
-
Cannon, C.P., et al.
(PROVE-IT = PRavastatin or AtOrVastatin Evaluation
and Infection Therapy): N. Engl. J. Med. 2004, 350, 1495.
-
Campeau, L., et al. (Post
CABG = Post Coronary Artery Bypass Graft
clinical trial): Circulation 1999, 99, 3241.
-
Schwabe, U., und Paffrath, D.: Arzneiverordnungs-Report
2004. Springer, Berlin, Heidelberg, New York.
-
AMB 2002, 36, 39b.
-
AMB 2002, 36, 56a.
-
www.vzbv.de/go/presse/459/index.html
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