In der Sekundärprävention von Myokardinfarkt (MI) und
ischämischem Schlaganfall (iSA) ist niedrig dosierte Azetylsalizylsäure (ASS)
sowohl bei Männern wie bei Frauen wirksam (1). Eine Metaanalyse über die
Wirksamkeit von ASS bei Frauen in der Primärprävention kardiovaskulärer
Ereignisse durch Autoren der von uns schon mehrfach besprochenen Womens’ Health
Study (WHS) ergab, dass ASS verglichen mit Plazebo signifikant die Häufigkeit
von iSA (RR: 0,81; CI: 0,69-0,96; p = 0,01), aber nicht die von MI (RR: 0,99; CI:
0,83-1,19; p = 0,95) reduziert. Bei Männern hingegen ergaben Metaanalysen der
Primärprävention mit niedrig dosierter ASS aus verschiedenen großen Studien den
umgekehrten Befund: RR: 0,68; CI: 0,54-0,86; p = 0,001 zugunsten von ASS bei MI
und einen nicht signifikanten Anstieg im Vergleich mit Plazebo bei Schlaganfällen:
RR: 1,13; CI: 0,96-1,33; p = 0,15 (2).
Im N. Engl. J. Med. wurden jetzt die Ergebnisse der WHS
zur Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse bei 39 876 Frauen ab dem 45. Lebensjahr
mitgeteilt, die entweder jeden zweiten Tag 100 mg ASS oder Plazebo für im
Mittel zehn Jahre eingenommen hatten (2). Die verglichenen Gruppen waren
hinsichtlich biologischer und soziologischer Merkmale gut vergleichbar. Ca. 24
000 Frauen waren 45-54 Jahre alt, ca. 11 700 waren 55-64 Jahre alt, und ca. 5 000
waren älter. Insgesamt traten in der ASS-Gruppe 477 schwere kardiovaskuläre
Ereignisse auf, in der Plazebo-Gruppe waren es 522. Diese Reduktion war
ausschließlich durch einen protektiven Effekt hinsichtlich iSA um 24% (RR:
0,76; CI: 0,63-0,96; p = 0,009) bedingt, während Schlaganfälle durch Hirnblutung
(deutlich seltener als iSA) nicht signifikant zunahmen. ASS hatte insgesamt keinen
Effekt auf die Häufigkeit tödlicher oder nicht-tödlicher MI (RR: 1,02; p = 0,83),
im Gegensatz zu den Ergebnissen bei Männern. Wie zu erwarten, brachte die ASS-Prävention
ein erhöhtes Blutungsrisiko mit sich. Transfusionspflichtige GI-Blutungen waren
unter ASS mit einem RR von 1,40 (CI: 1,07-1,83; p = 0,02) signifikant häufiger
als unter Plazebo, und das gleiche traf zu auf die Häufigkeit diagnostizierter
Magenulzera, Hämaturie, Hautblutungen und Nasenbluten (alles signifikant).
Wichtig ist die Subgruppenanalyse nach Alter: In der relativ kleinen Gruppe der
Über-65-Jährigen trat etwa ein Drittel aller kardiovaskulären Ereignisse auf,
und in dieser Altersgruppe hatte ASS sowohl hinsichtlich Verhinderung von iSA
(p = 0,05) als auch von MI (p = 0,04) einen signifikanten Effekt. Ob in dieser
Altersgruppe das Blutungsrisiko unter ASS größer ist als bei jüngeren Frauen,
wird nicht mitgeteilt. Auch hinsichtlich der Verhinderung von iSA war ASS bei
älteren Frauen effektiver als bei den jüngeren, bei denen - für sich genommen -
der protektive Effekt nicht signifikant war.
Die Autoren diskutieren die Empfehlung der American
Heart Association zur Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse für Personen
mit einem 10-Jahres-Ereignisrisiko von 10% und mehr, die ASS einnehmen sollten.
In einem Kommentar vertritt R.I. Levin aus New York (3) die Meinung, diese
Empfehlung auf Frauen > 65 Jahre zu beschränken und jede Frau (wie auch
jeden Mann) über den differenziellen Nutzen einer solchen Langzeit-Prophylaxe
und über das Blutungsrisiko aufzuklären.
Fazit: Die
Women’s Health Study und eine Metaanalyse der gleichen Autoren ergaben, dass
ASS in der Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse bei Frauen anders wirkt
als bei Männern. Bei Männern werden Myokardinfarkte, bei Frauen ischämische
Schlaganfälle verhindert. Bei Frauen > 65 Jahre wird aber auch das
Herzinfarktrisiko reduziert. In allen Altersgruppen steigt unter ASS das
Blutungsrisiko. Diese Ergebnisse sollten bei der Beratung von Patienten
hinsichtlich ASS als Langzeit-Prophylaktikum berücksichtigt werden.
Literatur
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Antithrombotic
Trialists’ Collaboration: Brit. Med. J. 2002, 324, 71; Erratum: 2002, 324, 141.
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Ridker, P.M., et al.
(WHS = Women’s Health Study): N. Engl. J. Med. 2005, 352, 1293.
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Levin, R.I.: N. Engl. J.
Med. 2005, 352, 1366.
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