Das Ausmaß des sekundären Hyperparathyreoidismus
(sHPT) und ein erhöhtes Ca x PO4-Produkt (CPP) korrelieren bei
chronisch Niereninsuffizienten und speziell bei Dialysepatienten mit der
Häufigkeit arteriosklerotischer, besonders kardiovaskulärer Komplikationen und
der Letalität. Die Ursachen des sHPT bei Niereninsuffizienz sind vielfältig und
komplex: die verminderte renale Synthese von 1,25-Vitamin D3
(Calcitriol) führt zu geringerer intestinaler Kalziumresorption mit der Folge
Hypokalziämie. Zusätzlich stimuliert das bei niereninsuffizienten Patienten
erhöhte Serum-Phosphat die PTH-Sekretion. Die verminderte intestinale
Kalziumresorption und der sHPT sind die Hauptursachen der renalen Osteopathie.
Bisher wurde der sHPT in erster Linie mit oralen Gaben von Phosphatbindern und
Calcitriol bzw. ähnlich wirkenden Vitamin-D3-Metaboliten oder
-Analogen behandelt. Diese Therapie muß gut überwacht werden, weil sie eine
Reihe von UAW hat (z.B Hyperkalziämie durch Kalzium-haltige Phosphatbinder und
Hyperphosphatämie durch die Vitamin-D-Analogen sowie Erhöhung des Kalzium x
Phosphat-Produkts).
Anfang der 90er Jahre wurde in den Nebenschilddrüsen
ein die Konzentration des extrazellulären ionisierten Kalziums ständig
registrierender Rezeptor (Kalzium-Sensor) entdeckt (1), der die
Parathormon(PTH)-Sekretion steuert. Bald darauf wurden Substanzen
synthetisiert, die an diesem Kalzium-Sensor angreifen und die durch Kalzium
regulierte Sekretion von PTH bremsen (sog. Kalzimimetika), d.h., die Zellen der
Nebenschilddrüsen werden durch diese Substanzen sensitiver für den
inhibitorischen Effekt von Kalzium. Bei Patienten mit primärem HPT können durch
orale Gabe des Kalzimimetikums Cinacalcet die PTH-Sekretion und das
Serum-Kalzium gesenkt werden (2). Auch bei sHPT infolge Niereninsuffizienz sind
Kalzimimetika wirksam (3): sie senken nicht nur das PTH, sondern auch Phosphat
und Kalzium im Serum und damit das Kalzium x Phosphat-Produkt.
Block et al. (4)
berichteten kürzlich über zwei große, identische, multizentrische (USA, Europa,
Australien) Studien an insgesamt 741 Hämodialyse-Patienten mit unbefriedigend
zu behandelndem sHPT, die doppeltblind Cinacalcet oder Plazebo insgesamt
insgesamt 26 Wochen lang erhielten. Die ersten 12 Wochen dienten der
Dosisfindung (Steigerung von 30 bis auf 180 mg Cinacalcet oder Plazebo einmal
täglich), während in den folgenden 14 Wochen die Effizienz der Therapie mit der
erreichten Dosis getestet wurde. Der primäre Endpunkt war der Prozentsatz der
Patienten, die in der 14 Wochen-Periode eine als Therapierfolg geltende
Plasmakonzentration des intakten PTH < 251 pg/ml erreichten. In der Phase
der Dosisfindung (die doppeltblind eigentlich nicht möglich ist) wurde die
Dosis von Cinacalcet alle 4 Wochen um einen Schritt erhöht, wenn das intakte
Plasma-PTH noch > 200 pg/ml und das Serum-Kalzium nicht < 7,8 mg/dl war.
Die Patienten durften weiter mit Phosphatbindern behandelt werden sowie mit
Vitamin-D-Sterolen innerhalb festgesetzter Grenzen.
Die Ausgangswerte von intaktem PTH, Kalzium, Phosphat
und Kalzium x Phosphat-Produkt sind in Tab. 1 wiedergegeben. Die Werte waren in
beiden Gruppen zu Beginn gleich. Wie dargestellt, fielen in der
14-Wochen-Periode PTH, Kalzium, Phosphat und das Kalzium x Phosphat-Produkt
unter Cinacalcet im Vergleich mit Plazebo ab (jeweils p = < 0,001), PTH
deutlich um 38%. Die Knochen-spezifische Phosphatase als Marker des
Knochenstoffwechsels fiel unter Verum von 23,3 auf 15,6 ng/ml, unter Plazebo
von 24,2 auf 22,6 ng/ml (Gruppen-Differenz: p < 0,001). In der Verum-Gruppe
erreichten 35% der Patienten den primären Endpunkt (Senkung des intakten PTH
auf < 250 pg/ml), unter Plazebo 5%. Die Darstellung der Ergebnisse ist etwas
verwirrend, da sowohl Gesamt-PTH als auch (bei den Patienten aus den USA)
intaktes PTH gemessen wurde und nicht immer klar erkennbar ist, welcher
Parameter gemeint ist. Angeblich unterschieden sich die durchschnittlichen
Dosen der verwendeten Phosphatbinder und Vitamin-D-Sterole nicht signifikant in
den beiden Gruppen, so daß die Veränderungen dem Cinacalcet zugeschrieben
werden müssen. Als wichtigste UAW traten unter Cinacalcet signifikant häufiger
als unter Plazebo Übelkeit und Erbrechen auf. Bei 5% unter Verum und bei 1%
unter Plazebo traten Hypokalziämien auf, die mit Kalzium-haltigen
Phosphatbindern und/oder erhöhten Dosen von Vitamin-D-Sterolen behandelt
wurden.
Fazit: Die
Ergebnisse sprechen dafür, daß Kalzimimetika grundsätzlich für die Behandlung
des sHPT bei Dialysepatienten und deren Folgen geeignet sind, doch fehlen
bisher Studien mit harten klinischen Endpunkten wie Knochenhistologie,
Knochenmasse, Weichteilverkalkungen, kardiovaskuläre Komplikationen,
„Lebensqualität” und Letalität. Auch der Preis dieser neuen Medikamente wird
darüber entscheiden, ob sie in die Behandlung der ohnehin schon sehr teuren
Nierenersatztherapie in größerem Umfang Eingang finden werden (5). Cinacalcet
wird in diesem Jahr unter dem Handelsnamen Mimpara® erhältlich sein.
Literatur
-
Brown, E.M., et al.: Nature 1993, 366, 575.
-
Shoback, D.M., et al.: J. Clin.
Endocrinol. 2003, 88, 5644.
-
Goodman, W.G., et al.: J. Am.
Soc. Nephrol 2002, 13, 1017.
-
Block, G.A.: N. Engl.
J. Med. 2004, 350, 1516.
-
Curhan, G.: N. Engl. J. Med.
2004, 350, 1565 (Kommentar zu Lit. 4).
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